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Semper, Karl: Die Philippinen und ihre Bewohner. Sechs Skizzen. Würzburg, 1869.

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sie gegen ihre Pfarrkinder fast allein die doppelte Pflicht zu haben glaubten, sie in ihren Streitigkeiten mit den weltlichen Behörden so viel als möglich zu schützen und sie ausser in der Doctrin allenfalls noch im Schreiben und im Lesen der von der Kirche gestatteten Bücher zu unterrichten. Auf der anderen Seite wurde es nie einem Eingebornen gestattet, sich über die Classe der niedrigsten Civilbeamten emporzuschwingen. Nur ungerne bedienten sich die Oberen der Mönchsorden der einheimischen Priester, und es gehört zu den seltensten Ausnahmen, wenn sich ein dem Clero secular angehörender Eingeborner bedeutenden Einfluss erringen konnte. Alle höheren Beamtenstellen der Militär- wie Civil-Verwaltung wurden von Spanien aus mit Spaniern besetzt. Häufig wurden zu Gouverneuren und den höchsten Beamten der Colonie politisch missliebige Personen genommen, deren sich die Regierung in Madrid zeitweilig entledigen1 wollte, häufiger noch sah man in den Stellen Sinecuren, welche zur Belohnung treuer Diener geschaffen und vertheilt wurden. Die Habsucht der Beamten förderte man, anstatt sie zu hindern, indem man ihnen früher einen Antheil an dem Monopol des Handels von Acapulco, später in den Provinzen die Erlaubniss gab, auf eigne Rechnung Handel treiben zu dürfen. Diese Erlaubniss war für manche Gouverneure gleichbedeutend mit dem Monopol des Handels in ihrer Provinz. So spiegelt sich denn natürlich in dem Wechsel, welchen die spanische Verwaltung des Landes im Laufe der Zeit erfahren hat, immer nur der Umschwung in der öffentlichen Meinung des Mutterlandes wieder. Die spanischen Revolutionen des neunzehnten Jahrhunderts blieben dagegen gänzlich ohne Einfluss auf die Stimmung der Bewohner der Philippinen; wohl aber zeigt sich überall, wenigstens im materiellen Leben derselben, ein mehr oder weniger direkter Einfluss der Eroberer auf die unterworfenen Stämme. Wir wollen einige der hervorragendsten Aeusserungen dieser Einwirkung hier näher untersuchen.

Im ersten Anfang der Eroberung liess man die 3 Classen der malaiischen Periode ziemlich unverändert bestehen. Doch vertauschte man die Namen, und als man die für jene Gegenden sehr complicirte Zusammensetzung der Localbehörden spanischer Städte einführte, musste nothwendiger Weise auch eine allmälige Verschiebung in der socialen Stellung der Bewohner erfolgen. Die

sie gegen ihre Pfarrkinder fast allein die doppelte Pflicht zu haben glaubten, sie in ihren Streitigkeiten mit den weltlichen Behörden so viel als möglich zu schützen und sie ausser in der Doctrin allenfalls noch im Schreiben und im Lesen der von der Kirche gestatteten Bücher zu unterrichten. Auf der anderen Seite wurde es nie einem Eingebornen gestattet, sich über die Classe der niedrigsten Civilbeamten emporzuschwingen. Nur ungerne bedienten sich die Oberen der Mönchsorden der einheimischen Priester, und es gehört zu den seltensten Ausnahmen, wenn sich ein dem Clero secular angehörender Eingeborner bedeutenden Einfluss erringen konnte. Alle höheren Beamtenstellen der Militär- wie Civil-Verwaltung wurden von Spanien aus mit Spaniern besetzt. Häufig wurden zu Gouverneuren und den höchsten Beamten der Colonie politisch missliebige Personen genommen, deren sich die Regierung in Madrid zeitweilig entledigen1 wollte, häufiger noch sah man in den Stellen Sinecuren, welche zur Belohnung treuer Diener geschaffen und vertheilt wurden. Die Habsucht der Beamten förderte man, anstatt sie zu hindern, indem man ihnen früher einen Antheil an dem Monopol des Handels von Acapulco, später in den Provinzen die Erlaubniss gab, auf eigne Rechnung Handel treiben zu dürfen. Diese Erlaubniss war für manche Gouverneure gleichbedeutend mit dem Monopol des Handels in ihrer Provinz. So spiegelt sich denn natürlich in dem Wechsel, welchen die spanische Verwaltung des Landes im Laufe der Zeit erfahren hat, immer nur der Umschwung in der öffentlichen Meinung des Mutterlandes wieder. Die spanischen Revolutionen des neunzehnten Jahrhunderts blieben dagegen gänzlich ohne Einfluss auf die Stimmung der Bewohner der Philippinen; wohl aber zeigt sich überall, wenigstens im materiellen Leben derselben, ein mehr oder weniger direkter Einfluss der Eroberer auf die unterworfenen Stämme. Wir wollen einige der hervorragendsten Aeusserungen dieser Einwirkung hier näher untersuchen.

Im ersten Anfang der Eroberung liess man die 3 Classen der malaiischen Periode ziemlich unverändert bestehen. Doch vertauschte man die Namen, und als man die für jene Gegenden sehr complicirte Zusammensetzung der Localbehörden spanischer Städte einführte, musste nothwendiger Weise auch eine allmälige Verschiebung in der socialen Stellung der Bewohner erfolgen. Die

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Zitationshilfe: Semper, Karl: Die Philippinen und ihre Bewohner. Sechs Skizzen. Würzburg, 1869, S. 80. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/semper_philippinen_1869/80>, abgerufen am 26.04.2024.