Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schoppe, Amalie: Der Prophet. Bd. 1. Jena, 1846.

Bild:
<< vorherige Seite

mir, vor allen Andern mir, für Nichts verpflich-
tet seyn?"

Arnold, der zu stolz zur Lüge war, blieb ihm
die Antwort schuldig.

-- "Sie schweigen," fuhr Joe fort; "Schwei-
gen ist auch eine Antwort, Sir, und so sehr mich
auch die von Jhnen eben empfangene negative betrübt,
so danke ich Jhnen doch für Jhre Aufrichtigkeit. Da
wir nun aber einmal so weit sind, so setzen Sie ihr
die Krone auf und sagen mir, wodurch ich so un-
glücklich bin, Jhnen zu mißfallen. Habe ich Sie je
beleidigt, je nur gekränkt, Sir?"

-- "Niemals!" betheuerte Arnold.

-- "Nun, wenn dem so ist," fuhr der Prophet
fort, "wenn ich Jhnen nie zu nahe trat; wenn Sie
mein Bestreben nicht verkennen konnten, Jhnen alles
Gute und Liebe erweisen zu wollen, das nur in mei-
nen Kräften stand; wenn Sie selbst bemerken mußten,
daß mir an Jhrer Zuneigung, an Jhrem Vertrauen,
ja, an Jhrer Freundschaft gelegen -- und Sie konn-
ten das nicht verkennen, da ich gegen Sie anders war,
als gegen meine ganze übrige Umgebung -- was war
es dann, was all' mein Bemühen, Jhnen näher zu
treten, zu Schanden machte?"

-- "Jhr Prophetenthum, Sir," versetzte Arnold
mit fester Stimme.

mir, vor allen Andern mir, für Nichts verpflich-
tet ſeyn?“

Arnold, der zu ſtolz zur Lüge war, blieb ihm
die Antwort ſchuldig.

— „Sie ſchweigen,“ fuhr Joe fort; „Schwei-
gen iſt auch eine Antwort, Sir, und ſo ſehr mich
auch die von Jhnen eben empfangene negative betrübt,
ſo danke ich Jhnen doch für Jhre Aufrichtigkeit. Da
wir nun aber einmal ſo weit ſind, ſo ſetzen Sie ihr
die Krone auf und ſagen mir, wodurch ich ſo un-
glücklich bin, Jhnen zu mißfallen. Habe ich Sie je
beleidigt, je nur gekränkt, Sir?“

— „Niemals!“ betheuerte Arnold.

— „Nun, wenn dem ſo iſt,“ fuhr der Prophet
fort, „wenn ich Jhnen nie zu nahe trat; wenn Sie
mein Beſtreben nicht verkennen konnten, Jhnen alles
Gute und Liebe erweiſen zu wollen, das nur in mei-
nen Kräften ſtand; wenn Sie ſelbſt bemerken mußten,
daß mir an Jhrer Zuneigung, an Jhrem Vertrauen,
ja, an Jhrer Freundſchaft gelegen — und Sie konn-
ten das nicht verkennen, da ich gegen Sie anders war,
als gegen meine ganze übrige Umgebung — was war
es dann, was all’ mein Bemühen, Jhnen näher zu
treten, zu Schanden machte?“

— „Jhr Prophetenthum, Sir,“ verſetzte Arnold
mit feſter Stimme.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0092" n="84"/>
mir, vor allen Andern <hi rendition="#g">mir,</hi> für Nichts verpflich-<lb/>
tet &#x017F;eyn?&#x201C;</p><lb/>
        <p>Arnold, der zu &#x017F;tolz zur Lüge war, blieb ihm<lb/>
die Antwort &#x017F;chuldig.</p><lb/>
        <p>&#x2014; &#x201E;Sie &#x017F;chweigen,&#x201C; fuhr Joe fort; &#x201E;Schwei-<lb/>
gen i&#x017F;t auch eine Antwort, Sir, und &#x017F;o &#x017F;ehr mich<lb/>
auch die von Jhnen eben empfangene negative betrübt,<lb/>
&#x017F;o danke ich Jhnen doch für Jhre Aufrichtigkeit. Da<lb/>
wir nun aber einmal &#x017F;o weit &#x017F;ind, &#x017F;o &#x017F;etzen Sie ihr<lb/>
die Krone auf und &#x017F;agen mir, wodurch ich &#x017F;o un-<lb/>
glücklich bin, Jhnen zu mißfallen. Habe ich Sie je<lb/>
beleidigt, je nur gekränkt, Sir?&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x2014; &#x201E;Niemals!&#x201C; betheuerte Arnold.</p><lb/>
        <p>&#x2014; &#x201E;Nun, wenn dem &#x017F;o i&#x017F;t,&#x201C; fuhr der Prophet<lb/>
fort, &#x201E;wenn ich Jhnen nie zu nahe trat; wenn Sie<lb/>
mein Be&#x017F;treben nicht verkennen konnten, Jhnen alles<lb/>
Gute und Liebe erwei&#x017F;en zu wollen, das nur in mei-<lb/>
nen Kräften &#x017F;tand; wenn Sie &#x017F;elb&#x017F;t bemerken mußten,<lb/>
daß mir an Jhrer Zuneigung, an Jhrem Vertrauen,<lb/>
ja, an Jhrer Freund&#x017F;chaft gelegen &#x2014; und Sie konn-<lb/>
ten das nicht verkennen, da ich gegen Sie anders war,<lb/>
als gegen meine ganze übrige Umgebung &#x2014; was war<lb/>
es dann, was all&#x2019; mein Bemühen, Jhnen näher zu<lb/>
treten, zu Schanden machte?&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x2014; &#x201E;Jhr Prophetenthum, Sir,&#x201C; ver&#x017F;etzte Arnold<lb/>
mit fe&#x017F;ter Stimme.</p><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[84/0092] mir, vor allen Andern mir, für Nichts verpflich- tet ſeyn?“ Arnold, der zu ſtolz zur Lüge war, blieb ihm die Antwort ſchuldig. — „Sie ſchweigen,“ fuhr Joe fort; „Schwei- gen iſt auch eine Antwort, Sir, und ſo ſehr mich auch die von Jhnen eben empfangene negative betrübt, ſo danke ich Jhnen doch für Jhre Aufrichtigkeit. Da wir nun aber einmal ſo weit ſind, ſo ſetzen Sie ihr die Krone auf und ſagen mir, wodurch ich ſo un- glücklich bin, Jhnen zu mißfallen. Habe ich Sie je beleidigt, je nur gekränkt, Sir?“ — „Niemals!“ betheuerte Arnold. — „Nun, wenn dem ſo iſt,“ fuhr der Prophet fort, „wenn ich Jhnen nie zu nahe trat; wenn Sie mein Beſtreben nicht verkennen konnten, Jhnen alles Gute und Liebe erweiſen zu wollen, das nur in mei- nen Kräften ſtand; wenn Sie ſelbſt bemerken mußten, daß mir an Jhrer Zuneigung, an Jhrem Vertrauen, ja, an Jhrer Freundſchaft gelegen — und Sie konn- ten das nicht verkennen, da ich gegen Sie anders war, als gegen meine ganze übrige Umgebung — was war es dann, was all’ mein Bemühen, Jhnen näher zu treten, zu Schanden machte?“ — „Jhr Prophetenthum, Sir,“ verſetzte Arnold mit feſter Stimme.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schoppe_prophet01_1846
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schoppe_prophet01_1846/92
Zitationshilfe: Schoppe, Amalie: Der Prophet. Bd. 1. Jena, 1846, S. 84. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schoppe_prophet01_1846/92>, abgerufen am 07.05.2024.