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Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 3. Berlin, 1800.

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religiös stimmen laßen, als durch so etwas." -- Jch verstehe Dich; und ich sehe nun ein, daß dieser Dialog, gerade so wie er ist, dem Buch und dem Jch eben so nothwendig war, als mir unser jetziger Dialog, ohne den ich auf diese Ansicht der Form und ihrer Verwicklung mit dem Jnhalt wohl nicht gekommen sein würde. -- "Das ist mir lieb; und so wollen wir uns denn eben nicht sonderlich darum kümmern, wie kunstgerecht wir ihn geführt haben. Hoffen will ich aber, daß wenn du in deinen Betrachtungen fortfährst, man auch eben so darin merken möge, was du durch mich an Verständniß gewonnen hast." --

III. Allzubescheiden: Jch bin ja so vollkommen zur Ruhe gebracht, daß ich nicht nöthig habe fortzufahren. -- Hätte ich ihn doch nur noch das Eine gefragt, ob denn das Jch wirklich am Ende die ganze Denkart und das ganze System des Geistes so umfaßt und erschöpft hat, als es von sich rühmt! Doch warum will ich mehr wissen als ich soll? Darin will ich mich jenem Jch nicht ähnlich machen, und das System sollte mir ja nicht gegeben werden. Aber in der Denkart, ja, da hat es allerdings unendlich gewonnen, mehr gewiß als es sich selbst deutlich bewußt ist. Dies begreife ich erst recht, wenn ich das Ende des Ganzen mit dem Ende des ersten Buchs vergleiche, und kann und muß dann erst die Philosophie recht lieben, die auch denjenigen, der es am wenigsten will, auf diese Höhe zu führen weiß, und auch jenen praktischen Schein aufhebt, an dem der Mensch am festesten hängt. Weshalb erschrak es denn so gewaltig

religioͤs stimmen laßen, als durch so etwas.” — Jch verstehe Dich; und ich sehe nun ein, daß dieser Dialog, gerade so wie er ist, dem Buch und dem Jch eben so nothwendig war, als mir unser jetziger Dialog, ohne den ich auf diese Ansicht der Form und ihrer Verwicklung mit dem Jnhalt wohl nicht gekommen sein wuͤrde. — “Das ist mir lieb; und so wollen wir uns denn eben nicht sonderlich darum kuͤmmern, wie kunstgerecht wir ihn gefuͤhrt haben. Hoffen will ich aber, daß wenn du in deinen Betrachtungen fortfaͤhrst, man auch eben so darin merken moͤge, was du durch mich an Verstaͤndniß gewonnen hast.” —

III. Allzubescheiden: Jch bin ja so vollkommen zur Ruhe gebracht, daß ich nicht noͤthig habe fortzufahren. — Haͤtte ich ihn doch nur noch das Eine gefragt, ob denn das Jch wirklich am Ende die ganze Denkart und das ganze System des Geistes so umfaßt und erschoͤpft hat, als es von sich ruͤhmt! Doch warum will ich mehr wissen als ich soll? Darin will ich mich jenem Jch nicht aͤhnlich machen, und das System sollte mir ja nicht gegeben werden. Aber in der Denkart, ja, da hat es allerdings unendlich gewonnen, mehr gewiß als es sich selbst deutlich bewußt ist. Dies begreife ich erst recht, wenn ich das Ende des Ganzen mit dem Ende des ersten Buchs vergleiche, und kann und muß dann erst die Philosophie recht lieben, die auch denjenigen, der es am wenigsten will, auf diese Hoͤhe zu fuͤhren weiß, und auch jenen praktischen Schein aufhebt, an dem der Mensch am festesten haͤngt. Weshalb erschrak es denn so gewaltig

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[295/0307] religioͤs stimmen laßen, als durch so etwas.” — Jch verstehe Dich; und ich sehe nun ein, daß dieser Dialog, gerade so wie er ist, dem Buch und dem Jch eben so nothwendig war, als mir unser jetziger Dialog, ohne den ich auf diese Ansicht der Form und ihrer Verwicklung mit dem Jnhalt wohl nicht gekommen sein wuͤrde. — “Das ist mir lieb; und so wollen wir uns denn eben nicht sonderlich darum kuͤmmern, wie kunstgerecht wir ihn gefuͤhrt haben. Hoffen will ich aber, daß wenn du in deinen Betrachtungen fortfaͤhrst, man auch eben so darin merken moͤge, was du durch mich an Verstaͤndniß gewonnen hast.” — III. Allzubescheiden: Jch bin ja so vollkommen zur Ruhe gebracht, daß ich nicht noͤthig habe fortzufahren. — Haͤtte ich ihn doch nur noch das Eine gefragt, ob denn das Jch wirklich am Ende die ganze Denkart und das ganze System des Geistes so umfaßt und erschoͤpft hat, als es von sich ruͤhmt! Doch warum will ich mehr wissen als ich soll? Darin will ich mich jenem Jch nicht aͤhnlich machen, und das System sollte mir ja nicht gegeben werden. Aber in der Denkart, ja, da hat es allerdings unendlich gewonnen, mehr gewiß als es sich selbst deutlich bewußt ist. Dies begreife ich erst recht, wenn ich das Ende des Ganzen mit dem Ende des ersten Buchs vergleiche, und kann und muß dann erst die Philosophie recht lieben, die auch denjenigen, der es am wenigsten will, auf diese Hoͤhe zu fuͤhren weiß, und auch jenen praktischen Schein aufhebt, an dem der Mensch am festesten haͤngt. Weshalb erschrak es denn so gewaltig

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Zitationshilfe: Schlegel, August Wilhelm von; Schlegel, Friedrich von (Hrsg.): Athenaeum. Bd. 3. Berlin, 1800, S. 295. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schlegel_athenaeum_1800/307>, abgerufen am 01.11.2024.