Schiller, Friedrich: Dom Karlos, Infant von Spanien. Leipzig, 1787.Vierter Akt. Karlos in tiefes Grübeln verloren. Und Mir verschwieg er! Warum verschwieg er Mir? Lerma. Der ganze Hof staunt ihn schon als allmächtigen Minister, als unumschränkten Günstling an -- Karlos. Er hat mich lieb gehabt, sehr lieb. Ich war ihm theuer, wie seine eigne Seele. O das weiß ich -- Das haben tausend Proben mir erwiesen. Doch sollen Millionen ihm, soll ihm das Vaterland nicht theurer sein als Einer? Sein Busen war für Einen Freund zu groß, und Karlos Glück zu klein für seine Liebe. Er opferte mich seiner Tugend. Kann ich ihn drum schelten? -- Ja! Es ist ge- gewiß! Jetzt ist's gewiß. Jetzt hab' ich ihn verlo- ren. Er geht seitwärts und verhüllt das Gesicht. Vierter Akt. Karlos in tiefes Grübeln verloren. Und Mir verſchwieg er! Warum verſchwieg er Mir? Lerma. Der ganze Hof ſtaunt ihn ſchon als allmächtigen Miniſter, als unumſchränkten Günſtling an — Karlos. Er hat mich lieb gehabt, ſehr lieb. Ich war ihm theuer, wie ſeine eigne Seele. O das weiß ich — Das haben tauſend Proben mir erwieſen. Doch ſollen Millionen ihm, ſoll ihm das Vaterland nicht theurer ſein als Einer? Sein Buſen war für Einen Freund zu groß, und Karlos Glück zu klein für ſeine Liebe. Er opferte mich ſeiner Tugend. Kann ich ihn drum ſchelten? — Ja! Es iſt ge- gewiß! Jetzt iſt’s gewiß. Jetzt hab’ ich ihn verlo- ren. Er geht ſeitwärts und verhüllt das Geſicht. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <pb facs="#f0369" n="357"/> <fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Vierter Akt</hi>.</fw><lb/> <sp who="#KAR"> <speaker> <hi rendition="#g">Karlos</hi> </speaker><lb/> <stage>in tiefes Grübeln verloren.</stage><lb/> <p><hi rendition="#et">Und Mir verſchwieg er!</hi><lb/> Warum verſchwieg er Mir?</p> </sp><lb/> <sp who="#LER"> <speaker><hi rendition="#g">Lerma</hi>.</speaker><lb/> <p><hi rendition="#et">Der ganze Hof</hi><lb/> ſtaunt ihn ſchon als allmächtigen Miniſter,<lb/> als unumſchränkten Günſtling an —</p> </sp><lb/> <sp who="#KAR"> <speaker><hi rendition="#g">Karlos</hi>.</speaker><lb/> <p><hi rendition="#et">Er hat</hi><lb/> mich lieb gehabt, ſehr lieb. Ich war ihm<lb/> theuer,<lb/> wie ſeine eigne Seele. O das weiß ich —<lb/> Das haben tauſend Proben mir erwieſen.<lb/> Doch ſollen Millionen ihm, ſoll ihm<lb/> das Vaterland nicht theurer ſein als Einer?<lb/> Sein Buſen war für Einen Freund zu groß,<lb/> und Karlos Glück zu klein für ſeine Liebe.<lb/> Er opferte mich ſeiner Tugend. Kann<lb/> ich ihn drum ſchelten? — Ja! Es iſt ge-<lb/> gewiß!<lb/> Jetzt iſt’s gewiß. Jetzt hab’ ich ihn verlo-<lb/> ren.</p><lb/> <stage>Er geht ſeitwärts und verhüllt das Geſicht.</stage> </sp><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [357/0369]
Vierter Akt.
Karlos
in tiefes Grübeln verloren.
Und Mir verſchwieg er!
Warum verſchwieg er Mir?
Lerma.
Der ganze Hof
ſtaunt ihn ſchon als allmächtigen Miniſter,
als unumſchränkten Günſtling an —
Karlos.
Er hat
mich lieb gehabt, ſehr lieb. Ich war ihm
theuer,
wie ſeine eigne Seele. O das weiß ich —
Das haben tauſend Proben mir erwieſen.
Doch ſollen Millionen ihm, ſoll ihm
das Vaterland nicht theurer ſein als Einer?
Sein Buſen war für Einen Freund zu groß,
und Karlos Glück zu klein für ſeine Liebe.
Er opferte mich ſeiner Tugend. Kann
ich ihn drum ſchelten? — Ja! Es iſt ge-
gewiß!
Jetzt iſt’s gewiß. Jetzt hab’ ich ihn verlo-
ren.
Er geht ſeitwärts und verhüllt das Geſicht.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/schiller_domkarlos_1787 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/schiller_domkarlos_1787/369 |
Zitationshilfe: | Schiller, Friedrich: Dom Karlos, Infant von Spanien. Leipzig, 1787, S. 357. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schiller_domkarlos_1787/369>, abgerufen am 17.06.2024. |