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Sievers, Johann August Carl: Briefe aus Sibirien. St. Petersburg, 1796.

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Sievers Briefe

So sind auch die heftigen Stürme merkwürdig, die
öfters urplötzlich, und wenn es eben vorher noch stille
war, aus den tiefen und sehr langen Gebirgthälern mit
dem größten Ungestüm hervorbrechen. Dann gehts über
die Lärichenbäume, die sehr hoch und auf schwachen Füs-
sen stehen, erschrecklich her. Solche Stürme sind im
ganzen Sibirien sehr häufig, nur im Jablonnoi Chre-
bet
nicht lange anhaltend. Auf der andern Seite wie-
derum sind sie, so wie alle etwas starke Winde, wohlthä-
tig; denn so lange sie wehen hat man etwas Ruhe vor
den sehr beschwerlichen stechenden Jnsekten, deren es
hier besonders dreye vorzüglich giebt, nehmlich: 1) Vieh-
bremen (Pauti), welche die Größe einer Biene haben,
aber sehr zärtlich sind, indem sie die geringste Kälte schon
verscheuchet. Wehe dem, der blaue Kleidung hat;
diese scheinen sie besonders zu lieben, denn sie fallen im
Augenblick wie rasend darauf. Die Pferde leiden am
meisten von ihnen, welches besonders an den weißen zu
sehen ist, indem sie sehr bald mit Blut wie übergossen
zu seyn scheinen. Das zweyte Ungeziefer sind die Mü-
cken, (Kamary), diese halten länger aus und sind bey
weitem beschwerlicher. Die dritten sind die kleinen
Stechfliegen (Moschki) ein verdammtes kleines Ge-
schmeiß, was aber nur den Tag aushält, bey Nacht
aber im Morast liegt. Lampyris noctiluca die sich hier
hin und wieder unter dem Gesträuch aufhält, ist desto
unschädlicher. --

Wie man hier auf eine wohlfeile Art und in großer
Menge Harz gewinnen kann, muß ich Jhnen doch auch

erzählen.
Sievers Briefe

So ſind auch die heftigen Stuͤrme merkwuͤrdig, die
oͤfters urploͤtzlich, und wenn es eben vorher noch ſtille
war, aus den tiefen und ſehr langen Gebirgthaͤlern mit
dem groͤßten Ungeſtuͤm hervorbrechen. Dann gehts uͤber
die Laͤrichenbaͤume, die ſehr hoch und auf ſchwachen Fuͤſ-
ſen ſtehen, erſchrecklich her. Solche Stuͤrme ſind im
ganzen Sibirien ſehr haͤufig, nur im Jablonnoi Chre-
bet
nicht lange anhaltend. Auf der andern Seite wie-
derum ſind ſie, ſo wie alle etwas ſtarke Winde, wohlthaͤ-
tig; denn ſo lange ſie wehen hat man etwas Ruhe vor
den ſehr beſchwerlichen ſtechenden Jnſekten, deren es
hier beſonders dreye vorzuͤglich giebt, nehmlich: 1) Vieh-
bremen (Pauti), welche die Groͤße einer Biene haben,
aber ſehr zaͤrtlich ſind, indem ſie die geringſte Kaͤlte ſchon
verſcheuchet. Wehe dem, der blaue Kleidung hat;
dieſe ſcheinen ſie beſonders zu lieben, denn ſie fallen im
Augenblick wie raſend darauf. Die Pferde leiden am
meiſten von ihnen, welches beſonders an den weißen zu
ſehen iſt, indem ſie ſehr bald mit Blut wie uͤbergoſſen
zu ſeyn ſcheinen. Das zweyte Ungeziefer ſind die Muͤ-
cken, (Kamary), dieſe halten laͤnger aus und ſind bey
weitem beſchwerlicher. Die dritten ſind die kleinen
Stechfliegen (Moſchki) ein verdammtes kleines Ge-
ſchmeiß, was aber nur den Tag aushaͤlt, bey Nacht
aber im Moraſt liegt. Lampyris noctiluca die ſich hier
hin und wieder unter dem Geſtraͤuch aufhaͤlt, iſt deſto
unſchaͤdlicher. —

Wie man hier auf eine wohlfeile Art und in großer
Menge Harz gewinnen kann, muß ich Jhnen doch auch

erzaͤhlen.
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[82/0090] Sievers Briefe So ſind auch die heftigen Stuͤrme merkwuͤrdig, die oͤfters urploͤtzlich, und wenn es eben vorher noch ſtille war, aus den tiefen und ſehr langen Gebirgthaͤlern mit dem groͤßten Ungeſtuͤm hervorbrechen. Dann gehts uͤber die Laͤrichenbaͤume, die ſehr hoch und auf ſchwachen Fuͤſ- ſen ſtehen, erſchrecklich her. Solche Stuͤrme ſind im ganzen Sibirien ſehr haͤufig, nur im Jablonnoi Chre- bet nicht lange anhaltend. Auf der andern Seite wie- derum ſind ſie, ſo wie alle etwas ſtarke Winde, wohlthaͤ- tig; denn ſo lange ſie wehen hat man etwas Ruhe vor den ſehr beſchwerlichen ſtechenden Jnſekten, deren es hier beſonders dreye vorzuͤglich giebt, nehmlich: 1) Vieh- bremen (Pauti), welche die Groͤße einer Biene haben, aber ſehr zaͤrtlich ſind, indem ſie die geringſte Kaͤlte ſchon verſcheuchet. Wehe dem, der blaue Kleidung hat; dieſe ſcheinen ſie beſonders zu lieben, denn ſie fallen im Augenblick wie raſend darauf. Die Pferde leiden am meiſten von ihnen, welches beſonders an den weißen zu ſehen iſt, indem ſie ſehr bald mit Blut wie uͤbergoſſen zu ſeyn ſcheinen. Das zweyte Ungeziefer ſind die Muͤ- cken, (Kamary), dieſe halten laͤnger aus und ſind bey weitem beſchwerlicher. Die dritten ſind die kleinen Stechfliegen (Moſchki) ein verdammtes kleines Ge- ſchmeiß, was aber nur den Tag aushaͤlt, bey Nacht aber im Moraſt liegt. Lampyris noctiluca die ſich hier hin und wieder unter dem Geſtraͤuch aufhaͤlt, iſt deſto unſchaͤdlicher. — Wie man hier auf eine wohlfeile Art und in großer Menge Harz gewinnen kann, muß ich Jhnen doch auch erzaͤhlen.

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Zitationshilfe: Sievers, Johann August Carl: Briefe aus Sibirien. St. Petersburg, 1796, S. 82. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/siever_briefe_1796/90>, abgerufen am 27.04.2024.