Schreyvogel, Joseph: Samuel Brinks letzte Liebesgeschichte. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 10. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–94. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.Paul brachte mir Wein und Brod. Gretchen sei sehr bekümmert, erzählte er, daß ich nicht zum Nachtessen käme; und Max hab' es sich gleichfalls verbeten. Er sei unten in seiner Stube und arbeite an seinen Wirthschaftsbüchern; nach meinem Befinden habe er sehr theilnehmend gefragt, Gretchens aber nicht erwähnt. -- Ich lasse den Kindern eine gute Nacht wünschen, sagte ich nach einer Weile; -- und geh du nun auch, Paul, heute bedarf ich nichts mehr. Ich schlief wenig, fühlte mich aber ziemlich gestärkt und beruhigt, als ich am andern Morgen aufstand. Da trat Paul herein und übergab mir einen Brief. -- Von wem? -- Ach, von dem armen Max! Er ist fort, Herr, und ich glaube, wir sehen ihn nicht wieder. -- Was sagst du, Alter? -- Ich erbrach schnell den Brief, und las einen förmlichen Abschied, voll von Ausdrücken der wärmsten Dankbarkeit. Er hoffe, schrieb er, seine Entfernung werde für die Wirthschaft keinen bedeutenden Nachtheil haben, da Alles in guter Ordnung sei, und Mamsell Berger die Oberaufsicht recht wohl führen könne; auch empfehle er wir den Oberknecht als einen sehr brauchbaren Menschen. Er bat mich um Verzeihung daß er, unbekannt mit meinen Absichten, dem Wunsche meines Herzens einen Augenblick entgegen getreten sei; mit der innigsten Theilnahme werde er in der Ferne von meinem Glücke hören. Wegen seines Fortkommens bitte er mich, außer Sorgen zu seyn; er habe durch meine Unterstützung genug gelernt, um überall sein Brod zu Paul brachte mir Wein und Brod. Gretchen sei sehr bekümmert, erzählte er, daß ich nicht zum Nachtessen käme; und Max hab' es sich gleichfalls verbeten. Er sei unten in seiner Stube und arbeite an seinen Wirthschaftsbüchern; nach meinem Befinden habe er sehr theilnehmend gefragt, Gretchens aber nicht erwähnt. — Ich lasse den Kindern eine gute Nacht wünschen, sagte ich nach einer Weile; — und geh du nun auch, Paul, heute bedarf ich nichts mehr. Ich schlief wenig, fühlte mich aber ziemlich gestärkt und beruhigt, als ich am andern Morgen aufstand. Da trat Paul herein und übergab mir einen Brief. — Von wem? — Ach, von dem armen Max! Er ist fort, Herr, und ich glaube, wir sehen ihn nicht wieder. — Was sagst du, Alter? — Ich erbrach schnell den Brief, und las einen förmlichen Abschied, voll von Ausdrücken der wärmsten Dankbarkeit. Er hoffe, schrieb er, seine Entfernung werde für die Wirthschaft keinen bedeutenden Nachtheil haben, da Alles in guter Ordnung sei, und Mamsell Berger die Oberaufsicht recht wohl führen könne; auch empfehle er wir den Oberknecht als einen sehr brauchbaren Menschen. Er bat mich um Verzeihung daß er, unbekannt mit meinen Absichten, dem Wunsche meines Herzens einen Augenblick entgegen getreten sei; mit der innigsten Theilnahme werde er in der Ferne von meinem Glücke hören. Wegen seines Fortkommens bitte er mich, außer Sorgen zu seyn; er habe durch meine Unterstützung genug gelernt, um überall sein Brod zu <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="18"> <pb facs="#f0091"/> <p>Paul brachte mir Wein und Brod. Gretchen sei sehr bekümmert, erzählte er, daß ich nicht zum Nachtessen käme; und Max hab' es sich gleichfalls verbeten. Er sei unten in seiner Stube und arbeite an seinen Wirthschaftsbüchern; nach meinem Befinden habe er sehr theilnehmend gefragt, Gretchens aber nicht erwähnt. — Ich lasse den Kindern eine gute Nacht wünschen, sagte ich nach einer Weile; — und geh du nun auch, Paul, heute bedarf ich nichts mehr.</p><lb/> <p>Ich schlief wenig, fühlte mich aber ziemlich gestärkt und beruhigt, als ich am andern Morgen aufstand. Da trat Paul herein und übergab mir einen Brief. — Von wem? — Ach, von dem armen Max! Er ist fort, Herr, und ich glaube, wir sehen ihn nicht wieder. — Was sagst du, Alter? — Ich erbrach schnell den Brief, und las einen förmlichen Abschied, voll von Ausdrücken der wärmsten Dankbarkeit. Er hoffe, schrieb er, seine Entfernung werde für die Wirthschaft keinen bedeutenden Nachtheil haben, da Alles in guter Ordnung sei, und Mamsell Berger die Oberaufsicht recht wohl führen könne; auch empfehle er wir den Oberknecht als einen sehr brauchbaren Menschen. Er bat mich um Verzeihung daß er, unbekannt mit meinen Absichten, dem Wunsche meines Herzens einen Augenblick entgegen getreten sei; mit der innigsten Theilnahme werde er in der Ferne von meinem Glücke hören. Wegen seines Fortkommens bitte er mich, außer Sorgen zu seyn; er habe durch meine Unterstützung genug gelernt, um überall sein Brod zu<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0091]
Paul brachte mir Wein und Brod. Gretchen sei sehr bekümmert, erzählte er, daß ich nicht zum Nachtessen käme; und Max hab' es sich gleichfalls verbeten. Er sei unten in seiner Stube und arbeite an seinen Wirthschaftsbüchern; nach meinem Befinden habe er sehr theilnehmend gefragt, Gretchens aber nicht erwähnt. — Ich lasse den Kindern eine gute Nacht wünschen, sagte ich nach einer Weile; — und geh du nun auch, Paul, heute bedarf ich nichts mehr.
Ich schlief wenig, fühlte mich aber ziemlich gestärkt und beruhigt, als ich am andern Morgen aufstand. Da trat Paul herein und übergab mir einen Brief. — Von wem? — Ach, von dem armen Max! Er ist fort, Herr, und ich glaube, wir sehen ihn nicht wieder. — Was sagst du, Alter? — Ich erbrach schnell den Brief, und las einen förmlichen Abschied, voll von Ausdrücken der wärmsten Dankbarkeit. Er hoffe, schrieb er, seine Entfernung werde für die Wirthschaft keinen bedeutenden Nachtheil haben, da Alles in guter Ordnung sei, und Mamsell Berger die Oberaufsicht recht wohl führen könne; auch empfehle er wir den Oberknecht als einen sehr brauchbaren Menschen. Er bat mich um Verzeihung daß er, unbekannt mit meinen Absichten, dem Wunsche meines Herzens einen Augenblick entgegen getreten sei; mit der innigsten Theilnahme werde er in der Ferne von meinem Glücke hören. Wegen seines Fortkommens bitte er mich, außer Sorgen zu seyn; er habe durch meine Unterstützung genug gelernt, um überall sein Brod zu
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Zitationshilfe: | Schreyvogel, Joseph: Samuel Brinks letzte Liebesgeschichte. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 10. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–94. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schreyvogel_liebesgeschichte_1910/91>, abgerufen am 16.06.2024. |