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Schoppe, Amalie: Der Prophet. Bd. 2. Jena, 1846.

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sehen, die jeden Augenblick bereit wären, ihm in Noth
und Tod beizustehen.

-- "Wie kommt es," wandte sich der Europäer
fragend an seinen Gastfreund, "daß ich Opiska Toaki
nicht mehr unter euch erblicke und du seine Stelle
als Häuptling eingenommen hast?"

-- "Jhm ist ein großes Unglück begegnet," ant-
wortete ihm der Wilde, "und dies hat ihn so sehr
entmuthigt, daß er seinen Stamm verlassen und sich
in die Wildniß begeben hat, um durch heiße Gebete
den guten Geist anzuflehen, ihm im Traume den Räu-
ber des Kleinods zu zeigen, das er von dir, als Blut-
preis für White-hawks Leben, empfangen hatte und
das er höher hielt, wie sonst irgend Etwas, das er
besaß."

-- "Wie, er hätte das Bildniß meiner Mutter
verloren?" fragte ihn Arnold überrascht.

-- "Nicht verloren hat er es, sondern es ist
ihm auf unbegreifliche Weise während der Nacht ge-
raubt oder vielmehr wider seinen Willen abgetauscht
worden," war die Antwort des Wilden, "und da
man, da er den Talisman auf seiner Brust trug und
sich keinen Augenblick davon trennte, diese Beraubung
als ein Wunderwerk ansehen muß, haben unsre Ma-
kota Konayas (Priester) ihm den Rath ertheilt, sich
in der Wildniß, die allein von den Gottheiten be-

ſehen, die jeden Augenblick bereit wären, ihm in Noth
und Tod beizuſtehen.

— „Wie kommt es,“ wandte ſich der Europäer
fragend an ſeinen Gaſtfreund, „daß ich Opiska Toaki
nicht mehr unter euch erblicke und du ſeine Stelle
als Häuptling eingenommen haſt?“

— „Jhm iſt ein großes Unglück begegnet,“ ant-
wortete ihm der Wilde, „und dies hat ihn ſo ſehr
entmuthigt, daß er ſeinen Stamm verlaſſen und ſich
in die Wildniß begeben hat, um durch heiße Gebete
den guten Geiſt anzuflehen, ihm im Traume den Räu-
ber des Kleinods zu zeigen, das er von dir, als Blut-
preis für White-hawks Leben, empfangen hatte und
das er höher hielt, wie ſonſt irgend Etwas, das er
beſaß.“

— „Wie, er hätte das Bildniß meiner Mutter
verloren?“ fragte ihn Arnold überraſcht.

— „Nicht verloren hat er es, ſondern es iſt
ihm auf unbegreifliche Weiſe während der Nacht ge-
raubt oder vielmehr wider ſeinen Willen abgetauſcht
worden,“ war die Antwort des Wilden, „und da
man, da er den Talisman auf ſeiner Bruſt trug und
ſich keinen Augenblick davon trennte, dieſe Beraubung
als ein Wunderwerk anſehen muß, haben unſre Ma-
kota Konayas (Prieſter) ihm den Rath ertheilt, ſich
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[21/0027] ſehen, die jeden Augenblick bereit wären, ihm in Noth und Tod beizuſtehen. — „Wie kommt es,“ wandte ſich der Europäer fragend an ſeinen Gaſtfreund, „daß ich Opiska Toaki nicht mehr unter euch erblicke und du ſeine Stelle als Häuptling eingenommen haſt?“ — „Jhm iſt ein großes Unglück begegnet,“ ant- wortete ihm der Wilde, „und dies hat ihn ſo ſehr entmuthigt, daß er ſeinen Stamm verlaſſen und ſich in die Wildniß begeben hat, um durch heiße Gebete den guten Geiſt anzuflehen, ihm im Traume den Räu- ber des Kleinods zu zeigen, das er von dir, als Blut- preis für White-hawks Leben, empfangen hatte und das er höher hielt, wie ſonſt irgend Etwas, das er beſaß.“ — „Wie, er hätte das Bildniß meiner Mutter verloren?“ fragte ihn Arnold überraſcht. — „Nicht verloren hat er es, ſondern es iſt ihm auf unbegreifliche Weiſe während der Nacht ge- raubt oder vielmehr wider ſeinen Willen abgetauſcht worden,“ war die Antwort des Wilden, „und da man, da er den Talisman auf ſeiner Bruſt trug und ſich keinen Augenblick davon trennte, dieſe Beraubung als ein Wunderwerk anſehen muß, haben unſre Ma- kota Konayas (Prieſter) ihm den Rath ertheilt, ſich in der Wildniß, die allein von den Gottheiten be-

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Zitationshilfe: Schoppe, Amalie: Der Prophet. Bd. 2. Jena, 1846, S. 21. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schoppe_prophet02_1846/27>, abgerufen am 30.04.2024.