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Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 2. Nordhausen, 1737.

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meine Begebenheiten selbsten mündlich zu hinter-
bringen, war aber 4 Tage hernach so unglücklich
mit dem Pferde zu stürtzen, und die Rippen der lin-
cken Seite dermassen anzuschellern, daß ich vor
grausamen Seitenstechen und Schmertzen auf kei-
ner Stätte liegen bleiben, vielweniger das Reisen
fortsetzen konte, hergegen 4. volle Wochen auf mei-
ne Cur wenden mußte. Meine zwey Secundan-
ten, welches ein paar junge hertzhaffte Sächsische
Edelleute waren, verliessen mich nicht in dieser
Noth, sondern blieben bey mir, bis ich mich völlig
curirt, wiederum auf den Weg machen könte, rei-
seten auch mit bis zu meinem Vetter, allwo ich
Charlotten ohnfehlbar noch anzutreffen vermeyne-
te. Allein zu meiner allergrößten Bestürtzung mußte
erfahren: Daß der Herr von V. ** Charlottens
Aufenthalt ausgekundschafft, dero Auslieferung
von dem regierenden Landes-Herrn durch unter-
thänigste Vorstellungen erhalten, und endlich den
Cavalier P. ** abgeschickt hätte, seinen kostbaren
Schatz abzuholen, und zu führen, wohin ihm be-
liebte. Dieser war nun auch allererst gestern
Mittags, auf einem commoden Wagen, in aller
Sicherheit davon gefahren, weiln er leichtlich muth-
massen können, daß, da ich in seiner Meynung nach
Land-flüchtig werden müssen, ihm sonst niemand
Verdruß machen würde. Zu meinem vermeinten
größten Glücke aber, fand sich iemand, der mir seine
erwehlte Strasse mit Anführung glaubhaffter Um-
stände sehr klüglich bezeichnete, derowegen setzte
mich, ohne den Rath meines Vettern anzuhören,
nebst meinen beyden Compagnons, die so wohl als

ich

meine Begebenheiten ſelbſten muͤndlich zu hinter-
bringen, war aber 4 Tage hernach ſo ungluͤcklich
mit dem Pferde zu ſtuͤrtzen, und die Rippen der lin-
cken Seite dermaſſen anzuſchellern, daß ich vor
grauſamen Seitenſtechen und Schmertzen auf kei-
ner Staͤtte liegen bleiben, vielweniger das Reiſen
fortſetzen konte, hergegen 4. volle Wochen auf mei-
ne Cur wenden mußte. Meine zwey Secundan-
ten, welches ein paar junge hertzhaffte Saͤchſiſche
Edelleute waren, verlieſſen mich nicht in dieſer
Noth, ſondern blieben bey mir, bis ich mich voͤllig
curirt, wiederum auf den Weg machen koͤnte, rei-
ſeten auch mit bis zu meinem Vetter, allwo ich
Charlotten ohnfehlbar noch anzutreffen vermeyne-
te. Allein zu meiner allergroͤßten Beſtuͤrtzung mußte
erfahren: Daß der Herr von V. ** Charlottens
Aufenthalt ausgekundſchafft, dero Auslieferung
von dem regierenden Landes-Herrn durch unter-
thaͤnigſte Vorſtellungen erhalten, und endlich den
Cavalier P. ** abgeſchickt haͤtte, ſeinen koſtbaren
Schatz abzuholen, und zu fuͤhren, wohin ihm be-
liebte. Dieſer war nun auch allererſt geſtern
Mittags, auf einem commoden Wagen, in aller
Sicherheit davon gefahren, weiln er leichtlich muth-
maſſen koͤnnen, daß, da ich in ſeiner Meynung nach
Land-fluͤchtig werden muͤſſen, ihm ſonſt niemand
Verdruß machen wuͤrde. Zu meinem vermeinten
groͤßten Gluͤcke aber, fand ſich iemand, der mir ſeine
erwehlte Straſſe mit Anfuͤhrung glaubhaffter Um-
ſtaͤnde ſehr kluͤglich bezeichnete, derowegen ſetzte
mich, ohne den Rath meines Vettern anzuhoͤren,
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ich
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[150/0164] meine Begebenheiten ſelbſten muͤndlich zu hinter- bringen, war aber 4 Tage hernach ſo ungluͤcklich mit dem Pferde zu ſtuͤrtzen, und die Rippen der lin- cken Seite dermaſſen anzuſchellern, daß ich vor grauſamen Seitenſtechen und Schmertzen auf kei- ner Staͤtte liegen bleiben, vielweniger das Reiſen fortſetzen konte, hergegen 4. volle Wochen auf mei- ne Cur wenden mußte. Meine zwey Secundan- ten, welches ein paar junge hertzhaffte Saͤchſiſche Edelleute waren, verlieſſen mich nicht in dieſer Noth, ſondern blieben bey mir, bis ich mich voͤllig curirt, wiederum auf den Weg machen koͤnte, rei- ſeten auch mit bis zu meinem Vetter, allwo ich Charlotten ohnfehlbar noch anzutreffen vermeyne- te. Allein zu meiner allergroͤßten Beſtuͤrtzung mußte erfahren: Daß der Herr von V. ** Charlottens Aufenthalt ausgekundſchafft, dero Auslieferung von dem regierenden Landes-Herrn durch unter- thaͤnigſte Vorſtellungen erhalten, und endlich den Cavalier P. ** abgeſchickt haͤtte, ſeinen koſtbaren Schatz abzuholen, und zu fuͤhren, wohin ihm be- liebte. Dieſer war nun auch allererſt geſtern Mittags, auf einem commoden Wagen, in aller Sicherheit davon gefahren, weiln er leichtlich muth- maſſen koͤnnen, daß, da ich in ſeiner Meynung nach Land-fluͤchtig werden muͤſſen, ihm ſonſt niemand Verdruß machen wuͤrde. Zu meinem vermeinten groͤßten Gluͤcke aber, fand ſich iemand, der mir ſeine erwehlte Straſſe mit Anfuͤhrung glaubhaffter Um- ſtaͤnde ſehr kluͤglich bezeichnete, derowegen ſetzte mich, ohne den Rath meines Vettern anzuhoͤren, nebſt meinen beyden Compagnons, die ſo wohl als ich

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Zitationshilfe: Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 2. Nordhausen, 1737, S. 150. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata02_1737/164>, abgerufen am 28.03.2024.