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Schröder, Ernst: Vorlesungen über die Algebra der Logik. Bd. 2, Abt. 2. Leipzig, 1905.

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§ 50. Vervollkommnung gewisser Partieen des ersten Bandes.
trennende Zwischenstrecke. Hier gelten zunächst alle formalen "Grund-
lagen" des Gruppenkalkuls, dagegen nicht das volle Distributionsgesetz.
Denn versteht man unter a und b zwei auseinanderliegende (disjunkte)
Strecken und unter c eine innerhalb a + b gelegene, welche z. B. mit
a einen (echten) Teil a c (ihrer selbst), mit b aber nichts gemein hat,
so wird (a + b) c = c, dagegen a c + b c = a c + 0 = a c von c verschieden
ausfallen. -- Ich will diese sehr bequeme Exemplifikation nach ihrem
Urheber als den
Beweis 6 von Korselt registriren.

Lässt man nun aber mit Herrn Korselt als "Gebiete" auch "Aussen-
strecken" zu, so wird obendrein zwar der Begriff der Negation anwendbar
und jedem Gebiet ein Negat in Gestalt von dessen Ergänzung zur ganzen
Geraden zugeordnet. Auch kann man bei den Definitionen von a b und
a + b den Begriff des "grössten" oder "kleinsten" Gebietes beibehalten in
dem Sinne, dass jedes unendliche Gebiet, also jede Aussenstrecke für "grösser"
erklärt wird, als jedes endliche Gebiet, d. i. jede Innenstrecke, dass ferner
von zwei Aussenstrecken diejenige als grösser gilt, die von der ganzen Ge-
raden das kleinere Innenstück übrig lässt. Wie leicht zu sehen, trifft dann
die zweite Subsumtion des Distributionsgesetzes häufig nicht zu. Allein es
gelten auch schon die beiden oben erwähnten Teilsubsumtionen (3)' nicht
mehr allgemein, und überdies wird sowol a b als a + b in gewissen Fällen
zweideutig, -- in solchen nämlich, wo a eine Innenstrecke, b eine Aussenstrecke
vorstellt und die Endpunkte der einen zu denen der andern bezw. deren
Mitte symmetrisch liegen.

Um die vorliegende Gruppe von Vervollkommnungsbestrebungen
zum Abschluss zu bringen, liegt es mir endlich noch ob, über eine
Bemerkung von Herrn Korselt zu berichten, die mir von ihm brieflich
zu diesem Zwecke vorgelegt wurde und die Frage betrifft, ob nicht bei
Aufstellung der Grundlagen des identischen Kalkuls die zeitweilige Preis-
gebung des Dualismus
, wie sie in unserer sechsten Vorlesung, Bd. 1 § 12
sich aufgedrängt, vermieden werden könne. Es handelt sich darum,
unser "drittes" Prinzip, das ich in dualistischer Hinsicht unsymmetrisch als
IIIx. (b c = 0) {a (b + c) a b + a c}
formulirt habe, zu ersetzen durch ein symmetrisches, mit dessen Hülfe
sich dann ebenfalls das volle Distributionsgesetz beweisen liesse, --
und zwar ohne Argumentiren auf Individuen oder Punkte unserer
Punktgebiete.

Diese letztere Einschränkung, (welche Herr Korselt nicht durchweg
berücksichtigt, so dass ich nur von einem Teile seiner Mitteilungen Gebrauch
machen kann), ist unerlässlich, wenn die Beweisführungen überhaupt in den
Lehrgang unseres Bd. 1 passen sollen. (Vollends Beweisführungen, bei denen

§ 50. Vervollkommnung gewisser Partieen des ersten Bandes.
trennende Zwischenstrecke. Hier gelten zunächst alle formalen „Grund-
lagen“ des Gruppenkalkuls, dagegen nicht das volle Distributionsgesetz.
Denn versteht man unter a und b zwei auseinanderliegende (disjunkte)
Strecken und unter c eine innerhalb a + b gelegene, welche z. B. mit
a einen (echten) Teil a c (ihrer selbst), mit b aber nichts gemein hat,
so wird (a + b) c = c, dagegen a c + b c = a c + 0 = a c von c verschieden
ausfallen. — Ich will diese sehr bequeme Exemplifikation nach ihrem
Urheber als den
Beweis 6 von Korselt registriren.

Lässt man nun aber mit Herrn Korselt als „Gebiete“ auch „Aussen-
strecken“ zu, so wird obendrein zwar der Begriff der Negation anwendbar
und jedem Gebiet ein Negat in Gestalt von dessen Ergänzung zur ganzen
Geraden zugeordnet. Auch kann man bei den Definitionen von a b und
a + b den Begriff des „grössten“ oder „kleinsten“ Gebietes beibehalten in
dem Sinne, dass jedes unendliche Gebiet, also jede Aussenstrecke für „grösser“
erklärt wird, als jedes endliche Gebiet, d. i. jede Innenstrecke, dass ferner
von zwei Aussenstrecken diejenige als grösser gilt, die von der ganzen Ge-
raden das kleinere Innenstück übrig lässt. Wie leicht zu sehen, trifft dann
die zweite Subsumtion des Distributionsgesetzes häufig nicht zu. Allein es
gelten auch schon die beiden oben erwähnten Teilsubsumtionen (3)' nicht
mehr allgemein, und überdies wird sowol a b als a + b in gewissen Fällen
zweideutig, — in solchen nämlich, wo a eine Innenstrecke, b eine Aussenstrecke
vorstellt und die Endpunkte der einen zu denen der andern bezw. deren
Mitte symmetrisch liegen.

Um die vorliegende Gruppe von Vervollkommnungsbestrebungen
zum Abschluss zu bringen, liegt es mir endlich noch ob, über eine
Bemerkung von Herrn Korselt zu berichten, die mir von ihm brieflich
zu diesem Zwecke vorgelegt wurde und die Frage betrifft, ob nicht bei
Aufstellung der Grundlagen des identischen Kalkuls die zeitweilige Preis-
gebung des Dualismus
, wie sie in unserer sechsten Vorlesung, Bd. 1 § 12
sich aufgedrängt, vermieden werden könne. Es handelt sich darum,
unser „drittes“ Prinzip, das ich in dualistischer Hinsicht unsymmetrisch als
III×. (b c = 0) {a (b + c) a b + a c}
formulirt habe, zu ersetzen durch ein symmetrisches, mit dessen Hülfe
sich dann ebenfalls das volle Distributionsgesetz beweisen liesse, —
und zwar ohne Argumentiren auf Individuen oder Punkte unserer
Punktgebiete.

Diese letztere Einschränkung, (welche Herr Korselt nicht durchweg
berücksichtigt, so dass ich nur von einem Teile seiner Mitteilungen Gebrauch
machen kann), ist unerlässlich, wenn die Beweisführungen überhaupt in den
Lehrgang unseres Bd. 1 passen sollen. (Vollends Beweisführungen, bei denen

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[421/0065] § 50. Vervollkommnung gewisser Partieen des ersten Bandes. trennende Zwischenstrecke. Hier gelten zunächst alle formalen „Grund- lagen“ des Gruppenkalkuls, dagegen nicht das volle Distributionsgesetz. Denn versteht man unter a und b zwei auseinanderliegende (disjunkte) Strecken und unter c eine innerhalb a + b gelegene, welche z. B. mit a einen (echten) Teil a c (ihrer selbst), mit b aber nichts gemein hat, so wird (a + b) c = c, dagegen a c + b c = a c + 0 = a c von c verschieden ausfallen. — Ich will diese sehr bequeme Exemplifikation nach ihrem Urheber als den Beweis 6 von Korselt registriren. Lässt man nun aber mit Herrn Korselt als „Gebiete“ auch „Aussen- strecken“ zu, so wird obendrein zwar der Begriff der Negation anwendbar und jedem Gebiet ein Negat in Gestalt von dessen Ergänzung zur ganzen Geraden zugeordnet. Auch kann man bei den Definitionen von a b und a + b den Begriff des „grössten“ oder „kleinsten“ Gebietes beibehalten in dem Sinne, dass jedes unendliche Gebiet, also jede Aussenstrecke für „grösser“ erklärt wird, als jedes endliche Gebiet, d. i. jede Innenstrecke, dass ferner von zwei Aussenstrecken diejenige als grösser gilt, die von der ganzen Ge- raden das kleinere Innenstück übrig lässt. Wie leicht zu sehen, trifft dann die zweite Subsumtion des Distributionsgesetzes häufig nicht zu. Allein es gelten auch schon die beiden oben erwähnten Teilsubsumtionen (3)' nicht mehr allgemein, und überdies wird sowol a b als a + b in gewissen Fällen zweideutig, — in solchen nämlich, wo a eine Innenstrecke, b eine Aussenstrecke vorstellt und die Endpunkte der einen zu denen der andern bezw. deren Mitte symmetrisch liegen. Um die vorliegende Gruppe von Vervollkommnungsbestrebungen zum Abschluss zu bringen, liegt es mir endlich noch ob, über eine Bemerkung von Herrn Korselt zu berichten, die mir von ihm brieflich zu diesem Zwecke vorgelegt wurde und die Frage betrifft, ob nicht bei Aufstellung der Grundlagen des identischen Kalkuls die zeitweilige Preis- gebung des Dualismus, wie sie in unserer sechsten Vorlesung, Bd. 1 § 12 sich aufgedrängt, vermieden werden könne. Es handelt sich darum, unser „drittes“ Prinzip, das ich in dualistischer Hinsicht unsymmetrisch als III×. (b c = 0) {a (b + c) a b + a c} formulirt habe, zu ersetzen durch ein symmetrisches, mit dessen Hülfe sich dann ebenfalls das volle Distributionsgesetz beweisen liesse, — und zwar ohne Argumentiren auf Individuen oder Punkte unserer Punktgebiete. Diese letztere Einschränkung, (welche Herr Korselt nicht durchweg berücksichtigt, so dass ich nur von einem Teile seiner Mitteilungen Gebrauch machen kann), ist unerlässlich, wenn die Beweisführungen überhaupt in den Lehrgang unseres Bd. 1 passen sollen. (Vollends Beweisführungen, bei denen

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Zitationshilfe: Schröder, Ernst: Vorlesungen über die Algebra der Logik. Bd. 2, Abt. 2. Leipzig, 1905, S. 421. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schroeder_logik0202_1905/65>, abgerufen am 29.04.2024.