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Schiller, Friedrich: Der Geisterseher. Leipzig, 1789.

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derselben gleichgültig, innerhalb derselben nennen
wir sie schlimm oder gut."

Richtig.

"Moralität ist also eine Beziehung, die nur
innerhalb der Seele, außer ihr nie gedacht werden
kann, so wie z. B. die Ehre eine Beziehung ist,
die dem Menschen nur innerhalb der bürgerlichen
Gesellschaft zukommen kann."

Ganz recht.

"Sobald wir uns eine Handlung als in der
Seele vorhanden denken, so erscheint sie uns als
die Bürgerinn einer ganz andern Welt, und nach
ganz andern Gesetzen müssen wir sie richten. Sie
gehört einem eigenen Ganzen zu, das seinen Mit¬
telpunkt in sich selbst hat, aus welchem alles fließt,
was es giebt, gegen welchen alles strömt, was es
empfänget. Dieser Mittelpunkt oder dieses Prin¬
cipium ist, wie wir vorhin übereingekommen sind,
nichts anders als der inwohnende Trieb alle seine
Kräfte zum Wirken zu bringen, oder, was eben
so viel sagt, zur höchsten Kundmachung seiner Exi¬
stenz zu gelangen. In diesen Zustand setzen wir
die Vollkommenheit des moralischen Wesens, so
wie wir eine Uhr vollkommen nennen, wenn alle
Theile, woraus der Künstler sie zusammensezte, der
Wirkung entsprechen, um derentwillen er sie zu¬
sammensezte, wie wir ein musikalisches Instrument
vollkommen nennen, wenn alle Theile desselben an
seiner höchsten Wirkung den höchsten Antheil neh¬
men, dessen sie fähig, und um dessentwillen sie ver¬
einigt sind. Das Verhältniß nun, in welchem die

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derſelben gleichgültig, innerhalb derſelben nennen
wir ſie ſchlimm oder gut.“

Richtig.

„Moralität iſt alſo eine Beziehung, die nur
innerhalb der Seele, außer ihr nie gedacht werden
kann, ſo wie z. B. die Ehre eine Beziehung iſt,
die dem Menſchen nur innerhalb der bürgerlichen
Geſellſchaft zukommen kann.“

Ganz recht.

„Sobald wir uns eine Handlung als in der
Seele vorhanden denken, ſo erſcheint ſie uns als
die Bürgerinn einer ganz andern Welt, und nach
ganz andern Geſetzen müſſen wir ſie richten. Sie
gehört einem eigenen Ganzen zu, das ſeinen Mit¬
telpunkt in ſich ſelbſt hat, aus welchem alles fließt,
was es giebt, gegen welchen alles ſtrömt, was es
empfänget. Dieſer Mittelpunkt oder dieſes Prin¬
cipium iſt, wie wir vorhin übereingekommen ſind,
nichts anders als der inwohnende Trieb alle ſeine
Kräfte zum Wirken zu bringen, oder, was eben
ſo viel ſagt, zur höchſten Kundmachung ſeiner Exi¬
ſtenz zu gelangen. In dieſen Zuſtand ſetzen wir
die Vollkommenheit des moraliſchen Weſens, ſo
wie wir eine Uhr vollkommen nennen, wenn alle
Theile, woraus der Künſtler ſie zuſammenſezte, der
Wirkung entſprechen, um derentwillen er ſie zu¬
ſammenſezte, wie wir ein muſikaliſches Inſtrument
vollkommen nennen, wenn alle Theile deſſelben an
ſeiner höchſten Wirkung den höchſten Antheil neh¬
men, deſſen ſie fähig, und um deſſentwillen ſie ver¬
einigt ſind. Das Verhältniß nun, in welchem die

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[147/0155] derſelben gleichgültig, innerhalb derſelben nennen wir ſie ſchlimm oder gut.“ Richtig. „Moralität iſt alſo eine Beziehung, die nur innerhalb der Seele, außer ihr nie gedacht werden kann, ſo wie z. B. die Ehre eine Beziehung iſt, die dem Menſchen nur innerhalb der bürgerlichen Geſellſchaft zukommen kann.“ Ganz recht. „Sobald wir uns eine Handlung als in der Seele vorhanden denken, ſo erſcheint ſie uns als die Bürgerinn einer ganz andern Welt, und nach ganz andern Geſetzen müſſen wir ſie richten. Sie gehört einem eigenen Ganzen zu, das ſeinen Mit¬ telpunkt in ſich ſelbſt hat, aus welchem alles fließt, was es giebt, gegen welchen alles ſtrömt, was es empfänget. Dieſer Mittelpunkt oder dieſes Prin¬ cipium iſt, wie wir vorhin übereingekommen ſind, nichts anders als der inwohnende Trieb alle ſeine Kräfte zum Wirken zu bringen, oder, was eben ſo viel ſagt, zur höchſten Kundmachung ſeiner Exi¬ ſtenz zu gelangen. In dieſen Zuſtand ſetzen wir die Vollkommenheit des moraliſchen Weſens, ſo wie wir eine Uhr vollkommen nennen, wenn alle Theile, woraus der Künſtler ſie zuſammenſezte, der Wirkung entſprechen, um derentwillen er ſie zu¬ ſammenſezte, wie wir ein muſikaliſches Inſtrument vollkommen nennen, wenn alle Theile deſſelben an ſeiner höchſten Wirkung den höchſten Antheil neh¬ men, deſſen ſie fähig, und um deſſentwillen ſie ver¬ einigt ſind. Das Verhältniß nun, in welchem die Thätig¬ K 2

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Zitationshilfe: Schiller, Friedrich: Der Geisterseher. Leipzig, 1789, S. 147. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schiller_geisterseher_1789/155>, abgerufen am 27.04.2024.