Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 3. Nordhausen, 1739.

Bild:
<< vorherige Seite

sie durch gütliches Zureden dahin gebracht, daß sie
früh Morgens nicht allein wieder freundlich aussa-
he, sondern auch dem Förster Helnam der Worte
wegen, die sie gestern Abend in tollen Muthe ausge-
stossen, um Verzeihung bath. Hierauf ging
mein Vater mit demselben in den Wald, mein
jüngerer Bruder war in die Stadt geschickt, die
beyden kleinen Schwestern spieleten im Hofe, ich
aber hatte mich, weil ich zu viel in der Sonne her-
um gelauffen war, und starcke Kopff-Schmertzen
bekommen, oben in unserer ziemlich dunckeln Cam-
mer ins Bette gelegt, und war etwas eingeschlum-
mert, ermunterte mich aber so gleich, als Helnam
mit meiner Stief-Mutter in die Cammer hinein
getreten kam, einander umarmeten und vielemahl
küsseten, welches mir denn sehr wunderbar vor-
kam, jedoch lag ich gantz stille, biß Helnam meine
Stief-Mutter auf ein anderes Bette legte, und
sich anstellete, als ob er sie erdrücken und ersticken
wolte, weßwegen ich, in Meynung, er wolle we-
gen der gestrigen Schelt-Worte Rache an der
Stief-Mutter ausüben, mit vollem Halse um
Hülffe schrye, da denn Helnam vor Schrecken
zur Cammer hinaus sprunge, meine Stief-Mut-
ter aber, nachdem sie sich einiger massen recolligi-
ret, zu mir kam, mich zufrieden sprach, und sagte:
Helnam hätte nur seinen Scheetz mit ihr getrieben,
ich solte aber bey Leib und Leben weder dem Vater
noch iemand anders ein Wort darvon sagen, so
wolte sie mir hinführo alles geben, was ich nur ver-
langte, wiedrigenfals aber, und da sie erführe,
daß ich nur das allergeringste darvon ausgeplaudert,

wolte

ſie durch guͤtliches Zureden dahin gebracht, daß ſie
fruͤh Morgens nicht allein wieder freundlich ausſa-
he, ſondern auch dem Foͤrſter Helnam der Worte
wegen, die ſie geſtern Abend in tollen Muthe ausge-
ſtoſſen, um Verzeihung bath. Hierauf ging
mein Vater mit demſelben in den Wald, mein
juͤngerer Bruder war in die Stadt geſchickt, die
beyden kleinen Schweſtern ſpieleten im Hofe, ich
aber hatte mich, weil ich zu viel in der Sonne her-
um gelauffen war, und ſtarcke Kopff-Schmertzen
bekommen, oben in unſerer ziemlich dunckeln Cam-
mer ins Bette gelegt, und war etwas eingeſchlum-
mert, ermunterte mich aber ſo gleich, als Helnam
mit meiner Stief-Mutter in die Cammer hinein
getreten kam, einander umarmeten und vielemahl
kuͤſſeten, welches mir denn ſehr wunderbar vor-
kam, jedoch lag ich gantz ſtille, biß Helnam meine
Stief-Mutter auf ein anderes Bette legte, und
ſich anſtellete, als ob er ſie erdruͤcken und erſticken
wolte, weßwegen ich, in Meynung, er wolle we-
gen der geſtrigen Schelt-Worte Rache an der
Stief-Mutter ausuͤben, mit vollem Halſe um
Huͤlffe ſchrye, da denn Helnam vor Schrecken
zur Cammer hinaus ſprunge, meine Stief-Mut-
ter aber, nachdem ſie ſich einiger maſſen recolligi-
ret, zu mir kam, mich zufrieden ſprach, und ſagte:
Helnam haͤtte nur ſeinen Scheetz mit ihr getrieben,
ich ſolte aber bey Leib und Leben weder dem Vater
noch iemand anders ein Wort darvon ſagen, ſo
wolte ſie mir hinfuͤhro alles geben, was ich nur ver-
langte, wiedrigenfals aber, und da ſie erfuͤhre,
daß ich nur das allergeringſte darvon ausgeplaudert,

wolte
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0373" n="365"/>
&#x017F;ie durch gu&#x0364;tliches Zureden dahin gebracht, daß &#x017F;ie<lb/>
fru&#x0364;h Morgens nicht allein wieder freundlich aus&#x017F;a-<lb/>
he, &#x017F;ondern auch dem Fo&#x0364;r&#x017F;ter <hi rendition="#aq">Helnam</hi> der Worte<lb/>
wegen, die &#x017F;ie ge&#x017F;tern Abend in tollen Muthe ausge-<lb/>
&#x017F;to&#x017F;&#x017F;en, um Verzeihung bath. Hierauf ging<lb/>
mein Vater mit dem&#x017F;elben in den Wald, mein<lb/>
ju&#x0364;ngerer Bruder war in die Stadt ge&#x017F;chickt, die<lb/>
beyden kleinen Schwe&#x017F;tern &#x017F;pieleten im Hofe, ich<lb/>
aber hatte mich, weil ich zu viel in der Sonne her-<lb/>
um gelauffen war, und &#x017F;tarcke Kopff-Schmertzen<lb/>
bekommen, oben in un&#x017F;erer ziemlich dunckeln Cam-<lb/>
mer ins Bette gelegt, und war etwas einge&#x017F;chlum-<lb/>
mert, ermunterte mich aber &#x017F;o gleich, als <hi rendition="#aq">Helnam</hi><lb/>
mit meiner Stief-Mutter in die Cammer hinein<lb/>
getreten kam, einander umarmeten und vielemahl<lb/>
ku&#x0364;&#x017F;&#x017F;eten, welches mir denn &#x017F;ehr wunderbar vor-<lb/>
kam, jedoch lag ich gantz &#x017F;tille, biß <hi rendition="#aq">Helnam</hi> meine<lb/>
Stief-Mutter auf ein anderes Bette legte, und<lb/>
&#x017F;ich an&#x017F;tellete, als ob er &#x017F;ie erdru&#x0364;cken und er&#x017F;ticken<lb/>
wolte, weßwegen ich, in Meynung, er wolle we-<lb/>
gen der ge&#x017F;trigen Schelt-Worte Rache an der<lb/>
Stief-Mutter ausu&#x0364;ben, mit vollem Hal&#x017F;e um<lb/>
Hu&#x0364;lffe &#x017F;chrye, da denn <hi rendition="#aq">Helnam</hi> vor Schrecken<lb/>
zur Cammer hinaus &#x017F;prunge, meine Stief-Mut-<lb/>
ter aber, nachdem &#x017F;ie &#x017F;ich einiger ma&#x017F;&#x017F;en <hi rendition="#aq">recolligi-</hi><lb/>
ret, zu mir kam, mich zufrieden &#x017F;prach, und &#x017F;agte:<lb/><hi rendition="#aq">Helnam</hi> ha&#x0364;tte nur &#x017F;einen Scheetz mit ihr getrieben,<lb/>
ich &#x017F;olte aber bey Leib und Leben weder dem Vater<lb/>
noch iemand anders ein Wort darvon &#x017F;agen, &#x017F;o<lb/>
wolte &#x017F;ie mir hinfu&#x0364;hro alles geben, was ich nur ver-<lb/>
langte, wiedrigenfals aber, und da &#x017F;ie erfu&#x0364;hre,<lb/>
daß ich nur das allergering&#x017F;te darvon ausgeplaudert,<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">wolte</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[365/0373] ſie durch guͤtliches Zureden dahin gebracht, daß ſie fruͤh Morgens nicht allein wieder freundlich ausſa- he, ſondern auch dem Foͤrſter Helnam der Worte wegen, die ſie geſtern Abend in tollen Muthe ausge- ſtoſſen, um Verzeihung bath. Hierauf ging mein Vater mit demſelben in den Wald, mein juͤngerer Bruder war in die Stadt geſchickt, die beyden kleinen Schweſtern ſpieleten im Hofe, ich aber hatte mich, weil ich zu viel in der Sonne her- um gelauffen war, und ſtarcke Kopff-Schmertzen bekommen, oben in unſerer ziemlich dunckeln Cam- mer ins Bette gelegt, und war etwas eingeſchlum- mert, ermunterte mich aber ſo gleich, als Helnam mit meiner Stief-Mutter in die Cammer hinein getreten kam, einander umarmeten und vielemahl kuͤſſeten, welches mir denn ſehr wunderbar vor- kam, jedoch lag ich gantz ſtille, biß Helnam meine Stief-Mutter auf ein anderes Bette legte, und ſich anſtellete, als ob er ſie erdruͤcken und erſticken wolte, weßwegen ich, in Meynung, er wolle we- gen der geſtrigen Schelt-Worte Rache an der Stief-Mutter ausuͤben, mit vollem Halſe um Huͤlffe ſchrye, da denn Helnam vor Schrecken zur Cammer hinaus ſprunge, meine Stief-Mut- ter aber, nachdem ſie ſich einiger maſſen recolligi- ret, zu mir kam, mich zufrieden ſprach, und ſagte: Helnam haͤtte nur ſeinen Scheetz mit ihr getrieben, ich ſolte aber bey Leib und Leben weder dem Vater noch iemand anders ein Wort darvon ſagen, ſo wolte ſie mir hinfuͤhro alles geben, was ich nur ver- langte, wiedrigenfals aber, und da ſie erfuͤhre, daß ich nur das allergeringſte darvon ausgeplaudert, wolte

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata03_1739
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata03_1739/373
Zitationshilfe: Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 3. Nordhausen, 1739, S. 365. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata03_1739/373>, abgerufen am 14.05.2024.