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Schlegel, Friedrich von: Ueber die Sprache und Weisheit der Indier. Heidelberg, 1808.

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mehr im Römischen werden ihrer immer weniger,
und im Indischen verschwinden sie so durchaus,
daß selbst die Möglichkeit einer solchen Entste-
hungsart des Ganzen wegfällt.

Wie sind denn aber jene verwandten Spra-
chen durch Flexion, wie ist das Indische, oder
falls auch dieses zwar die ältere aber doch auch
nur eine abgeleitete Form ist, wie ist diejenige
Sprache entstanden, welche wo nicht für alle an-
dre, doch für diese Familie die Ursprache und
der gemeinschaftliche Quell war? -- Einiges
wenigstens läßt sich auf diese wichtige Frage mit
Gewißheit antworten; sie ist nicht aus einem
bloß physischen Geschrei und allerlei schallnach-
ahmenden oder mit dem Schall spielenden Sprach-
versuchen enstanden, wo dann allmählig etwas
Vernunft und Vernunftform angebildet worden
wäre. Vielmehr ist diese Sprache selbst ein Be-
weis mehr, wenn es dessen noch bei so vielen
andern bedarf, daß der Zustand des Menschen
nicht überall mit thierischer Dumpfheit angefan-
gen, woran sich denn nach langem und mühe-
vollem Streben endlich hie und da ein wenig
Vernunft angesetzt habe; zeigt vielmehr, daß

mehr im Roͤmiſchen werden ihrer immer weniger,
und im Indiſchen verſchwinden ſie ſo durchaus,
daß ſelbſt die Moͤglichkeit einer ſolchen Entſte-
hungsart des Ganzen wegfaͤllt.

Wie ſind denn aber jene verwandten Spra-
chen durch Flexion, wie iſt das Indiſche, oder
falls auch dieſes zwar die aͤltere aber doch auch
nur eine abgeleitete Form iſt, wie iſt diejenige
Sprache entſtanden, welche wo nicht fuͤr alle an-
dre, doch fuͤr dieſe Familie die Urſprache und
der gemeinſchaftliche Quell war? — Einiges
wenigſtens laͤßt ſich auf dieſe wichtige Frage mit
Gewißheit antworten; ſie iſt nicht aus einem
bloß phyſiſchen Geſchrei und allerlei ſchallnach-
ahmenden oder mit dem Schall ſpielenden Sprach-
verſuchen enſtanden, wo dann allmaͤhlig etwas
Vernunft und Vernunftform angebildet worden
waͤre. Vielmehr iſt dieſe Sprache ſelbſt ein Be-
weis mehr, wenn es deſſen noch bei ſo vielen
andern bedarf, daß der Zuſtand des Menſchen
nicht uͤberall mit thieriſcher Dumpfheit angefan-
gen, woran ſich denn nach langem und muͤhe-
vollem Streben endlich hie und da ein wenig
Vernunft angeſetzt habe; zeigt vielmehr, daß

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[62/0081] mehr im Roͤmiſchen werden ihrer immer weniger, und im Indiſchen verſchwinden ſie ſo durchaus, daß ſelbſt die Moͤglichkeit einer ſolchen Entſte- hungsart des Ganzen wegfaͤllt. Wie ſind denn aber jene verwandten Spra- chen durch Flexion, wie iſt das Indiſche, oder falls auch dieſes zwar die aͤltere aber doch auch nur eine abgeleitete Form iſt, wie iſt diejenige Sprache entſtanden, welche wo nicht fuͤr alle an- dre, doch fuͤr dieſe Familie die Urſprache und der gemeinſchaftliche Quell war? — Einiges wenigſtens laͤßt ſich auf dieſe wichtige Frage mit Gewißheit antworten; ſie iſt nicht aus einem bloß phyſiſchen Geſchrei und allerlei ſchallnach- ahmenden oder mit dem Schall ſpielenden Sprach- verſuchen enſtanden, wo dann allmaͤhlig etwas Vernunft und Vernunftform angebildet worden waͤre. Vielmehr iſt dieſe Sprache ſelbſt ein Be- weis mehr, wenn es deſſen noch bei ſo vielen andern bedarf, daß der Zuſtand des Menſchen nicht uͤberall mit thieriſcher Dumpfheit angefan- gen, woran ſich denn nach langem und muͤhe- vollem Streben endlich hie und da ein wenig Vernunft angeſetzt habe; zeigt vielmehr, daß

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Zitationshilfe: Schlegel, Friedrich von: Ueber die Sprache und Weisheit der Indier. Heidelberg, 1808, S. 62. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schlegel_indier_1808/81>, abgerufen am 28.04.2024.