Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Sievers, Johann August Carl: Briefe aus Sibirien. St. Petersburg, 1796.

Bild:
<< vorherige Seite

aus Sibirien.
bewaldeten Gebirgen umgeben war, so daß man, wie in
einem Thurme, nur wenig vom Firmament sehen konnte.
Die Bagage befand sich in ledernen Säcken (Tuluni),
dergestalt daß sie nur wenig vom gestrigen abscheulichen
Wetter gelitten hatte. Alles was naß war wurde ge-
trocknet, die Jnstrumente in Stand gesetzt und den 11.
Jun. ließ ich den Anfang mit dem Rhabarbergraben ma-
chen, bey welcher Arbeit ich dann manchmal Muße hatte
botanische Wanderungen zu machen, wovon ich Jhnen
in diesem Briefe Rechenschaft geben will. Der Anfang
sey die Rhabarber selbst. Diese wächst in hiesigen
Gebirgen an den Ufern der Flüsse, im Schiefergerülle
oder im Sande: hat große öfters anderthalb Faden lan-
ge, von der Hauptwurzel ausgehende Nebenäste, und
durchaus saure Blattstiele, die einen kristallisirbaren Saft
haben, und ein wohlschmeckendes gesundes Gemüse ab-
geben. Da ich weitläufiger von der Rhabarber in ei-
nem Briefe an Hrn. Staatsrath und Ritter Pallas, der
im 6ten Theile der nordischen Beyträge gedruckt ist, ge-
sagt habe, so verweise ich meine Leser dahin, und füge nur
hier noch hinzu, daß diejenige Rhabarber, welche in so
hohen, kalten und nassen Gebirgen wächst, in Rücksicht
ihrer mehrentheils sehr schwammigen Wurzeln durchaus
zum Arzeneygebrauch nichts taugt; desto besser aber die
Blattstiele zu einem Versuch, dem Sauerkleesalze ein
ähnliches Salz an die Seite zu setzen. Denn da diese
Rhabarber bey der Versetzung in trocknere Plantagen
ihre Säure nicht verliert, so wäre die Ausführung dieser
Sache nicht so unmöglich.

Da

aus Sibirien.
bewaldeten Gebirgen umgeben war, ſo daß man, wie in
einem Thurme, nur wenig vom Firmament ſehen konnte.
Die Bagage befand ſich in ledernen Saͤcken (Tuluni),
dergeſtalt daß ſie nur wenig vom geſtrigen abſcheulichen
Wetter gelitten hatte. Alles was naß war wurde ge-
trocknet, die Jnſtrumente in Stand geſetzt und den 11.
Jun. ließ ich den Anfang mit dem Rhabarbergraben ma-
chen, bey welcher Arbeit ich dann manchmal Muße hatte
botaniſche Wanderungen zu machen, wovon ich Jhnen
in dieſem Briefe Rechenſchaft geben will. Der Anfang
ſey die Rhabarber ſelbſt. Dieſe waͤchſt in hieſigen
Gebirgen an den Ufern der Fluͤſſe, im Schiefergeruͤlle
oder im Sande: hat große oͤfters anderthalb Faden lan-
ge, von der Hauptwurzel ausgehende Nebenaͤſte, und
durchaus ſaure Blattſtiele, die einen kriſtalliſirbaren Saft
haben, und ein wohlſchmeckendes geſundes Gemuͤſe ab-
geben. Da ich weitlaͤufiger von der Rhabarber in ei-
nem Briefe an Hrn. Staatsrath und Ritter Pallas, der
im 6ten Theile der nordiſchen Beytraͤge gedruckt iſt, ge-
ſagt habe, ſo verweiſe ich meine Leſer dahin, und fuͤge nur
hier noch hinzu, daß diejenige Rhabarber, welche in ſo
hohen, kalten und naſſen Gebirgen waͤchſt, in Ruͤckſicht
ihrer mehrentheils ſehr ſchwammigen Wurzeln durchaus
zum Arzeneygebrauch nichts taugt; deſto beſſer aber die
Blattſtiele zu einem Verſuch, dem Sauerkleeſalze ein
aͤhnliches Salz an die Seite zu ſetzen. Denn da dieſe
Rhabarber bey der Verſetzung in trocknere Plantagen
ihre Saͤure nicht verliert, ſo waͤre die Ausfuͤhrung dieſer
Sache nicht ſo unmoͤglich.

Da
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0067" n="59"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">aus Sibirien.</hi></fw><lb/>
bewaldeten Gebirgen umgeben war, &#x017F;o daß man, wie in<lb/>
einem Thurme, nur wenig vom Firmament &#x017F;ehen konnte.<lb/>
Die Bagage befand &#x017F;ich in ledernen Sa&#x0364;cken (Tuluni),<lb/>
derge&#x017F;talt daß &#x017F;ie nur wenig vom ge&#x017F;trigen ab&#x017F;cheulichen<lb/>
Wetter gelitten hatte. Alles was naß war wurde ge-<lb/>
trocknet, die Jn&#x017F;trumente in Stand ge&#x017F;etzt und den 11.<lb/>
Jun. ließ ich den Anfang mit dem Rhabarbergraben ma-<lb/>
chen, bey welcher Arbeit ich dann manchmal Muße hatte<lb/>
botani&#x017F;che Wanderungen zu machen, wovon ich Jhnen<lb/>
in die&#x017F;em Briefe Rechen&#x017F;chaft geben will. Der Anfang<lb/>
&#x017F;ey die <hi rendition="#fr">Rhabarber</hi> &#x017F;elb&#x017F;t. Die&#x017F;e wa&#x0364;ch&#x017F;t in hie&#x017F;igen<lb/>
Gebirgen an den Ufern der Flu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e, im Schiefergeru&#x0364;lle<lb/>
oder im Sande: hat große o&#x0364;fters anderthalb Faden lan-<lb/>
ge, von der Hauptwurzel ausgehende Nebena&#x0364;&#x017F;te, und<lb/>
durchaus &#x017F;aure Blatt&#x017F;tiele, die einen kri&#x017F;talli&#x017F;irbaren Saft<lb/>
haben, und ein wohl&#x017F;chmeckendes ge&#x017F;undes Gemu&#x0364;&#x017F;e ab-<lb/>
geben. Da ich weitla&#x0364;ufiger von der Rhabarber in ei-<lb/>
nem Briefe an Hrn. Staatsrath und Ritter Pallas, der<lb/>
im 6ten Theile der nordi&#x017F;chen Beytra&#x0364;ge gedruckt i&#x017F;t, ge-<lb/>
&#x017F;agt habe, &#x017F;o verwei&#x017F;e ich meine Le&#x017F;er dahin, und fu&#x0364;ge nur<lb/>
hier noch hinzu, daß diejenige Rhabarber, welche in &#x017F;o<lb/>
hohen, kalten und na&#x017F;&#x017F;en Gebirgen wa&#x0364;ch&#x017F;t, in Ru&#x0364;ck&#x017F;icht<lb/>
ihrer mehrentheils &#x017F;ehr &#x017F;chwammigen Wurzeln durchaus<lb/>
zum Arzeneygebrauch nichts taugt; de&#x017F;to be&#x017F;&#x017F;er aber die<lb/>
Blatt&#x017F;tiele zu einem Ver&#x017F;uch, dem Sauerklee&#x017F;alze ein<lb/>
a&#x0364;hnliches Salz an die Seite zu &#x017F;etzen. Denn da die&#x017F;e<lb/>
Rhabarber bey der Ver&#x017F;etzung in trocknere Plantagen<lb/>
ihre Sa&#x0364;ure nicht verliert, &#x017F;o wa&#x0364;re die Ausfu&#x0364;hrung die&#x017F;er<lb/>
Sache nicht &#x017F;o unmo&#x0364;glich.</p><lb/>
          <fw place="bottom" type="catch">Da</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[59/0067] aus Sibirien. bewaldeten Gebirgen umgeben war, ſo daß man, wie in einem Thurme, nur wenig vom Firmament ſehen konnte. Die Bagage befand ſich in ledernen Saͤcken (Tuluni), dergeſtalt daß ſie nur wenig vom geſtrigen abſcheulichen Wetter gelitten hatte. Alles was naß war wurde ge- trocknet, die Jnſtrumente in Stand geſetzt und den 11. Jun. ließ ich den Anfang mit dem Rhabarbergraben ma- chen, bey welcher Arbeit ich dann manchmal Muße hatte botaniſche Wanderungen zu machen, wovon ich Jhnen in dieſem Briefe Rechenſchaft geben will. Der Anfang ſey die Rhabarber ſelbſt. Dieſe waͤchſt in hieſigen Gebirgen an den Ufern der Fluͤſſe, im Schiefergeruͤlle oder im Sande: hat große oͤfters anderthalb Faden lan- ge, von der Hauptwurzel ausgehende Nebenaͤſte, und durchaus ſaure Blattſtiele, die einen kriſtalliſirbaren Saft haben, und ein wohlſchmeckendes geſundes Gemuͤſe ab- geben. Da ich weitlaͤufiger von der Rhabarber in ei- nem Briefe an Hrn. Staatsrath und Ritter Pallas, der im 6ten Theile der nordiſchen Beytraͤge gedruckt iſt, ge- ſagt habe, ſo verweiſe ich meine Leſer dahin, und fuͤge nur hier noch hinzu, daß diejenige Rhabarber, welche in ſo hohen, kalten und naſſen Gebirgen waͤchſt, in Ruͤckſicht ihrer mehrentheils ſehr ſchwammigen Wurzeln durchaus zum Arzeneygebrauch nichts taugt; deſto beſſer aber die Blattſtiele zu einem Verſuch, dem Sauerkleeſalze ein aͤhnliches Salz an die Seite zu ſetzen. Denn da dieſe Rhabarber bey der Verſetzung in trocknere Plantagen ihre Saͤure nicht verliert, ſo waͤre die Ausfuͤhrung dieſer Sache nicht ſo unmoͤglich. Da

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/siever_briefe_1796
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/siever_briefe_1796/67
Zitationshilfe: Sievers, Johann August Carl: Briefe aus Sibirien. St. Petersburg, 1796, S. 59. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/siever_briefe_1796/67>, abgerufen am 27.04.2024.