Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Sievers, Johann August Carl: Briefe aus Sibirien. St. Petersburg, 1796.

Bild:
<< vorherige Seite

aus Sibirien.
gelegt damit Reisende im Fall der Noth Dach und Fach
für Unwetter haben mögen. Jn diesem Fall sind sie an
großen Flüssen, Morästen oder unwegsamen Oertern er-
baut, damit wenn der Wandersmann zu der Zeit reiset,
da entweder der Winter einsetzt oder Abschied nimmt, wo
in beyden Fällen an verschiedenen Orten in Sibirien
durchaus nicht weiter zu kommen ist, ohnerachtet ein
Dorf oder Stadt im Angesicht ist; so kann er in einer
solchen Simowie doch wenigstens bessere Herberge finden,
wie auf dem freyen Felde. Doch, da jetzt Sibirien
reich an Städten und Dörfern ist, so treibt die Noth,
in Winterwohnungen einige Zeit zuzubringen, die Rei-
senden nur dazu etwa am Eißmeer, in den Gegenden
der Mündungen des Jenisei, Lena, Kowyma, Jana,
Jndigirska-Flüsse u. s. w. oder in den unwegsamen Ge-
birgen wo bis jetzt noch lauter nomadische Völker woh-
nen. Eine Simowie ist übrigens bald gebauet indem
sie nur aus über einander gelegten Bäumen aufgeführt
und mit Cortex Laricis bedeckt wird.

Den 21sten September konnte ich endlich diese Ge-
birge verlassen, bey welcher Gelegenheit ich aber den
Weg längst dem Tschikoi-Fluß wählte, als welcher weit
bequemer war, wie ich dieses von den Wildschützen ge-
lernt hatte. Funfzehn Werste von meiner Wohnung
paßirte ich eine große Alpenwiese, in welcher sich sieben
kleine Landseen befanden, die deswegen berühmt sind,
weil, wegen des häufigen Wildes, hier viele Jäger sich
zu allen Zeiten aufhalten. Der Weg, den ich zur Heim-
reise wählte war bey weitem angenehmer, wie der vor-

her
F 5

aus Sibirien.
gelegt damit Reiſende im Fall der Noth Dach und Fach
fuͤr Unwetter haben moͤgen. Jn dieſem Fall ſind ſie an
großen Fluͤſſen, Moraͤſten oder unwegſamen Oertern er-
baut, damit wenn der Wandersmann zu der Zeit reiſet,
da entweder der Winter einſetzt oder Abſchied nimmt, wo
in beyden Faͤllen an verſchiedenen Orten in Sibirien
durchaus nicht weiter zu kommen iſt, ohnerachtet ein
Dorf oder Stadt im Angeſicht iſt; ſo kann er in einer
ſolchen Simowie doch wenigſtens beſſere Herberge finden,
wie auf dem freyen Felde. Doch, da jetzt Sibirien
reich an Staͤdten und Doͤrfern iſt, ſo treibt die Noth,
in Winterwohnungen einige Zeit zuzubringen, die Rei-
ſenden nur dazu etwa am Eißmeer, in den Gegenden
der Muͤndungen des Jeniſei, Lena, Kowyma, Jana,
Jndigirska-Fluͤſſe u. ſ. w. oder in den unwegſamen Ge-
birgen wo bis jetzt noch lauter nomadiſche Voͤlker woh-
nen. Eine Simowie iſt uͤbrigens bald gebauet indem
ſie nur aus uͤber einander gelegten Baͤumen aufgefuͤhrt
und mit Cortex Laricis bedeckt wird.

Den 21ſten September konnte ich endlich dieſe Ge-
birge verlaſſen, bey welcher Gelegenheit ich aber den
Weg laͤngſt dem Tſchikoi-Fluß waͤhlte, als welcher weit
bequemer war, wie ich dieſes von den Wildſchuͤtzen ge-
lernt hatte. Funfzehn Werſte von meiner Wohnung
paßirte ich eine große Alpenwieſe, in welcher ſich ſieben
kleine Landſeen befanden, die deswegen beruͤhmt ſind,
weil, wegen des haͤufigen Wildes, hier viele Jaͤger ſich
zu allen Zeiten aufhalten. Der Weg, den ich zur Heim-
reiſe waͤhlte war bey weitem angenehmer, wie der vor-

her
F 5
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0097" n="89"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">aus Sibirien.</hi></fw><lb/>
gelegt damit Rei&#x017F;ende im Fall der Noth Dach und Fach<lb/>
fu&#x0364;r Unwetter haben mo&#x0364;gen. Jn die&#x017F;em Fall &#x017F;ind &#x017F;ie an<lb/>
großen Flu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en, Mora&#x0364;&#x017F;ten oder unweg&#x017F;amen Oertern er-<lb/>
baut, damit wenn der Wandersmann zu der Zeit rei&#x017F;et,<lb/>
da entweder der Winter ein&#x017F;etzt oder Ab&#x017F;chied nimmt, wo<lb/>
in beyden Fa&#x0364;llen an ver&#x017F;chiedenen Orten in Sibirien<lb/>
durchaus nicht weiter zu kommen i&#x017F;t, ohnerachtet ein<lb/>
Dorf oder Stadt im Ange&#x017F;icht i&#x017F;t; &#x017F;o kann er in einer<lb/>
&#x017F;olchen Simowie doch wenig&#x017F;tens be&#x017F;&#x017F;ere Herberge finden,<lb/>
wie auf dem freyen Felde. Doch, da jetzt Sibirien<lb/>
reich an Sta&#x0364;dten und Do&#x0364;rfern i&#x017F;t, &#x017F;o treibt die Noth,<lb/>
in Winterwohnungen einige Zeit zuzubringen, die Rei-<lb/>
&#x017F;enden nur dazu etwa am Eißmeer, in den Gegenden<lb/>
der Mu&#x0364;ndungen des Jeni&#x017F;ei, Lena, Kowyma, Jana,<lb/>
Jndigirska-Flu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e u. &#x017F;. w. oder in den unweg&#x017F;amen Ge-<lb/>
birgen wo bis jetzt noch lauter nomadi&#x017F;che Vo&#x0364;lker woh-<lb/>
nen. Eine Simowie i&#x017F;t u&#x0364;brigens bald gebauet indem<lb/>
&#x017F;ie nur aus u&#x0364;ber einander gelegten Ba&#x0364;umen aufgefu&#x0364;hrt<lb/>
und mit <hi rendition="#aq">Cortex Laricis</hi> bedeckt wird.</p><lb/>
          <p>Den 21&#x017F;ten September konnte ich endlich die&#x017F;e Ge-<lb/>
birge verla&#x017F;&#x017F;en, bey welcher Gelegenheit ich aber den<lb/>
Weg la&#x0364;ng&#x017F;t dem T&#x017F;chikoi-Fluß wa&#x0364;hlte, als welcher weit<lb/>
bequemer war, wie ich die&#x017F;es von den Wild&#x017F;chu&#x0364;tzen ge-<lb/>
lernt hatte. Funfzehn Wer&#x017F;te von meiner Wohnung<lb/>
paßirte ich eine große Alpenwie&#x017F;e, in welcher &#x017F;ich &#x017F;ieben<lb/>
kleine Land&#x017F;een befanden, die deswegen beru&#x0364;hmt &#x017F;ind,<lb/>
weil, wegen des ha&#x0364;ufigen Wildes, hier viele Ja&#x0364;ger &#x017F;ich<lb/>
zu allen Zeiten aufhalten. Der Weg, den ich zur Heim-<lb/>
rei&#x017F;e wa&#x0364;hlte war bey weitem angenehmer, wie der vor-<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">F 5</fw><fw place="bottom" type="catch">her</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[89/0097] aus Sibirien. gelegt damit Reiſende im Fall der Noth Dach und Fach fuͤr Unwetter haben moͤgen. Jn dieſem Fall ſind ſie an großen Fluͤſſen, Moraͤſten oder unwegſamen Oertern er- baut, damit wenn der Wandersmann zu der Zeit reiſet, da entweder der Winter einſetzt oder Abſchied nimmt, wo in beyden Faͤllen an verſchiedenen Orten in Sibirien durchaus nicht weiter zu kommen iſt, ohnerachtet ein Dorf oder Stadt im Angeſicht iſt; ſo kann er in einer ſolchen Simowie doch wenigſtens beſſere Herberge finden, wie auf dem freyen Felde. Doch, da jetzt Sibirien reich an Staͤdten und Doͤrfern iſt, ſo treibt die Noth, in Winterwohnungen einige Zeit zuzubringen, die Rei- ſenden nur dazu etwa am Eißmeer, in den Gegenden der Muͤndungen des Jeniſei, Lena, Kowyma, Jana, Jndigirska-Fluͤſſe u. ſ. w. oder in den unwegſamen Ge- birgen wo bis jetzt noch lauter nomadiſche Voͤlker woh- nen. Eine Simowie iſt uͤbrigens bald gebauet indem ſie nur aus uͤber einander gelegten Baͤumen aufgefuͤhrt und mit Cortex Laricis bedeckt wird. Den 21ſten September konnte ich endlich dieſe Ge- birge verlaſſen, bey welcher Gelegenheit ich aber den Weg laͤngſt dem Tſchikoi-Fluß waͤhlte, als welcher weit bequemer war, wie ich dieſes von den Wildſchuͤtzen ge- lernt hatte. Funfzehn Werſte von meiner Wohnung paßirte ich eine große Alpenwieſe, in welcher ſich ſieben kleine Landſeen befanden, die deswegen beruͤhmt ſind, weil, wegen des haͤufigen Wildes, hier viele Jaͤger ſich zu allen Zeiten aufhalten. Der Weg, den ich zur Heim- reiſe waͤhlte war bey weitem angenehmer, wie der vor- her F 5

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/siever_briefe_1796
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/siever_briefe_1796/97
Zitationshilfe: Sievers, Johann August Carl: Briefe aus Sibirien. St. Petersburg, 1796, S. 89. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/siever_briefe_1796/97>, abgerufen am 27.04.2024.