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Schmoller, Gustav: Zur Geschichte der deutschen Kleingewerbe im 19. Jahrhundert. Halle (Saale), 1870.

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Die verschiedenen Arten des Handwerks.
einanderhalten; im Ganzen geht ja auch die reale
Richtung des Geschäftslebens auf eine Trennung beider
Seiten, wenn auch einzelne Neubildungen, wie das Ma-
gazinsystem, nicht sowohl eine vollständige Trennung als
eine andere Art der Verbindung von Produktion und
Vertrieb bezwecken.

Auch da übrigens, wo der Boden für moderne Ein-
richtungen vollständig vorhanden ist, bleiben noch viele
Handwerksgeschäfte alter Art, ja es bilden sich gerade
wieder durch die große Industrie Verhältnisse, welche
neben den neuern Geschäften diesen und jenen Meister
in alter Weise beschäftigen.

Wie früher als technische Gehülfen in den Familien,
so arbeiten jetzt noch viele kleine Meister für große Unter-
nehmungen. Auf großen Gütern ist ein eigener Schmied,
ein Stellmacher nothwendig; mancher Tischler und Bött-
cher liefert ausschließlich Kisten und Fässer zur Verpackung
in eine große Fabrik. Jedes größere industrielle Etablis-
sement hat seine Schlosser-, seine Reparaturwerkstätte.
Mancher Buchbinder ist ausschließlich für diese oder jene
große Verlagsfirma beschäftigt. Dazu kommen nicht bloß
für die großen, sondern ebenso für die kleinen Geschäfte
und die Wirthschaften der Familien die Reparaturgewerbe.
Mancher Schlosser, Schmied, Stellmacher hat in ma-
schinen- und industriereichen Gegenden heute so viel mit
Reparaturen zu thun, als früher mit Neuanfertigungen.
Wo jeder Junge von 10 Jahren eine Taschenuhr trägt,
wird ein Uhrmacher mit Reparaturen mehr verdienen,
als mancher mit Uhrenanfertigung in einer Zeit, in welcher
auf Tausende von Menschen erst ein Uhrenbesitzer kam.

Die verſchiedenen Arten des Handwerks.
einanderhalten; im Ganzen geht ja auch die reale
Richtung des Geſchäftslebens auf eine Trennung beider
Seiten, wenn auch einzelne Neubildungen, wie das Ma-
gazinſyſtem, nicht ſowohl eine vollſtändige Trennung als
eine andere Art der Verbindung von Produktion und
Vertrieb bezwecken.

Auch da übrigens, wo der Boden für moderne Ein-
richtungen vollſtändig vorhanden iſt, bleiben noch viele
Handwerksgeſchäfte alter Art, ja es bilden ſich gerade
wieder durch die große Induſtrie Verhältniſſe, welche
neben den neuern Geſchäften dieſen und jenen Meiſter
in alter Weiſe beſchäftigen.

Wie früher als techniſche Gehülfen in den Familien,
ſo arbeiten jetzt noch viele kleine Meiſter für große Unter-
nehmungen. Auf großen Gütern iſt ein eigener Schmied,
ein Stellmacher nothwendig; mancher Tiſchler und Bött-
cher liefert ausſchließlich Kiſten und Fäſſer zur Verpackung
in eine große Fabrik. Jedes größere induſtrielle Etabliſ-
ſement hat ſeine Schloſſer-, ſeine Reparaturwerkſtätte.
Mancher Buchbinder iſt ausſchließlich für dieſe oder jene
große Verlagsfirma beſchäftigt. Dazu kommen nicht bloß
für die großen, ſondern ebenſo für die kleinen Geſchäfte
und die Wirthſchaften der Familien die Reparaturgewerbe.
Mancher Schloſſer, Schmied, Stellmacher hat in ma-
ſchinen- und induſtriereichen Gegenden heute ſo viel mit
Reparaturen zu thun, als früher mit Neuanfertigungen.
Wo jeder Junge von 10 Jahren eine Taſchenuhr trägt,
wird ein Uhrmacher mit Reparaturen mehr verdienen,
als mancher mit Uhrenanfertigung in einer Zeit, in welcher
auf Tauſende von Menſchen erſt ein Uhrenbeſitzer kam.

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[197/0219] Die verſchiedenen Arten des Handwerks. einanderhalten; im Ganzen geht ja auch die reale Richtung des Geſchäftslebens auf eine Trennung beider Seiten, wenn auch einzelne Neubildungen, wie das Ma- gazinſyſtem, nicht ſowohl eine vollſtändige Trennung als eine andere Art der Verbindung von Produktion und Vertrieb bezwecken. Auch da übrigens, wo der Boden für moderne Ein- richtungen vollſtändig vorhanden iſt, bleiben noch viele Handwerksgeſchäfte alter Art, ja es bilden ſich gerade wieder durch die große Induſtrie Verhältniſſe, welche neben den neuern Geſchäften dieſen und jenen Meiſter in alter Weiſe beſchäftigen. Wie früher als techniſche Gehülfen in den Familien, ſo arbeiten jetzt noch viele kleine Meiſter für große Unter- nehmungen. Auf großen Gütern iſt ein eigener Schmied, ein Stellmacher nothwendig; mancher Tiſchler und Bött- cher liefert ausſchließlich Kiſten und Fäſſer zur Verpackung in eine große Fabrik. Jedes größere induſtrielle Etabliſ- ſement hat ſeine Schloſſer-, ſeine Reparaturwerkſtätte. Mancher Buchbinder iſt ausſchließlich für dieſe oder jene große Verlagsfirma beſchäftigt. Dazu kommen nicht bloß für die großen, ſondern ebenſo für die kleinen Geſchäfte und die Wirthſchaften der Familien die Reparaturgewerbe. Mancher Schloſſer, Schmied, Stellmacher hat in ma- ſchinen- und induſtriereichen Gegenden heute ſo viel mit Reparaturen zu thun, als früher mit Neuanfertigungen. Wo jeder Junge von 10 Jahren eine Taſchenuhr trägt, wird ein Uhrmacher mit Reparaturen mehr verdienen, als mancher mit Uhrenanfertigung in einer Zeit, in welcher auf Tauſende von Menſchen erſt ein Uhrenbeſitzer kam.

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Zitationshilfe: Schmoller, Gustav: Zur Geschichte der deutschen Kleingewerbe im 19. Jahrhundert. Halle (Saale), 1870, S. 197. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schmoller_kleingewerbe_1870/219>, abgerufen am 26.04.2024.