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Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 2. Nordhausen, 1737.

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gehalten seyn, das Griechische so gut als seine Mut-
ter Sprache zu wissen, hatte mich also gantz kurtz
mit diesen drey, vermuthlich aufgeschnappten Wor-
ten abgefertiget. Demnach ging ich ohne Scheu
mit einem grossen Quer-Sacke in den Obst-Gar-
ten, pflückte die allerbesten Aepfel da hinein, trug
selbige öffentlich heraus, und theilete meinen Mit-
schülern reichlich mit. Doch solches kam gar bald
vor den Rector, weßwegen meine Person, vor dem
Schul-Gerichte, wegen der, wie sie sagten, gestohl-
nen Aepfel, gleich morgenden Tages zur Inquisi-
tion
gezogen wurde. Jch protestirte solennissime
wider alle falsche Anklage und gedrohete Strafe,
berief mich auch lediglich darauf, daß ich von dem
Herrn Cantore selbst, Erlaubniß darzu bekommen
hätte. Dieser aber wolte von nichts wissen, iedoch
da sich 4. oder 5. Zeugen angaben, daß ich ihn in
Griechischer Sprache mit vorerwehnten Worten
angeredet, und besagte Antwort erhalten hätte, muß-
te ich einen Abtritt nehmen, wurde nachhero auch
dieserwegen nicht im geringsten mehr befragt, herge-
gen kam der expresse Befehl heraus, daß in Zu-
kunfft die Schüler sich keiner andern, als der latei-
ni
schen Sprache gebrauchen solten, wenn sie von
den Praeceptoribus etwas ausbitten wolten.

Bey so gestalten Sachen, konte leichtlich ein ieder
mercken was die Glocke geschlagen habe, und daß der
Herr Cantor ein sehr schwacher Graecus sey, ich aber
mußte dieserwegen dessen völlige Ungnade ertragen,
welches mein freyer Sinn doch wenig aestimirte, son-
dern zufrieden war, daß sich der Rector und Conre-

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gehalten ſeyn, das Griechiſche ſo gut als ſeine Mut-
ter Sprache zu wiſſen, hatte mich alſo gantz kurtz
mit dieſen drey, vermuthlich aufgeſchnappten Wor-
ten abgefertiget. Demnach ging ich ohne Scheu
mit einem groſſen Quer-Sacke in den Obſt-Gar-
ten, pfluͤckte die allerbeſten Aepfel da hinein, trug
ſelbige oͤffentlich heraus, und theilete meinen Mit-
ſchuͤlern reichlich mit. Doch ſolches kam gar bald
vor den Rector, weßwegen meine Perſon, vor dem
Schul-Gerichte, wegen der, wie ſie ſagten, geſtohl-
nen Aepfel, gleich morgenden Tages zur Inquiſi-
tion
gezogen wurde. Jch proteſtirte ſolenniſſime
wider alle falſche Anklage und gedrohete Strafe,
berief mich auch lediglich darauf, daß ich von dem
Herrn Cantore ſelbſt, Erlaubniß darzu bekommen
haͤtte. Dieſer aber wolte von nichts wiſſen, iedoch
da ſich 4. oder 5. Zeugen angaben, daß ich ihn in
Griechiſcher Sprache mit vorerwehnten Worten
angeredet, und beſagte Antwort erhalten haͤtte, muß-
te ich einen Abtritt nehmen, wurde nachhero auch
dieſerwegen nicht im geringſten mehr befragt, herge-
gen kam der expreſſe Befehl heraus, daß in Zu-
kunfft die Schuͤler ſich keiner andern, als der latei-
ni
ſchen Sprache gebrauchen ſolten, wenn ſie von
den Præceptoribus etwas ausbitten wolten.

Bey ſo geſtalten Sachen, konte leichtlich ein ieder
mercken was die Glocke geſchlagen habe, und daß der
Herr Cantor ein ſehr ſchwacher Græcus ſey, ich aber
mußte dieſerwegen deſſen voͤllige Ungnade ertragen,
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dern zufrieden war, daß ſich der Rector und Conre-

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[183/0197] gehalten ſeyn, das Griechiſche ſo gut als ſeine Mut- ter Sprache zu wiſſen, hatte mich alſo gantz kurtz mit dieſen drey, vermuthlich aufgeſchnappten Wor- ten abgefertiget. Demnach ging ich ohne Scheu mit einem groſſen Quer-Sacke in den Obſt-Gar- ten, pfluͤckte die allerbeſten Aepfel da hinein, trug ſelbige oͤffentlich heraus, und theilete meinen Mit- ſchuͤlern reichlich mit. Doch ſolches kam gar bald vor den Rector, weßwegen meine Perſon, vor dem Schul-Gerichte, wegen der, wie ſie ſagten, geſtohl- nen Aepfel, gleich morgenden Tages zur Inquiſi- tion gezogen wurde. Jch proteſtirte ſolenniſſime wider alle falſche Anklage und gedrohete Strafe, berief mich auch lediglich darauf, daß ich von dem Herrn Cantore ſelbſt, Erlaubniß darzu bekommen haͤtte. Dieſer aber wolte von nichts wiſſen, iedoch da ſich 4. oder 5. Zeugen angaben, daß ich ihn in Griechiſcher Sprache mit vorerwehnten Worten angeredet, und beſagte Antwort erhalten haͤtte, muß- te ich einen Abtritt nehmen, wurde nachhero auch dieſerwegen nicht im geringſten mehr befragt, herge- gen kam der expreſſe Befehl heraus, daß in Zu- kunfft die Schuͤler ſich keiner andern, als der latei- niſchen Sprache gebrauchen ſolten, wenn ſie von den Præceptoribus etwas ausbitten wolten. Bey ſo geſtalten Sachen, konte leichtlich ein ieder mercken was die Glocke geſchlagen habe, und daß der Herr Cantor ein ſehr ſchwacher Græcus ſey, ich aber mußte dieſerwegen deſſen voͤllige Ungnade ertragen, welches mein freyer Sinn doch wenig æſtimirte, ſon- dern zufrieden war, daß ſich der Rector und Conre- ctor m 4

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Zitationshilfe: Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 2. Nordhausen, 1737, S. 183. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata02_1737/197>, abgerufen am 01.05.2024.