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Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 2. Berlin, 1799.

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Da die Vasengemählde aus einer ganz andern Kunstschule und andern Zeiten herrühren als die auf uns gekommnen alten Statuen, so weichen auch die Vorstellungsarten der Götter manchmal sehr ab: Flaxman hat sich daher in Kostum und Charakter an das uns bekanntere Herkömmliche gehalten, und z. B. dem Apollo immer die Haarschleife über der Stirn, die Schlankheit in den Hüften u. s. w. gegeben, womit wir ihn zu sehen gewohnt sind; auf den Vasengemählden könnten wir ihn bloß für einen mit Lorbeer bekränzten weichen Jüngling halten. Andre Gottheiten, wie Minerva, Jris, sind nicht zu verwechseln. Hingegen das Luftschreiten der Götter, das mit den Bildern Homers weit besser übereinstimmt als Fliegen oder Schweben, und eben durch das Seltsame des Anblicks so erstaunlich bedeutungsvoll für ihre unwiderstehlich schnelle Wirksamkeit wird, hat der Künstler den Vasen abgesehen. So stellt er Apoll und Diana vor, wie sie die Menschen mit ihren sanften Geschossen umbringen. Und wie herrlich führt Merkur die Seelen der Freyer in die Unterwelt! Den Caduceus in der Linken auf die Schulter zurückgelehnt, die Rechte in die kurze Chlamys gewickelt, die sich dadurch an den rechten Schenkel straff anzieht, und den linken gewaltig ausschreitenden unbedeckt läßt, ist er das Bild des behendesten Boten, und die Schatten, die hinter ihm, in Mäntel vermummt, mit straubigem Haar und verwildertem Blick in die schauerlichen Regionen gedrängt hereinschweben, machen damit einen schönen Kontrast. -- Das Luftschreiten ist auch an den Götterpferden bemerklich gemacht: ihre Hufe schlagen hinten ohne Gegenhalt

Da die Vasengemaͤhlde aus einer ganz andern Kunstschule und andern Zeiten herruͤhren als die auf uns gekommnen alten Statuen, so weichen auch die Vorstellungsarten der Goͤtter manchmal sehr ab: Flaxman hat sich daher in Kostum und Charakter an das uns bekanntere Herkoͤmmliche gehalten, und z. B. dem Apollo immer die Haarschleife uͤber der Stirn, die Schlankheit in den Huͤften u. s. w. gegeben, womit wir ihn zu sehen gewohnt sind; auf den Vasengemaͤhlden koͤnnten wir ihn bloß fuͤr einen mit Lorbeer bekraͤnzten weichen Juͤngling halten. Andre Gottheiten, wie Minerva, Jris, sind nicht zu verwechseln. Hingegen das Luftschreiten der Goͤtter, das mit den Bildern Homers weit besser uͤbereinstimmt als Fliegen oder Schweben, und eben durch das Seltsame des Anblicks so erstaunlich bedeutungsvoll fuͤr ihre unwiderstehlich schnelle Wirksamkeit wird, hat der Kuͤnstler den Vasen abgesehen. So stellt er Apoll und Diana vor, wie sie die Menschen mit ihren sanften Geschossen umbringen. Und wie herrlich fuͤhrt Merkur die Seelen der Freyer in die Unterwelt! Den Caduceus in der Linken auf die Schulter zuruͤckgelehnt, die Rechte in die kurze Chlamys gewickelt, die sich dadurch an den rechten Schenkel straff anzieht, und den linken gewaltig ausschreitenden unbedeckt laͤßt, ist er das Bild des behendesten Boten, und die Schatten, die hinter ihm, in Maͤntel vermummt, mit straubigem Haar und verwildertem Blick in die schauerlichen Regionen gedraͤngt hereinschweben, machen damit einen schoͤnen Kontrast. — Das Luftschreiten ist auch an den Goͤtterpferden bemerklich gemacht: ihre Hufe schlagen hinten ohne Gegenhalt

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[236/0246] Da die Vasengemaͤhlde aus einer ganz andern Kunstschule und andern Zeiten herruͤhren als die auf uns gekommnen alten Statuen, so weichen auch die Vorstellungsarten der Goͤtter manchmal sehr ab: Flaxman hat sich daher in Kostum und Charakter an das uns bekanntere Herkoͤmmliche gehalten, und z. B. dem Apollo immer die Haarschleife uͤber der Stirn, die Schlankheit in den Huͤften u. s. w. gegeben, womit wir ihn zu sehen gewohnt sind; auf den Vasengemaͤhlden koͤnnten wir ihn bloß fuͤr einen mit Lorbeer bekraͤnzten weichen Juͤngling halten. Andre Gottheiten, wie Minerva, Jris, sind nicht zu verwechseln. Hingegen das Luftschreiten der Goͤtter, das mit den Bildern Homers weit besser uͤbereinstimmt als Fliegen oder Schweben, und eben durch das Seltsame des Anblicks so erstaunlich bedeutungsvoll fuͤr ihre unwiderstehlich schnelle Wirksamkeit wird, hat der Kuͤnstler den Vasen abgesehen. So stellt er Apoll und Diana vor, wie sie die Menschen mit ihren sanften Geschossen umbringen. Und wie herrlich fuͤhrt Merkur die Seelen der Freyer in die Unterwelt! Den Caduceus in der Linken auf die Schulter zuruͤckgelehnt, die Rechte in die kurze Chlamys gewickelt, die sich dadurch an den rechten Schenkel straff anzieht, und den linken gewaltig ausschreitenden unbedeckt laͤßt, ist er das Bild des behendesten Boten, und die Schatten, die hinter ihm, in Maͤntel vermummt, mit straubigem Haar und verwildertem Blick in die schauerlichen Regionen gedraͤngt hereinschweben, machen damit einen schoͤnen Kontrast. — Das Luftschreiten ist auch an den Goͤtterpferden bemerklich gemacht: ihre Hufe schlagen hinten ohne Gegenhalt

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Zitationshilfe: Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 2. Berlin, 1799, S. 236. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schlegel_athenaeum_1799/246>, abgerufen am 19.05.2024.