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Schiller, Friedrich: Der Geisterseher. Leipzig, 1789.

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Zechinen schuldig. O wie sehne ich mich nach dem
Spargelde der frommen Schwester! -- Sind alle
Fürsten so, liebster Freund? Der Prinz beträgt
sich nicht anders, als wenn er dem Marchese noch
eine große Ehre erwiesen hätte, und dieser --
spielt seine Rolle wenigstens gut.

Civitella suchte mich damit zu beruhigen, daß
gerade diese Uebertreibung, dieses außerordentliche
Unglück das kräftigste Mittel sey, den Prinzen
wieder zur Vernunft zu bringen. Mit dem Gelde
habe es keine Noth. Er selbst fühle diese Lücke
gar nicht, und stehe dem Prinzen jeden Augenblick
mit noch dreymal so viel zu Diensten. Auch der
Kardinal gab mir die Versicherung, daß die Ge¬
sinnung seines Neffen aufrichtig sey, und daß er
selbst bereit stehe, für ihn zu gewähren.

Das traurigste war, daß diese ungeheuren
Aufopferungen ihre Wirkung nicht einmal erreich¬
ten. Man sollte meinen, der Prinz habe wenig¬
stens mit Theilnehmung gespielt? Nichts weniger.
Seine Gedanken waren weit weg, und die Leiden¬
schaft, die wir unterdrücken wollten, schien von
seinem Unglück im Spiele nur mehr Nahrung zu
erhalten. Wenn ein entscheidender Streich ge¬
schehen sollte, und alles sich voll Erwartung um
seinen Spieltisch herum drängte, suchten seine Au¬
gen Biondello, um ihm die Neuigkeit, die er etwa
mitbrächte, von dem Angesicht zu stehlen. Bion¬
dello brachte immer nichts -- und das Blatt ver¬
lor immer.

Das
M 5

Zechinen ſchuldig. O wie ſehne ich mich nach dem
Spargelde der frommen Schweſter! — Sind alle
Fürſten ſo, liebſter Freund? Der Prinz beträgt
ſich nicht anders, als wenn er dem Marcheſe noch
eine große Ehre erwieſen hätte, und dieſer —
ſpielt ſeine Rolle wenigſtens gut.

Civitella ſuchte mich damit zu beruhigen, daß
gerade dieſe Uebertreibung, dieſes außerordentliche
Unglück das kräftigſte Mittel ſey, den Prinzen
wieder zur Vernunft zu bringen. Mit dem Gelde
habe es keine Noth. Er ſelbſt fühle dieſe Lücke
gar nicht, und ſtehe dem Prinzen jeden Augenblick
mit noch dreymal ſo viel zu Dienſten. Auch der
Kardinal gab mir die Verſicherung, daß die Ge¬
ſinnung ſeines Neffen aufrichtig ſey, und daß er
ſelbſt bereit ſtehe, für ihn zu gewähren.

Das traurigſte war, daß dieſe ungeheuren
Aufopferungen ihre Wirkung nicht einmal erreich¬
ten. Man ſollte meinen, der Prinz habe wenig¬
ſtens mit Theilnehmung geſpielt? Nichts weniger.
Seine Gedanken waren weit weg, und die Leiden¬
ſchaft, die wir unterdrücken wollten, ſchien von
ſeinem Unglück im Spiele nur mehr Nahrung zu
erhalten. Wenn ein entſcheidender Streich ge¬
ſchehen ſollte, und alles ſich voll Erwartung um
ſeinen Spieltiſch herum drängte, ſuchten ſeine Au¬
gen Biondello, um ihm die Neuigkeit, die er etwa
mitbrächte, von dem Angeſicht zu ſtehlen. Bion¬
dello brachte immer nichts — und das Blatt ver¬
lor immer.

Das
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[185/0193] Zechinen ſchuldig. O wie ſehne ich mich nach dem Spargelde der frommen Schweſter! — Sind alle Fürſten ſo, liebſter Freund? Der Prinz beträgt ſich nicht anders, als wenn er dem Marcheſe noch eine große Ehre erwieſen hätte, und dieſer — ſpielt ſeine Rolle wenigſtens gut. Civitella ſuchte mich damit zu beruhigen, daß gerade dieſe Uebertreibung, dieſes außerordentliche Unglück das kräftigſte Mittel ſey, den Prinzen wieder zur Vernunft zu bringen. Mit dem Gelde habe es keine Noth. Er ſelbſt fühle dieſe Lücke gar nicht, und ſtehe dem Prinzen jeden Augenblick mit noch dreymal ſo viel zu Dienſten. Auch der Kardinal gab mir die Verſicherung, daß die Ge¬ ſinnung ſeines Neffen aufrichtig ſey, und daß er ſelbſt bereit ſtehe, für ihn zu gewähren. Das traurigſte war, daß dieſe ungeheuren Aufopferungen ihre Wirkung nicht einmal erreich¬ ten. Man ſollte meinen, der Prinz habe wenig¬ ſtens mit Theilnehmung geſpielt? Nichts weniger. Seine Gedanken waren weit weg, und die Leiden¬ ſchaft, die wir unterdrücken wollten, ſchien von ſeinem Unglück im Spiele nur mehr Nahrung zu erhalten. Wenn ein entſcheidender Streich ge¬ ſchehen ſollte, und alles ſich voll Erwartung um ſeinen Spieltiſch herum drängte, ſuchten ſeine Au¬ gen Biondello, um ihm die Neuigkeit, die er etwa mitbrächte, von dem Angeſicht zu ſtehlen. Bion¬ dello brachte immer nichts — und das Blatt ver¬ lor immer. Das M 5

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Zitationshilfe: Schiller, Friedrich: Der Geisterseher. Leipzig, 1789, S. 185. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schiller_geisterseher_1789/193>, abgerufen am 27.04.2024.