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Schleiden, Matthias Jacob: Die Pflanze und ihr Leben. Leipzig, 1848.

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Getreidekorns sehr leicht weshalb das Brod um so weniger nahrhaft
ist, je sorgfältiger vorher die Kleie vom Mehl abgeschieden war.

Der merkwürdigste Stoff, den wir als Zelleninhalt antreffen, bleibt
aber ohne Zweifel das Stärkemehl, nicht allein weil es bei der Er-
nährung des Menschen eine so wesentliche Rolle spielt, sondern auch,
abgesehen davon, wegen der eigenthümlichen und meist zierlichen Ge-
stalten, welche es unterm Microscop zeigt, und welche auf einen hohen
Grad innerer Organisation deuten.

Es kommt in jeder Pflanze, in jedem Pflanzentheil vor, aber
nur die Wurzeln, Knollen, Saamen und Früchte, und seltner (wie
bei der Sagopalme) das Mark enthalten es in so großer Menge, daß
man sie als Nahrungsmittel benutzen kann, oder daß es der Mühe
lohnt, das Stärkemehl daraus zu gewinnen.

Einer höchst wunderbaren Eigenschaft des Stärkemehls verdan-
ken wir es, daß wir überall dasselbe auch in der kleinsten Menge im
Innern der Pflanze erkennen können. Es wird nämlich, wenn man
es mit einer Auflösung von Jodine befeuchtet, plötzlich prachtvoll
violett-blau gefärbt.

Das Stärkemehl selbst besteht aus kleinen, glänzenden, durch-
sichtigen Körnern, die oft zu 20-30 in einer Zelle liegen. (Taf. II.
Fig. 2, c.) Die einzelnen Körnchen zeigen nicht selten einen sehr zu-
sammengesetzten Bau. Sie bestehen aus einem kleinen Kern, um den
sich eine größere oder geringere Zahl Schichten abgesetzt hat. Da diese
Schichten gewöhnlich an einer Seite dicker sind als an der andern,
so erscheint deshalb der Kern auch nicht immer in der Mitte (Taf. II.
Fig. 3). Aber nicht in allen Fällen ist dieser Bau so leicht zu erkennen
wie bei den eiförmigen Körnchen unserer Kartoffel oder des ächten
westindischen Arrowroots (Taf. II. Fig. 5.), (auch dieses ist nichts
als ein sehr reines Stärkemehl) oder wie bei den flachen scheiben-
förmigen Körnchen des ostindischen Arrowroot (Taf. II. Fig. 6).
Dafür zeigt sich bei andern Pflanzen eine andere Eigenthümlichkeit,
daß nämlich die Stärkekörnchen zu 2, 3, 4 oder mehreren mit einander
vereinigt gleichsam zusammengewachsen sind. Am schönsten sieht man

Getreidekorns ſehr leicht weshalb das Brod um ſo weniger nahrhaft
iſt, je ſorgfältiger vorher die Kleie vom Mehl abgeſchieden war.

Der merkwürdigſte Stoff, den wir als Zelleninhalt antreffen, bleibt
aber ohne Zweifel das Stärkemehl, nicht allein weil es bei der Er-
nährung des Menſchen eine ſo weſentliche Rolle ſpielt, ſondern auch,
abgeſehen davon, wegen der eigenthümlichen und meiſt zierlichen Ge-
ſtalten, welche es unterm Microſcop zeigt, und welche auf einen hohen
Grad innerer Organiſation deuten.

Es kommt in jeder Pflanze, in jedem Pflanzentheil vor, aber
nur die Wurzeln, Knollen, Saamen und Früchte, und ſeltner (wie
bei der Sagopalme) das Mark enthalten es in ſo großer Menge, daß
man ſie als Nahrungsmittel benutzen kann, oder daß es der Mühe
lohnt, das Stärkemehl daraus zu gewinnen.

Einer höchſt wunderbaren Eigenſchaft des Stärkemehls verdan-
ken wir es, daß wir überall daſſelbe auch in der kleinſten Menge im
Innern der Pflanze erkennen können. Es wird nämlich, wenn man
es mit einer Auflöſung von Jodine befeuchtet, plötzlich prachtvoll
violett-blau gefärbt.

Das Stärkemehl ſelbſt beſteht aus kleinen, glänzenden, durch-
ſichtigen Körnern, die oft zu 20-30 in einer Zelle liegen. (Taf. II.
Fig. 2, c.) Die einzelnen Körnchen zeigen nicht ſelten einen ſehr zu-
ſammengeſetzten Bau. Sie beſtehen aus einem kleinen Kern, um den
ſich eine größere oder geringere Zahl Schichten abgeſetzt hat. Da dieſe
Schichten gewöhnlich an einer Seite dicker ſind als an der andern,
ſo erſcheint deshalb der Kern auch nicht immer in der Mitte (Taf. II.
Fig. 3). Aber nicht in allen Fällen iſt dieſer Bau ſo leicht zu erkennen
wie bei den eiförmigen Körnchen unſerer Kartoffel oder des ächten
weſtindiſchen Arrowroots (Taf. II. Fig. 5.), (auch dieſes iſt nichts
als ein ſehr reines Stärkemehl) oder wie bei den flachen ſcheiben-
förmigen Körnchen des oſtindiſchen Arrowroot (Taf. II. Fig. 6).
Dafür zeigt ſich bei andern Pflanzen eine andere Eigenthümlichkeit,
daß nämlich die Stärkekörnchen zu 2, 3, 4 oder mehreren mit einander
vereinigt gleichſam zuſammengewachſen ſind. Am ſchönſten ſieht man

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[50/0066] Getreidekorns ſehr leicht weshalb das Brod um ſo weniger nahrhaft iſt, je ſorgfältiger vorher die Kleie vom Mehl abgeſchieden war. Der merkwürdigſte Stoff, den wir als Zelleninhalt antreffen, bleibt aber ohne Zweifel das Stärkemehl, nicht allein weil es bei der Er- nährung des Menſchen eine ſo weſentliche Rolle ſpielt, ſondern auch, abgeſehen davon, wegen der eigenthümlichen und meiſt zierlichen Ge- ſtalten, welche es unterm Microſcop zeigt, und welche auf einen hohen Grad innerer Organiſation deuten. Es kommt in jeder Pflanze, in jedem Pflanzentheil vor, aber nur die Wurzeln, Knollen, Saamen und Früchte, und ſeltner (wie bei der Sagopalme) das Mark enthalten es in ſo großer Menge, daß man ſie als Nahrungsmittel benutzen kann, oder daß es der Mühe lohnt, das Stärkemehl daraus zu gewinnen. Einer höchſt wunderbaren Eigenſchaft des Stärkemehls verdan- ken wir es, daß wir überall daſſelbe auch in der kleinſten Menge im Innern der Pflanze erkennen können. Es wird nämlich, wenn man es mit einer Auflöſung von Jodine befeuchtet, plötzlich prachtvoll violett-blau gefärbt. Das Stärkemehl ſelbſt beſteht aus kleinen, glänzenden, durch- ſichtigen Körnern, die oft zu 20-30 in einer Zelle liegen. (Taf. II. Fig. 2, c.) Die einzelnen Körnchen zeigen nicht ſelten einen ſehr zu- ſammengeſetzten Bau. Sie beſtehen aus einem kleinen Kern, um den ſich eine größere oder geringere Zahl Schichten abgeſetzt hat. Da dieſe Schichten gewöhnlich an einer Seite dicker ſind als an der andern, ſo erſcheint deshalb der Kern auch nicht immer in der Mitte (Taf. II. Fig. 3). Aber nicht in allen Fällen iſt dieſer Bau ſo leicht zu erkennen wie bei den eiförmigen Körnchen unſerer Kartoffel oder des ächten weſtindiſchen Arrowroots (Taf. II. Fig. 5.), (auch dieſes iſt nichts als ein ſehr reines Stärkemehl) oder wie bei den flachen ſcheiben- förmigen Körnchen des oſtindiſchen Arrowroot (Taf. II. Fig. 6). Dafür zeigt ſich bei andern Pflanzen eine andere Eigenthümlichkeit, daß nämlich die Stärkekörnchen zu 2, 3, 4 oder mehreren mit einander vereinigt gleichſam zuſammengewachſen ſind. Am ſchönſten ſieht man

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Zitationshilfe: Schleiden, Matthias Jacob: Die Pflanze und ihr Leben. Leipzig, 1848, S. 50. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schleiden_pflanze_1848/66>, abgerufen am 26.04.2024.