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Schiller, Friedrich: Kabale und Liebe. Mannheim, 1784.

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Louise. (groß, mit entschiednem Ton) Nein
Milady. Ich verachte das Urtheil der Menge.

Lady. (vor sich) Sieh doch! -- und diesen
Trozkopf hat sie von ihm. (laut) Man hat sie mir
empfohlen, Mamsell. Sie soll was gelernt haben,
und sonst auch zu leben wissen -- Nun ja. Ich
wills glauben -- auch nähm ich die ganze Welt
nicht, einen so warmen Fürsprecher Lügen zu stra-
fen.

Louise. Doch kenn ich niemand, Milady,
der sich Mühe gäbe, mir eine Patronin zu suchen.

Lady. (geschraubt) Mühe um die Klientin oder
Patronin?

Louise. Das ist mir zu hoch, gnädige Frau.
Lady. Mehr Schelmerei, als diese offene Bil-
dung vermuthen läßt! Louise nennt sie sich? Und
wie jung, wenn man fragen darf?

Louise. Sechszehn gewesen.
Lady. (steht rasch auf) Nun ists heraus!
Sechs-
zehen Jahre! Der erste Puls dieser Leidenschaft! --
Auf dem unberührten Klavier der erste einweihende
Silberton! -- Nichts ist verführender -- Sez
dich, ich bin dir gut, liebes Mädchen -- Und auch
Er liebt zum erstenmal -- Was Wunder, wenn
sich die Stralen Eines Morgenrots finden? (sehr
freundlich, und ihre Hand ergreifend)
Es bleibt dabei,
ich will dein Glük machen, liebe -- Nichts, nichts
als die süße früheverfliegende Träumerei (Louisen auf
die
H
Louiſe. (groß, mit entſchiednem Ton) Nein
Milady. Ich verachte das Urtheil der Menge.

Lady. (vor ſich) Sieh doch! — und dieſen
Trozkopf hat ſie von ihm. (laut) Man hat ſie mir
empfohlen, Mamſell. Sie ſoll was gelernt haben,
und ſonſt auch zu leben wiſſen — Nun ja. Ich
wills glauben — auch naͤhm ich die ganze Welt
nicht, einen ſo warmen Fuͤrſprecher Luͤgen zu ſtra-
fen.

Louiſe. Doch kenn ich niemand, Milady,
der ſich Muͤhe gaͤbe, mir eine Patronin zu ſuchen.

Lady. (geſchraubt) Muͤhe um die Klientin oder
Patronin?

Louiſe. Das iſt mir zu hoch, gnaͤdige Frau.
Lady. Mehr Schelmerei, als dieſe offene Bil-
dung vermuthen laͤßt! Louiſe nennt ſie ſich? Und
wie jung, wenn man fragen darf?

Louiſe. Sechszehn geweſen.
Lady. (ſteht raſch auf) Nun iſts heraus!
Sechs-
zehen Jahre! Der erſte Puls dieſer Leidenſchaft! —
Auf dem unberuͤhrten Klavier der erſte einweihende
Silberton! — Nichts iſt verfuͤhrender — Sez
dich, ich bin dir gut, liebes Maͤdchen — Und auch
Er liebt zum erſtenmal — Was Wunder, wenn
ſich die Stralen Eines Morgenrots finden? (ſehr
freundlich, und ihre Hand ergreifend)
Es bleibt dabei,
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[113/0117] Louiſe. (groß, mit entſchiednem Ton) Nein Milady. Ich verachte das Urtheil der Menge. Lady. (vor ſich) Sieh doch! — und dieſen Trozkopf hat ſie von ihm. (laut) Man hat ſie mir empfohlen, Mamſell. Sie ſoll was gelernt haben, und ſonſt auch zu leben wiſſen — Nun ja. Ich wills glauben — auch naͤhm ich die ganze Welt nicht, einen ſo warmen Fuͤrſprecher Luͤgen zu ſtra- fen. Louiſe. Doch kenn ich niemand, Milady, der ſich Muͤhe gaͤbe, mir eine Patronin zu ſuchen. Lady. (geſchraubt) Muͤhe um die Klientin oder Patronin? Louiſe. Das iſt mir zu hoch, gnaͤdige Frau. Lady. Mehr Schelmerei, als dieſe offene Bil- dung vermuthen laͤßt! Louiſe nennt ſie ſich? Und wie jung, wenn man fragen darf? Louiſe. Sechszehn geweſen. Lady. (ſteht raſch auf) Nun iſts heraus! Sechs- zehen Jahre! Der erſte Puls dieſer Leidenſchaft! — Auf dem unberuͤhrten Klavier der erſte einweihende Silberton! — Nichts iſt verfuͤhrender — Sez dich, ich bin dir gut, liebes Maͤdchen — Und auch Er liebt zum erſtenmal — Was Wunder, wenn ſich die Stralen Eines Morgenrots finden? (ſehr freundlich, und ihre Hand ergreifend) Es bleibt dabei, ich will dein Gluͤk machen, liebe — Nichts, nichts als die ſuͤße fruͤheverfliegende Traͤumerei (Louiſen auf die H

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Zitationshilfe: Schiller, Friedrich: Kabale und Liebe. Mannheim, 1784, S. 113. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schiller_kabale_1784/117>, abgerufen am 27.04.2024.