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Schönaich, Christoph Otto von: Die ganze Aesthetik in einer Nuß, oder Neologisches Wörterbuch. [Breslau], 1754.

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Sc
"Ach, stolze Sylvia, laß deinen Zorn sich
wenden!
"Jch will dir, wo du willst, auch wohl Ge-
schenke senden;
"Nicht etwa, die der Wald und unser Gar-
ten hegt,
"Nicht, wie das reife Feld ihn in die Scheu-
ne legt:
"Nein! sondern einen Putz mit Puder über-
schlagen,
"Wie in der Stadt itzund die Bürgertöchter
tragen.

Mathilde sagte: sie wohne auf dem Lande; sey eine
Schäferin; brauche also keinen Puder. Worauf
er mit einem tiefen Seufzer versetzte, und den
Strick zeigte:

"Doch, wo du auch hierdurch nicht zu bewe-
gen bist:
"So weis ich Aermster nicht, was weiter
übrig ist,
"Als daß ich meinen Rumpf an einen Eich-
baum henke;
"Vieleicht liebst du mich todt, weil ich dich le-
bend kränke.

Ey! Ey! mein Sohn! sagte Rustefeil: ein sol-
ches Verfahren ist zu gottlos für einen Schäfer.
Du bist eine ehrliche Haut; aber in einer schlim-
men Schule
gewesen. Was machen da die Edel-
steine
auf dem Schäferhute? Das muß nicht
seyn! Wir wollen nicht Hochzeit machen; son-
dern den Tanz verschieben, und essen. "Mein

"Kind!
Sc
“Ach, ſtolze Sylvia, laß deinen Zorn ſich
wenden!
“Jch will dir, wo du willſt, auch wohl Ge-
ſchenke ſenden;
“Nicht etwa, die der Wald und unſer Gar-
ten hegt,
“Nicht, wie das reife Feld ihn in die Scheu-
ne legt:
“Nein! ſondern einen Putz mit Puder uͤber-
ſchlagen,
“Wie in der Stadt itzund die Buͤrgertoͤchter
tragen.

Mathilde ſagte: ſie wohne auf dem Lande; ſey eine
Schaͤferin; brauche alſo keinen Puder. Worauf
er mit einem tiefen Seufzer verſetzte, und den
Strick zeigte:

“Doch, wo du auch hierdurch nicht zu bewe-
gen biſt:
“So weis ich Aermſter nicht, was weiter
uͤbrig iſt,
“Als daß ich meinen Rumpf an einen Eich-
baum henke;
“Vieleicht liebſt du mich todt, weil ich dich le-
bend kraͤnke.

Ey! Ey! mein Sohn! ſagte Ruſtefeil: ein ſol-
ches Verfahren iſt zu gottlos fuͤr einen Schaͤfer.
Du biſt eine ehrliche Haut; aber in einer ſchlim-
men Schule
geweſen. Was machen da die Edel-
ſteine
auf dem Schaͤferhute? Das muß nicht
ſeyn! Wir wollen nicht Hochzeit machen; ſon-
dern den Tanz verſchieben, und eſſen. “Mein

“Kind!
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[374/0400] Sc “Ach, ſtolze Sylvia, laß deinen Zorn ſich wenden! “Jch will dir, wo du willſt, auch wohl Ge- ſchenke ſenden; “Nicht etwa, die der Wald und unſer Gar- ten hegt, “Nicht, wie das reife Feld ihn in die Scheu- ne legt: “Nein! ſondern einen Putz mit Puder uͤber- ſchlagen, “Wie in der Stadt itzund die Buͤrgertoͤchter tragen. Mathilde ſagte: ſie wohne auf dem Lande; ſey eine Schaͤferin; brauche alſo keinen Puder. Worauf er mit einem tiefen Seufzer verſetzte, und den Strick zeigte: “Doch, wo du auch hierdurch nicht zu bewe- gen biſt: “So weis ich Aermſter nicht, was weiter uͤbrig iſt, “Als daß ich meinen Rumpf an einen Eich- baum henke; “Vieleicht liebſt du mich todt, weil ich dich le- bend kraͤnke. Ey! Ey! mein Sohn! ſagte Ruſtefeil: ein ſol- ches Verfahren iſt zu gottlos fuͤr einen Schaͤfer. Du biſt eine ehrliche Haut; aber in einer ſchlim- men Schule geweſen. Was machen da die Edel- ſteine auf dem Schaͤferhute? Das muß nicht ſeyn! Wir wollen nicht Hochzeit machen; ſon- dern den Tanz verſchieben, und eſſen. “Mein “Kind!

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Zitationshilfe: Schönaich, Christoph Otto von: Die ganze Aesthetik in einer Nuß, oder Neologisches Wörterbuch. [Breslau], 1754, S. 374. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schoenaich_aesthetik_1754/400>, abgerufen am 27.04.2024.