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Schröder, Ernst: Vorlesungen über die Algebra der Logik. Bd. 1. Leipzig, 1890.

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Sechste Vorlesung.
nicht verliert, während doch ein Jeder des ganzen Einfalles oder Gedan-
kens teilhaftig geworden, und auf diesem Umstand beruhen wesentlich die
grossen Vorteile des sog. Gedankenaustausches (eventuell auch die Nach-
teile, z. B. bei Verleumdung). Wenn in einer Gesellschaft von hundert
Personen Jeder auch nur einen klugen Gedanken hat und ihn den Andern
mitteilt, so geht ein Jeder mit hundert klugen Gedanken nach Hause*)!
Der Verteilungsprozess ist hierbei untrennbar verbunden mit einer Verviel-
fältigung, mit einem wiederholten Inexistenztreten des Verteilungsobjektes.
Eine Geldsumme z. B. lässt unter die Anwesenden in dieser Weise sich
leider nicht verteilen.

Die Anwendung der Formel 27x) in dem ebenerwähnten Sinne
heisst Ausmultipliziren; man sagt, dass man die Summe b + c + .. "mit
a ausmultiplizire", wenn man das Produkt (b + c + ..) a in b a + c a + ..
verwandelt.

Man sagt in der Arithmetik auch, das Produkt werde "entwickelt",
doch wird man auf diese Ausdrucksweise hier besser verzichten, weil wir
dieselbe in § 20 in einem andern Sinne einzuführen haben. Der Eng-
länder verfügt hier über das Wort "expanded" zum Unterschiede von "de-
velopped".

Soll a (b + c + d ..) ausmultiplizirt werden, so "geht man mit dem
Faktor a
" in Gedanken "in die Klammer hinein", und lässt ihn bei dem
ersten Gliede auf welches man stösst gewissermassen hängen. Ohne aber
dadurch seiner Begleitung verlustig zu gehen, wandert man mit ihm weiter,
um ihn auch bei dem zweiten Gliede haften zu lassen, und so fort.

Die umgekehrte Anwendung der Formel, wobei man also eine
Summe b a + c a + d a .. in das Produkt (b + c + d ..) a zusammenzieht,
heisst das "Ausscheiden des gemeinsamen Faktors" a. Rückwärts ge-
lesen also liefert uns die Formel 27x) den Satz: Wenn die Glieder
einer Summe einen
"gemeinsamen" (genauer blos: übereinstimmenden)
Faktor "enthalten"**), so kann man denselben "ausscheiden", d. h. ihn
neben eine Klammer setzen
, in welche die Summe der andern Faktoren
geschrieben wird.

Damit dies korrekt sei, muss indess jedes Glied der gedachten
Summe als ein "binäres", d. i. aus nur zwei Faktoren bestehendes, Pro-
dukt angesehen werden, dessen einer Faktor der in allen Gliedern laut
Voraussetzung übereinstimmend vorhandene oder "gemeinsame" Faktor

*) Volkstümliches Argument des unvergesslichen Dr. Faucher, auf die An-
wesenden bei der Gründung eines Arbeiterbildungsvereines exemplifizirend vor-
gebracht.
**) Soll heissen: "als Operationsglied enthalten", keineswegs aber im Sinne
einer Überordnung oder Supersumtion, statt welcher im Gegenteil bei den Glie-
dern gegenüber dem Faktor eine Unterordnung, Subsumtion vorläge. Für "ent-
halten" sage man darum unverfänglicher: "haben", "besitzen".

Sechste Vorlesung.
nicht verliert, während doch ein Jeder des ganzen Einfalles oder Gedan-
kens teilhaftig geworden, und auf diesem Umstand beruhen wesentlich die
grossen Vorteile des sog. Gedankenaustausches (eventuell auch die Nach-
teile, z. B. bei Verleumdung). Wenn in einer Gesellschaft von hundert
Personen Jeder auch nur einen klugen Gedanken hat und ihn den Andern
mitteilt, so geht ein Jeder mit hundert klugen Gedanken nach Hause*)!
Der Verteilungsprozess ist hierbei untrennbar verbunden mit einer Verviel-
fältigung, mit einem wiederholten Inexistenztreten des Verteilungsobjektes.
Eine Geldsumme z. B. lässt unter die Anwesenden in dieser Weise sich
leider nicht verteilen.

Die Anwendung der Formel 27×) in dem ebenerwähnten Sinne
heisst Ausmultipliziren; man sagt, dass man die Summe b + c + ‥ „mit
a ausmultiplizire“, wenn man das Produkt (b + c + ‥) a in b a + c a + ‥
verwandelt.

Man sagt in der Arithmetik auch, das Produkt werde „entwickelt“,
doch wird man auf diese Ausdrucksweise hier besser verzichten, weil wir
dieselbe in § 20 in einem andern Sinne einzuführen haben. Der Eng-
länder verfügt hier über das Wort „expanded“ zum Unterschiede von „de-
velopped“.

Soll a (b + c + d ‥) ausmultiplizirt werden, so „geht man mit dem
Faktor a
“ in Gedanken „in die Klammer hinein“, und lässt ihn bei dem
ersten Gliede auf welches man stösst gewissermassen hängen. Ohne aber
dadurch seiner Begleitung verlustig zu gehen, wandert man mit ihm weiter,
um ihn auch bei dem zweiten Gliede haften zu lassen, und so fort.

Die umgekehrte Anwendung der Formel, wobei man also eine
Summe b a + c a + d a ‥ in das Produkt (b + c + d ‥) a zusammenzieht,
heisst das „Ausscheiden des gemeinsamen Faktors“ a. Rückwärts ge-
lesen also liefert uns die Formel 27×) den Satz: Wenn die Glieder
einer Summe einen
gemeinsamen“ (genauer blos: übereinstimmenden)
Faktorenthalten**), so kann man denselbenausscheiden“, d. h. ihn
neben eine Klammer setzen
, in welche die Summe der andern Faktoren
geschrieben wird.

Damit dies korrekt sei, muss indess jedes Glied der gedachten
Summe als ein „binäres“, d. i. aus nur zwei Faktoren bestehendes, Pro-
dukt angesehen werden, dessen einer Faktor der in allen Gliedern laut
Voraussetzung übereinstimmend vorhandene oder „gemeinsame“ Faktor

*) Volkstümliches Argument des unvergesslichen Dr. Faucher, auf die An-
wesenden bei der Gründung eines Arbeiterbildungsvereines exemplifizirend vor-
gebracht.
**) Soll heissen: „als Operationsglied enthalten“, keineswegs aber im Sinne
einer Überordnung oder Supersumtion, statt welcher im Gegenteil bei den Glie-
dern gegenüber dem Faktor eine Unterordnung, Subsumtion vorläge. Für „ent-
halten“ sage man darum unverfänglicher: „haben“, „besitzen“.
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[284/0304] Sechste Vorlesung. nicht verliert, während doch ein Jeder des ganzen Einfalles oder Gedan- kens teilhaftig geworden, und auf diesem Umstand beruhen wesentlich die grossen Vorteile des sog. Gedankenaustausches (eventuell auch die Nach- teile, z. B. bei Verleumdung). Wenn in einer Gesellschaft von hundert Personen Jeder auch nur einen klugen Gedanken hat und ihn den Andern mitteilt, so geht ein Jeder mit hundert klugen Gedanken nach Hause *)! Der Verteilungsprozess ist hierbei untrennbar verbunden mit einer Verviel- fältigung, mit einem wiederholten Inexistenztreten des Verteilungsobjektes. Eine Geldsumme z. B. lässt unter die Anwesenden in dieser Weise sich leider nicht verteilen. Die Anwendung der Formel 27×) in dem ebenerwähnten Sinne heisst Ausmultipliziren; man sagt, dass man die Summe b + c + ‥ „mit a ausmultiplizire“, wenn man das Produkt (b + c + ‥) a in b a + c a + ‥ verwandelt. Man sagt in der Arithmetik auch, das Produkt werde „entwickelt“, doch wird man auf diese Ausdrucksweise hier besser verzichten, weil wir dieselbe in § 20 in einem andern Sinne einzuführen haben. Der Eng- länder verfügt hier über das Wort „expanded“ zum Unterschiede von „de- velopped“. Soll a (b + c + d ‥) ausmultiplizirt werden, so „geht man mit dem Faktor a“ in Gedanken „in die Klammer hinein“, und lässt ihn bei dem ersten Gliede auf welches man stösst gewissermassen hängen. Ohne aber dadurch seiner Begleitung verlustig zu gehen, wandert man mit ihm weiter, um ihn auch bei dem zweiten Gliede haften zu lassen, und so fort. Die umgekehrte Anwendung der Formel, wobei man also eine Summe b a + c a + d a ‥ in das Produkt (b + c + d ‥) a zusammenzieht, heisst das „Ausscheiden des gemeinsamen Faktors“ a. Rückwärts ge- lesen also liefert uns die Formel 27×) den Satz: Wenn die Glieder einer Summe einen „gemeinsamen“ (genauer blos: übereinstimmenden) Faktor „enthalten“ **), so kann man denselben „ausscheiden“, d. h. ihn neben eine Klammer setzen, in welche die Summe der andern Faktoren geschrieben wird. Damit dies korrekt sei, muss indess jedes Glied der gedachten Summe als ein „binäres“, d. i. aus nur zwei Faktoren bestehendes, Pro- dukt angesehen werden, dessen einer Faktor der in allen Gliedern laut Voraussetzung übereinstimmend vorhandene oder „gemeinsame“ Faktor *) Volkstümliches Argument des unvergesslichen Dr. Faucher, auf die An- wesenden bei der Gründung eines Arbeiterbildungsvereines exemplifizirend vor- gebracht. **) Soll heissen: „als Operationsglied enthalten“, keineswegs aber im Sinne einer Überordnung oder Supersumtion, statt welcher im Gegenteil bei den Glie- dern gegenüber dem Faktor eine Unterordnung, Subsumtion vorläge. Für „ent- halten“ sage man darum unverfänglicher: „haben“, „besitzen“.

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Zitationshilfe: Schröder, Ernst: Vorlesungen über die Algebra der Logik. Bd. 1. Leipzig, 1890, S. 284. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schroeder_logik01_1890/304>, abgerufen am 30.04.2024.