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Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 3. Nordhausen, 1739.

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rin wäre, den ehrlichen Menschen aber zufrieden laf-
fen solte, welcher schon von etlichen Jahren her sein
guter Freund wäre, über dieses manchen schönen
Thaler bey uns verzehrete. Wegen des letztern,
sagte die Stief-Mutter, mag es noch seyn, und es
ist das beste, daß der Sauff-Teuffel noch immer
seine Zeche und das Schlaff-Geld bezahlt, wenn
er aber zu borgen anfangen will, wie er in andern
Wirths-Häusern gethan hat, so wird die Paucke
bald ein Loch kriegen. Frau! sagte mein Vater,
sey kein Narte, laß den Kerl zufrieden, gib ihm,
was er verlangt, denn wenn er mir auch 100. Thlr.
schuldig wäre, so wüste ich mich schon bezahlt zu
machen. Solche und dergleichen Discourse par-
sirt
en gar öffters zwischen unsern Eltern, endlich
aber kam es einmahl würcklich dahin, daß sich die
Stief-Mutter um einer eintzigen Kanue Wein hal-
ber mit dem Förster zanckte, und ihm etliche grobe
Schmäh-Reden an den Halß warff, welche die-
ser, ohngeacht er betruncken war, dennoch ver-
schmertzte, sich mit dem Kopffe auf den Tisch legte,
und weiter nichts sagte, als dieses: um eines guten
Mannes willen, muß man einer bösen Frau viel zu
gute halten. Mein Vater nahm diese Worte vor
redlich auf, ließ sich demnach den Zorn dahin ver-
leiten, daß er der Stief-Mutter, welche hinaus
ging, folgte, und ihr eine derbe Maulschelle gab.
Sie schien die serwegen vor Jammer gantz ausser
sich selbst zu seyn, konte diesen ersten Liebes-Schlag
durchaus nicht vergessen, kam auch den gantzen
Abend nicht wieder zum Vorscheine, sondern leg-
te sich weinend zu Bette; jedoch der Vater hatte

sie

rin waͤre, den ehrlichen Menſchen aber zufrieden laf-
fen ſolte, welcher ſchon von etlichen Jahren her ſein
guter Freund waͤre, uͤber dieſes manchen ſchoͤnen
Thaler bey uns verzehrete. Wegen des letztern,
ſagte die Stief-Mutter, mag es noch ſeyn, und es
iſt das beſte, daß der Sauff-Teuffel noch immer
ſeine Zeche und das Schlaff-Geld bezahlt, wenn
er aber zu borgen anfangen will, wie er in andern
Wirths-Haͤuſern gethan hat, ſo wird die Paucke
bald ein Loch kriegen. Frau! ſagte mein Vater,
ſey kein Narte, laß den Kerl zufrieden, gib ihm,
was er verlangt, denn wenn er mir auch 100. Thlr.
ſchuldig waͤre, ſo wuͤſte ich mich ſchon bezahlt zu
machen. Solche und dergleichen Diſcourſe par-
sirt
en gar oͤffters zwiſchen unſern Eltern, endlich
aber kam es einmahl wuͤrcklich dahin, daß ſich die
Stief-Mutter um einer eintzigen Kanue Wein hal-
ber mit dem Foͤrſter zanckte, und ihm etliche grobe
Schmaͤh-Reden an den Halß warff, welche die-
ſer, ohngeacht er betruncken war, dennoch ver-
ſchmertzte, ſich mit dem Kopffe auf den Tiſch legte,
und weiter nichts ſagte, als dieſes: um eines guten
Mannes willen, muß man einer boͤſen Frau viel zu
gute halten. Mein Vater nahm dieſe Worte vor
redlich auf, ließ ſich demnach den Zorn dahin ver-
leiten, daß er der Stief-Mutter, welche hinaus
ging, folgte, und ihr eine derbe Maulſchelle gab.
Sie ſchien die ſerwegen vor Jammer gantz auſſer
ſich ſelbſt zu ſeyn, konte dieſen erſten Liebes-Schlag
durchaus nicht vergeſſen, kam auch den gantzen
Abend nicht wieder zum Vorſcheine, ſondern leg-
te ſich weinend zu Bette; jedoch der Vater hatte

ſie
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[364/0372] rin waͤre, den ehrlichen Menſchen aber zufrieden laf- fen ſolte, welcher ſchon von etlichen Jahren her ſein guter Freund waͤre, uͤber dieſes manchen ſchoͤnen Thaler bey uns verzehrete. Wegen des letztern, ſagte die Stief-Mutter, mag es noch ſeyn, und es iſt das beſte, daß der Sauff-Teuffel noch immer ſeine Zeche und das Schlaff-Geld bezahlt, wenn er aber zu borgen anfangen will, wie er in andern Wirths-Haͤuſern gethan hat, ſo wird die Paucke bald ein Loch kriegen. Frau! ſagte mein Vater, ſey kein Narte, laß den Kerl zufrieden, gib ihm, was er verlangt, denn wenn er mir auch 100. Thlr. ſchuldig waͤre, ſo wuͤſte ich mich ſchon bezahlt zu machen. Solche und dergleichen Diſcourſe par- sirten gar oͤffters zwiſchen unſern Eltern, endlich aber kam es einmahl wuͤrcklich dahin, daß ſich die Stief-Mutter um einer eintzigen Kanue Wein hal- ber mit dem Foͤrſter zanckte, und ihm etliche grobe Schmaͤh-Reden an den Halß warff, welche die- ſer, ohngeacht er betruncken war, dennoch ver- ſchmertzte, ſich mit dem Kopffe auf den Tiſch legte, und weiter nichts ſagte, als dieſes: um eines guten Mannes willen, muß man einer boͤſen Frau viel zu gute halten. Mein Vater nahm dieſe Worte vor redlich auf, ließ ſich demnach den Zorn dahin ver- leiten, daß er der Stief-Mutter, welche hinaus ging, folgte, und ihr eine derbe Maulſchelle gab. Sie ſchien die ſerwegen vor Jammer gantz auſſer ſich ſelbſt zu ſeyn, konte dieſen erſten Liebes-Schlag durchaus nicht vergeſſen, kam auch den gantzen Abend nicht wieder zum Vorſcheine, ſondern leg- te ſich weinend zu Bette; jedoch der Vater hatte ſie

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Zitationshilfe: Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 3. Nordhausen, 1739, S. 364. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata03_1739/372>, abgerufen am 28.04.2024.