Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 3. Nordhausen, 1739.

Bild:
<< vorherige Seite

eigentlich Vater zu diesem Findlinge gewesen.
Unterdessen war mein erster Gang auf das Schloß,
um meinem Herrn von meinen Verrichtungen Rap-
port
abzustatten, er war damit vergnügt, weiln
ich aber in vergangener Nacht vor Chagrin kein
Auge zugethan, zudem auf der Reise mich ziem-
lich strapaziret hatte, sagte der Herr gleich zu mir:
Euch ist nicht wohl, man siehet es an eurer blassen
Farbe; dieses machte ich mir so fort zu Nutze, gab
vor, ich hätte unterwegs einen kleinen Sturtz mit
dem Pferde gethan, solches zwar anfänglich nichts
geachtet, aber nunmehro müste ein starckes Stechen
in der Brust empfinden. Bey so gestalten Sa-
chen befahl mir mein Herr, nach Hause zu eilen,
und nicht ehe wieder auszugehen, biß ich vollkom-
men restituiret wäre. Demnach begab ich mich
in mein Logis, legte mich zu Bette, und stellete
mich würcklich kräncker, als ich war, um zur Lust
abzuwarten, was meine bißherige Liebste angeben
würde, zu welcher ich meinen Jungen abschickte,
derselben meine kränckliche Zurückkunfft melden
und darbeh vernehmen lies, ob sie sich noch bey
guten Wohlseyn befände. Die alte Frau Muh-
me nimmt meinen Jungen gleich auf die Seite,
und spricht unter einer ängstlichen Stellung: Ach!
das GOTT erbarm, mein Sohn! wir haben es
leider! schon gehöret, daß euer Herr unglücklich
gewesen, und mit dem Pferdte gestürtzt ist; weil
aber meine arme Charlotte auch seit etlichen Ta-
gen fast todt-kranck gewesen, so halte vor das be-
ste, daß wir ihr gar nichts darvon sagen, sondern

viel

eigentlich Vater zu dieſem Findlinge geweſen.
Unterdeſſen war mein erſter Gang auf das Schloß,
um meinem Herrn von meinen Verrichtungen Rap-
port
abzuſtatten, er war damit vergnuͤgt, weiln
ich aber in vergangener Nacht vor Chagrin kein
Auge zugethan, zudem auf der Reiſe mich ziem-
lich ſtrapaziret hatte, ſagte der Herr gleich zu mir:
Euch iſt nicht wohl, man ſiehet es an eurer blaſſen
Farbe; dieſes machte ich mir ſo fort zu Nutze, gab
vor, ich haͤtte unterwegs einen kleinen Sturtz mit
dem Pferde gethan, ſolches zwar anfaͤnglich nichts
geachtet, aber nunmehro muͤſte ein ſtarckes Stechen
in der Bruſt empfinden. Bey ſo geſtalten Sa-
chen befahl mir mein Herr, nach Hauſe zu eilen,
und nicht ehe wieder auszugehen, biß ich vollkom-
men reſtituiret waͤre. Demnach begab ich mich
in mein Logis, legte mich zu Bette, und ſtellete
mich wuͤrcklich kraͤncker, als ich war, um zur Luſt
abzuwarten, was meine bißherige Liebſte angeben
wuͤrde, zu welcher ich meinen Jungen abſchickte,
derſelben meine kraͤnckliche Zuruͤckkunfft melden
und darbeh vernehmen lies, ob ſie ſich noch bey
guten Wohlſeyn befaͤnde. Die alte Frau Muh-
me nimmt meinen Jungen gleich auf die Seite,
und ſpricht unter einer aͤngſtlichen Stellung: Ach!
das GOTT erbarm, mein Sohn! wir haben es
leider! ſchon gehoͤret, daß euer Herr ungluͤcklich
geweſen, und mit dem Pferdte geſtuͤrtzt iſt; weil
aber meine arme Charlotte auch ſeit etlichen Ta-
gen faſt todt-kranck geweſen, ſo halte vor das be-
ſte, daß wir ihr gar nichts darvon ſagen, ſondern

viel
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0442" n="434"/>
eigentlich Vater zu die&#x017F;em Findlinge gewe&#x017F;en.<lb/>
Unterde&#x017F;&#x017F;en war mein er&#x017F;ter Gang auf das Schloß,<lb/>
um meinem Herrn von meinen Verrichtungen <hi rendition="#aq">Rap-<lb/>
port</hi> abzu&#x017F;tatten, er war damit vergnu&#x0364;gt, weiln<lb/>
ich aber in vergangener Nacht vor <hi rendition="#aq">Chagrin</hi> kein<lb/>
Auge zugethan, zudem auf der Rei&#x017F;e mich ziem-<lb/>
lich <hi rendition="#aq">&#x017F;trapazir</hi>et hatte, &#x017F;agte der Herr gleich zu mir:<lb/>
Euch i&#x017F;t nicht wohl, man &#x017F;iehet es an eurer bla&#x017F;&#x017F;en<lb/>
Farbe; die&#x017F;es machte ich mir &#x017F;o fort zu Nutze, gab<lb/>
vor, ich ha&#x0364;tte unterwegs einen kleinen Sturtz mit<lb/>
dem Pferde gethan, &#x017F;olches zwar anfa&#x0364;nglich nichts<lb/>
geachtet, aber nunmehro mu&#x0364;&#x017F;te ein &#x017F;tarckes Stechen<lb/>
in der Bru&#x017F;t empfinden. Bey &#x017F;o ge&#x017F;talten Sa-<lb/>
chen befahl mir mein Herr, nach Hau&#x017F;e zu eilen,<lb/>
und nicht ehe wieder auszugehen, biß ich vollkom-<lb/>
men <hi rendition="#aq">re&#x017F;tituir</hi>et wa&#x0364;re. Demnach begab ich mich<lb/>
in mein <hi rendition="#aq">Logis,</hi> legte mich zu Bette, und &#x017F;tellete<lb/>
mich wu&#x0364;rcklich kra&#x0364;ncker, als ich war, um zur Lu&#x017F;t<lb/>
abzuwarten, was meine bißherige Lieb&#x017F;te angeben<lb/>
wu&#x0364;rde, zu welcher ich meinen Jungen ab&#x017F;chickte,<lb/>
der&#x017F;elben meine kra&#x0364;nckliche Zuru&#x0364;ckkunfft melden<lb/>
und darbeh vernehmen lies, ob &#x017F;ie &#x017F;ich noch bey<lb/>
guten Wohl&#x017F;eyn befa&#x0364;nde. Die alte Frau Muh-<lb/>
me nimmt meinen Jungen gleich auf die Seite,<lb/>
und &#x017F;pricht unter einer a&#x0364;ng&#x017F;tlichen Stellung: Ach!<lb/>
das GOTT erbarm, mein Sohn! wir haben es<lb/>
leider! &#x017F;chon geho&#x0364;ret, daß euer Herr unglu&#x0364;cklich<lb/>
gewe&#x017F;en, und mit dem Pferdte ge&#x017F;tu&#x0364;rtzt i&#x017F;t; weil<lb/>
aber meine arme Charlotte auch &#x017F;eit etlichen Ta-<lb/>
gen fa&#x017F;t todt-kranck gewe&#x017F;en, &#x017F;o halte vor das be-<lb/>
&#x017F;te, daß wir ihr gar nichts darvon &#x017F;agen, &#x017F;ondern<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">viel</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[434/0442] eigentlich Vater zu dieſem Findlinge geweſen. Unterdeſſen war mein erſter Gang auf das Schloß, um meinem Herrn von meinen Verrichtungen Rap- port abzuſtatten, er war damit vergnuͤgt, weiln ich aber in vergangener Nacht vor Chagrin kein Auge zugethan, zudem auf der Reiſe mich ziem- lich ſtrapaziret hatte, ſagte der Herr gleich zu mir: Euch iſt nicht wohl, man ſiehet es an eurer blaſſen Farbe; dieſes machte ich mir ſo fort zu Nutze, gab vor, ich haͤtte unterwegs einen kleinen Sturtz mit dem Pferde gethan, ſolches zwar anfaͤnglich nichts geachtet, aber nunmehro muͤſte ein ſtarckes Stechen in der Bruſt empfinden. Bey ſo geſtalten Sa- chen befahl mir mein Herr, nach Hauſe zu eilen, und nicht ehe wieder auszugehen, biß ich vollkom- men reſtituiret waͤre. Demnach begab ich mich in mein Logis, legte mich zu Bette, und ſtellete mich wuͤrcklich kraͤncker, als ich war, um zur Luſt abzuwarten, was meine bißherige Liebſte angeben wuͤrde, zu welcher ich meinen Jungen abſchickte, derſelben meine kraͤnckliche Zuruͤckkunfft melden und darbeh vernehmen lies, ob ſie ſich noch bey guten Wohlſeyn befaͤnde. Die alte Frau Muh- me nimmt meinen Jungen gleich auf die Seite, und ſpricht unter einer aͤngſtlichen Stellung: Ach! das GOTT erbarm, mein Sohn! wir haben es leider! ſchon gehoͤret, daß euer Herr ungluͤcklich geweſen, und mit dem Pferdte geſtuͤrtzt iſt; weil aber meine arme Charlotte auch ſeit etlichen Ta- gen faſt todt-kranck geweſen, ſo halte vor das be- ſte, daß wir ihr gar nichts darvon ſagen, ſondern viel

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata03_1739
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata03_1739/442
Zitationshilfe: Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 3. Nordhausen, 1739, S. 434. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata03_1739/442>, abgerufen am 26.04.2024.