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Schiller, Friedrich: Geschichte des dreyßigjährigen Kriegs. Frankfurt u. a., 1792.

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Krieges, wenn es wirklich dazu kam, zweifelhaft machen. Aber Privatverhältnisse zerrissen leider das allgemeine politische Band, welches die protestantischen Reichsglieder zusammenhalten sollte. Der große Zeitpunkt fand nur mittelmäßige Geister auf der Bühne, und unbenuzt blieb das entscheidende Moment, weil es den Muthigen an Macht, den Mächtigen an Einsicht, Muth und Entschlossenheit fehlte.

Das Verdienst seines Ahnherrn Moriz, der Umfang seiner Länder, und das Gewicht seiner Stimme, stellten den Churfürsten von Sachsen an die Spize des protestantischen Deutschlands. Von dem Entschlusse, den dieser Prinz faßte, hing es ab, welche von beyden streitenden Partheyen den Sieg behalten sollte; auch war Johann Georg nicht unempfindlich gegen - die Vortheile, welche ihm dieses wichtige Verhältniß verschaffte. Eine gleichbedeutende Eroberung für den Kaiser und für den protestantischen Bund, vermied er sorgfältig, sich an Einen von beyden ganz zu verschenken, und durch eine unwiderrufliche Erklärung sich entweder der Dankbarkeit des Kaisers anzuvertrauen, oder die Vortheile aufzugeben, welche von der Furcht dieses Fürsten zu gewinnen waren. Unangesteckt von dem Schwindel ritterlicher oder religiöser Begeisterung, welcher einen Souverain nach dem andern dahin riß, Krone und Leben an das Glücksspiel des Kriegs zu wagen, strebte Johann Georg dem solideren Ruhme nach, das Seinige zu Rath zu halten und zu verbessern. Wenn seine Zeitgenossen ihn anklagten, daß er mitten im Sturme die protestantische Sache verlassen; daß er der Vergrößerung seines Hauses die Errettung des Vaterlands nachgesetzt; daß er die ganze evangelische Kirche in Deutschland dem Untergange bloß gestellt habe, um nur für die reformirte den Arm nicht zu erheben; wenn sie ihn anklagten, daß er der gemeinen Sache, als ein unzuverlässiger Freund, nicht viel weniger geschadet habe, als ihre

Krieges, wenn es wirklich dazu kam, zweifelhaft machen. Aber Privatverhältnisse zerrissen leider das allgemeine politische Band, welches die protestantischen Reichsglieder zusammenhalten sollte. Der große Zeitpunkt fand nur mittelmäßige Geister auf der Bühne, und unbenuzt blieb das entscheidende Moment, weil es den Muthigen an Macht, den Mächtigen an Einsicht, Muth und Entschlossenheit fehlte.

Das Verdienst seines Ahnherrn Moriz, der Umfang seiner Länder, und das Gewicht seiner Stimme, stellten den Churfürsten von Sachsen an die Spize des protestantischen Deutschlands. Von dem Entschlusse, den dieser Prinz faßte, hing es ab, welche von beyden streitenden Partheyen den Sieg behalten sollte; auch war Johann Georg nicht unempfindlich gegen – die Vortheile, welche ihm dieses wichtige Verhältniß verschaffte. Eine gleichbedeutende Eroberung für den Kaiser und für den protestantischen Bund, vermied er sorgfältig, sich an Einen von beyden ganz zu verschenken, und durch eine unwiderrufliche Erklärung sich entweder der Dankbarkeit des Kaisers anzuvertrauen, oder die Vortheile aufzugeben, welche von der Furcht dieses Fürsten zu gewinnen waren. Unangesteckt von dem Schwindel ritterlicher oder religiöser Begeisterung, welcher einen Souverain nach dem andern dahin riß, Krone und Leben an das Glücksspiel des Kriegs zu wagen, strebte Johann Georg dem solideren Ruhme nach, das Seinige zu Rath zu halten und zu verbessern. Wenn seine Zeitgenossen ihn anklagten, daß er mitten im Sturme die protestantische Sache verlassen; daß er der Vergrößerung seines Hauses die Errettung des Vaterlands nachgesetzt; daß er die ganze evangelische Kirche in Deutschland dem Untergange bloß gestellt habe, um nur für die reformirte den Arm nicht zu erheben; wenn sie ihn anklagten, daß er der gemeinen Sache, als ein unzuverlässiger Freund, nicht viel weniger geschadet habe, als ihre

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[106/0114] Krieges, wenn es wirklich dazu kam, zweifelhaft machen. Aber Privatverhältnisse zerrissen leider das allgemeine politische Band, welches die protestantischen Reichsglieder zusammenhalten sollte. Der große Zeitpunkt fand nur mittelmäßige Geister auf der Bühne, und unbenuzt blieb das entscheidende Moment, weil es den Muthigen an Macht, den Mächtigen an Einsicht, Muth und Entschlossenheit fehlte. Das Verdienst seines Ahnherrn Moriz, der Umfang seiner Länder, und das Gewicht seiner Stimme, stellten den Churfürsten von Sachsen an die Spize des protestantischen Deutschlands. Von dem Entschlusse, den dieser Prinz faßte, hing es ab, welche von beyden streitenden Partheyen den Sieg behalten sollte; auch war Johann Georg nicht unempfindlich gegen – die Vortheile, welche ihm dieses wichtige Verhältniß verschaffte. Eine gleichbedeutende Eroberung für den Kaiser und für den protestantischen Bund, vermied er sorgfältig, sich an Einen von beyden ganz zu verschenken, und durch eine unwiderrufliche Erklärung sich entweder der Dankbarkeit des Kaisers anzuvertrauen, oder die Vortheile aufzugeben, welche von der Furcht dieses Fürsten zu gewinnen waren. Unangesteckt von dem Schwindel ritterlicher oder religiöser Begeisterung, welcher einen Souverain nach dem andern dahin riß, Krone und Leben an das Glücksspiel des Kriegs zu wagen, strebte Johann Georg dem solideren Ruhme nach, das Seinige zu Rath zu halten und zu verbessern. Wenn seine Zeitgenossen ihn anklagten, daß er mitten im Sturme die protestantische Sache verlassen; daß er der Vergrößerung seines Hauses die Errettung des Vaterlands nachgesetzt; daß er die ganze evangelische Kirche in Deutschland dem Untergange bloß gestellt habe, um nur für die reformirte den Arm nicht zu erheben; wenn sie ihn anklagten, daß er der gemeinen Sache, als ein unzuverlässiger Freund, nicht viel weniger geschadet habe, als ihre

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Zitationshilfe: Schiller, Friedrich: Geschichte des dreyßigjährigen Kriegs. Frankfurt u. a., 1792, S. 106. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schiller_krieg_1792/114>, abgerufen am 26.04.2024.