Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schiller, Friedrich: Der Geisterseher. Leipzig, 1789.

Bild:
<< vorherige Seite

gnügter Miene. Bey dieser Gelegenheit, sagt
Biondello, wurde eine Hand sichtbar, woran eini¬
ge kostbare Steine blitzten. Mit ihrer Begleiterin
sprach sie einiges, das Biondello nicht verstand;
er behauptet, es sey griechisch gewesen. Da sie
eine ziemliche Strecke nach dem Kanal zu gehen
hatten, so fing schon etwas Volk an, sich zu sam¬
meln, das Außerordentliche des Anblicks brachte
alle Vorübergehende zum Stehen. Niemand kannte
sie -- aber die Schönheit ist eine geborne Königin.
Alles machte ihr ehrerbietig Platz. Sie ließ einen
schwarzen Schleier über das Gesicht fallen, der
das halbe Gewand bedeckte, und eilte in die Gon¬
del. Längs dem ganzen Kanal der Giodecca behielt
Biondello das Fahrzeug im Gesicht, aber es weiter
zu verfolgen, untersagte ihm das Gedränge."

Aber den Gondolier hat er sich doch gemerkt,
um diesen wenigstens wieder zu erkennen?

"Den Gondolier getraut er sich ausfindig zu
machen; doch es ist keiner von denen, mit denen
er Verkehr hat. Die Armen die er ausfragte,
konnten ihm weiter keinen Bescheid geben, als daß
Signora sich schon seit einigen Wochen und immer
Sonnabends hier zeige, und noch allemal ein Gold¬
stück unter sie vertheilt habe. Es war ein hollän¬
discher Ducaten, den er eingewechselt, und mir
überbracht hat."

Eine Griechin also, und von Stande, wie es
scheint, von Vermögen wenigstens, und wohlthä¬

tig.
d. Geisterseher. M

gnügter Miene. Bey dieſer Gelegenheit, ſagt
Biondello, wurde eine Hand ſichtbar, woran eini¬
ge koſtbare Steine blitzten. Mit ihrer Begleiterin
ſprach ſie einiges, das Biondello nicht verſtand;
er behauptet, es ſey griechiſch geweſen. Da ſie
eine ziemliche Strecke nach dem Kanal zu gehen
hatten, ſo fing ſchon etwas Volk an, ſich zu ſam¬
meln, das Außerordentliche des Anblicks brachte
alle Vorübergehende zum Stehen. Niemand kannte
ſie — aber die Schönheit iſt eine geborne Königin.
Alles machte ihr ehrerbietig Platz. Sie ließ einen
ſchwarzen Schleier über das Geſicht fallen, der
das halbe Gewand bedeckte, und eilte in die Gon¬
del. Längs dem ganzen Kanal der Giodecca behielt
Biondello das Fahrzeug im Geſicht, aber es weiter
zu verfolgen, unterſagte ihm das Gedränge.“

Aber den Gondolier hat er ſich doch gemerkt,
um dieſen wenigſtens wieder zu erkennen?

„Den Gondolier getraut er ſich ausfindig zu
machen; doch es iſt keiner von denen, mit denen
er Verkehr hat. Die Armen die er ausfragte,
konnten ihm weiter keinen Beſcheid geben, als daß
Signora ſich ſchon ſeit einigen Wochen und immer
Sonnabends hier zeige, und noch allemal ein Gold¬
ſtück unter ſie vertheilt habe. Es war ein hollän¬
diſcher Ducaten, den er eingewechſelt, und mir
überbracht hat.“

Eine Griechin alſo, und von Stande, wie es
ſcheint, von Vermögen wenigſtens, und wohlthä¬

tig.
d. Geiſterſeher. M
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0185" n="177"/>
gnügter Miene. Bey die&#x017F;er Gelegenheit, &#x017F;agt<lb/>
Biondello, wurde eine Hand &#x017F;ichtbar, woran eini¬<lb/>
ge ko&#x017F;tbare Steine blitzten. Mit ihrer Begleiterin<lb/>
&#x017F;prach &#x017F;ie einiges, das Biondello nicht ver&#x017F;tand;<lb/>
er behauptet, es &#x017F;ey griechi&#x017F;ch gewe&#x017F;en. Da &#x017F;ie<lb/>
eine ziemliche Strecke nach dem Kanal zu gehen<lb/>
hatten, &#x017F;o fing &#x017F;chon etwas Volk an, &#x017F;ich zu &#x017F;am¬<lb/>
meln, das Außerordentliche des Anblicks brachte<lb/>
alle Vorübergehende zum Stehen. Niemand kannte<lb/>
&#x017F;ie &#x2014; aber die Schönheit i&#x017F;t eine geborne Königin.<lb/>
Alles machte ihr ehrerbietig Platz. Sie ließ einen<lb/>
&#x017F;chwarzen Schleier über das Ge&#x017F;icht fallen, der<lb/>
das halbe Gewand bedeckte, und eilte in die Gon¬<lb/>
del. Längs dem ganzen Kanal der Giodecca behielt<lb/>
Biondello das Fahrzeug im Ge&#x017F;icht, aber es weiter<lb/>
zu verfolgen, unter&#x017F;agte ihm das Gedränge.&#x201C;</p><lb/>
            <p>Aber den Gondolier hat er &#x017F;ich doch gemerkt,<lb/>
um die&#x017F;en wenig&#x017F;tens wieder zu erkennen?</p><lb/>
            <p>&#x201E;Den Gondolier getraut er &#x017F;ich ausfindig zu<lb/>
machen; doch es i&#x017F;t keiner von denen, mit denen<lb/>
er Verkehr hat. Die Armen die er ausfragte,<lb/>
konnten ihm weiter keinen Be&#x017F;cheid geben, als daß<lb/>
Signora &#x017F;ich &#x017F;chon &#x017F;eit einigen Wochen und immer<lb/>
Sonnabends hier zeige, und noch allemal ein Gold¬<lb/>
&#x017F;tück unter &#x017F;ie vertheilt habe. Es war ein hollän¬<lb/>
di&#x017F;cher Ducaten, den er eingewech&#x017F;elt, und mir<lb/>
überbracht hat.&#x201C;</p><lb/>
            <p>Eine Griechin al&#x017F;o, und von Stande, wie es<lb/>
&#x017F;cheint, von Vermögen wenig&#x017F;tens, und wohlthä¬<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">d. Gei&#x017F;ter&#x017F;eher. M<lb/></fw> <fw place="bottom" type="catch">tig.<lb/></fw>
</p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[177/0185] gnügter Miene. Bey dieſer Gelegenheit, ſagt Biondello, wurde eine Hand ſichtbar, woran eini¬ ge koſtbare Steine blitzten. Mit ihrer Begleiterin ſprach ſie einiges, das Biondello nicht verſtand; er behauptet, es ſey griechiſch geweſen. Da ſie eine ziemliche Strecke nach dem Kanal zu gehen hatten, ſo fing ſchon etwas Volk an, ſich zu ſam¬ meln, das Außerordentliche des Anblicks brachte alle Vorübergehende zum Stehen. Niemand kannte ſie — aber die Schönheit iſt eine geborne Königin. Alles machte ihr ehrerbietig Platz. Sie ließ einen ſchwarzen Schleier über das Geſicht fallen, der das halbe Gewand bedeckte, und eilte in die Gon¬ del. Längs dem ganzen Kanal der Giodecca behielt Biondello das Fahrzeug im Geſicht, aber es weiter zu verfolgen, unterſagte ihm das Gedränge.“ Aber den Gondolier hat er ſich doch gemerkt, um dieſen wenigſtens wieder zu erkennen? „Den Gondolier getraut er ſich ausfindig zu machen; doch es iſt keiner von denen, mit denen er Verkehr hat. Die Armen die er ausfragte, konnten ihm weiter keinen Beſcheid geben, als daß Signora ſich ſchon ſeit einigen Wochen und immer Sonnabends hier zeige, und noch allemal ein Gold¬ ſtück unter ſie vertheilt habe. Es war ein hollän¬ diſcher Ducaten, den er eingewechſelt, und mir überbracht hat.“ Eine Griechin alſo, und von Stande, wie es ſcheint, von Vermögen wenigſtens, und wohlthä¬ tig. d. Geiſterſeher. M

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schiller_geisterseher_1789
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schiller_geisterseher_1789/185
Zitationshilfe: Schiller, Friedrich: Der Geisterseher. Leipzig, 1789, S. 177. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schiller_geisterseher_1789/185>, abgerufen am 27.04.2024.