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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 3. Halle (Saale), 1702.

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ARTIC. I. DISTINCTIO IV. SECTIO XII.
schrancken bleiben/ und von dem heiligen Geist auff richtigem weg sich führen las-
sen. Wie es dann in solchem stand noch grosse gefahr giebet/ daß man nicht von
etwas schlimmes in irrthum auff etwas noch schlimmeres verfalle/ wie so viel trau-
rige exempel derjenigen zeigen/ welche von dem vorigen irrweg und von dem rechten
weg zugleich abgegangen/ und denen es deswegen besser gewesen wäre/ in der ersten
sinsternüß geblieben zu seyn.

Es gehöret gewißlich eine Göttliche weißheit und liecht des geistes dazu/ das
mittel recht zutreffen/ unter der fleischlichen sicherheit der jenigen/ so sich auff einen
mund-glauben verlassen/ und derer einbildun/ die auff die werckheiligkeit verfallen/
daß man die Evangelische glaubens gerechtigkeit wahrhafftig erkenne und erlange/
also auch unter dem todten buchstaben werck/ derer die von dem Geist nichts wissen
wollen/ und der eingebildeten erleuchtung verführter leute die ausser GOttes wort
ihnen von lauter geist träumen lassen/ damit man an dem wort fest halte/ aber des
heiligen Geistes krafft in demselben suche und finde. Wie viele hingegen fehlen
dieses mittels/ und fallen von einer seite auff die andere zu ihrem und anderer seelen
schaden? Jch sehe solche exempel/ die ich selbs erfahren/ mit betrübnüß an/ erkenne
daraus die gefährlichkeit unserer zeiten/ und list des sich auff unterschiedliche art
verstellenden teuffels/ und seufftze stets: Heilige uns in deiner wahrheit/ dein wort
ist die wahrheit.

Jn übrigen weil ich weiß/ daß mein geliebter freund von lange mit N.N. be-
kant gewesen/ und ihn etwa genauer erkant haben mag als ich/ so bitte/ mir in ver-
trauen etwa part zu geben/ sonderlich was es mit der vorhabenden armuth CHri-
sti bey ihm vor eine bewandnüß habe. Armen CHRJSTJ liebe zu erzei-
gen sind wir alle verbunden/ da wir einige wissen/ ja wir haben sie billich
zu suchen: ob aber alles die armWuth CHRJSTJ zu achten seye/ da einige
bloß und mit unterlassung müglicher arbeit von anderer gutthätigkeit leben/ und
dasselbe/ vor das leben CHRJSTJ halten wolten/ stehe ich sehr an/ ja kan es
nicht begreiffen. Jch urtheile nicht gern/ doch wolte ich auch nicht gern thätlich ei-
nige solche mißbräuche stärcken und billichen. 20. Jan. 1683.

SECT.
Bbbb 3

ARTIC. I. DISTINCTIO IV. SECTIO XII.
ſchrancken bleiben/ und von dem heiligen Geiſt auff richtigem weg ſich fuͤhren laſ-
ſen. Wie es dann in ſolchem ſtand noch groſſe gefahr giebet/ daß man nicht von
etwas ſchlimmes in irrthum auff etwas noch ſchlimmeres verfalle/ wie ſo viel trau-
rige exempel derjenigen zeigen/ welche von dem vorigen irrweg und von dem rechten
weg zugleich abgegangen/ und denen es deswegen beſſer geweſen waͤre/ in der erſten
ſinſternuͤß geblieben zu ſeyn.

Es gehoͤret gewißlich eine Goͤttliche weißheit und liecht des geiſtes dazu/ das
mittel recht zutreffen/ unter der fleiſchlichen ſicherheit der jenigen/ ſo ſich auff einen
mund-glauben verlaſſen/ und derer einbildun/ die auff die weꝛckheiligkeit verfallen/
daß man die Evangeliſche glaubens gerechtigkeit wahrhafftig erkenne und erlange/
alſo auch unter dem todten buchſtaben werck/ derer die von dem Geiſt nichts wiſſen
wollen/ und der eingebildeten erleuchtung verfuͤhrter leute die auſſer GOttes wort
ihnen von lauter geiſt traͤumen laſſen/ damit man an dem wort feſt halte/ aber des
heiligen Geiſtes krafft in demſelben ſuche und finde. Wie viele hingegen fehlen
dieſes mittels/ und fallen von einer ſeite auff die andere zu ihrem und anderer ſeelen
ſchaden? Jch ſehe ſolche exempel/ die ich ſelbs erfahren/ mit betruͤbnuͤß an/ erkenne
daraus die gefaͤhrlichkeit unſerer zeiten/ und liſt des ſich auff unterſchiedliche art
verſtellenden teuffels/ und ſeufftze ſtets: Heilige uns in deiner wahrheit/ dein wort
iſt die wahrheit.

Jn uͤbrigen weil ich weiß/ daß mein geliebter freund von lange mit N.N. be-
kant geweſen/ und ihn etwa genauer erkant haben mag als ich/ ſo bitte/ mir in ver-
trauen etwa part zu geben/ ſonderlich was es mit der vorhabenden armuth CHri-
ſti bey ihm vor eine bewandnuͤß habe. Armen CHRJSTJ liebe zu erzei-
gen ſind wir alle verbunden/ da wir einige wiſſen/ ja wir haben ſie billich
zu ſuchen: ob aber alles die armɯuth CHRJSTJ zu achten ſeye/ da einige
bloß und mit unterlaſſung muͤglicher arbeit von anderer gutthaͤtigkeit leben/ und
daſſelbe/ vor das leben CHRJSTJ halten wolten/ ſtehe ich ſehr an/ ja kan es
nicht begreiffen. Jch urtheile nicht gern/ doch wolte ich auch nicht gern thaͤtlich ei-
nige ſolche mißbraͤuche ſtaͤrcken und billichen. 20. Jan. 1683.

SECT.
Bbbb 3
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[565/0583] ARTIC. I. DISTINCTIO IV. SECTIO XII. ſchrancken bleiben/ und von dem heiligen Geiſt auff richtigem weg ſich fuͤhren laſ- ſen. Wie es dann in ſolchem ſtand noch groſſe gefahr giebet/ daß man nicht von etwas ſchlimmes in irrthum auff etwas noch ſchlimmeres verfalle/ wie ſo viel trau- rige exempel derjenigen zeigen/ welche von dem vorigen irrweg und von dem rechten weg zugleich abgegangen/ und denen es deswegen beſſer geweſen waͤre/ in der erſten ſinſternuͤß geblieben zu ſeyn. Es gehoͤret gewißlich eine Goͤttliche weißheit und liecht des geiſtes dazu/ das mittel recht zutreffen/ unter der fleiſchlichen ſicherheit der jenigen/ ſo ſich auff einen mund-glauben verlaſſen/ und derer einbildun/ die auff die weꝛckheiligkeit verfallen/ daß man die Evangeliſche glaubens gerechtigkeit wahrhafftig erkenne und erlange/ alſo auch unter dem todten buchſtaben werck/ derer die von dem Geiſt nichts wiſſen wollen/ und der eingebildeten erleuchtung verfuͤhrter leute die auſſer GOttes wort ihnen von lauter geiſt traͤumen laſſen/ damit man an dem wort feſt halte/ aber des heiligen Geiſtes krafft in demſelben ſuche und finde. Wie viele hingegen fehlen dieſes mittels/ und fallen von einer ſeite auff die andere zu ihrem und anderer ſeelen ſchaden? Jch ſehe ſolche exempel/ die ich ſelbs erfahren/ mit betruͤbnuͤß an/ erkenne daraus die gefaͤhrlichkeit unſerer zeiten/ und liſt des ſich auff unterſchiedliche art verſtellenden teuffels/ und ſeufftze ſtets: Heilige uns in deiner wahrheit/ dein wort iſt die wahrheit. Jn uͤbrigen weil ich weiß/ daß mein geliebter freund von lange mit N.N. be- kant geweſen/ und ihn etwa genauer erkant haben mag als ich/ ſo bitte/ mir in ver- trauen etwa part zu geben/ ſonderlich was es mit der vorhabenden armuth CHri- ſti bey ihm vor eine bewandnuͤß habe. Armen CHRJSTJ liebe zu erzei- gen ſind wir alle verbunden/ da wir einige wiſſen/ ja wir haben ſie billich zu ſuchen: ob aber alles die armɯuth CHRJSTJ zu achten ſeye/ da einige bloß und mit unterlaſſung muͤglicher arbeit von anderer gutthaͤtigkeit leben/ und daſſelbe/ vor das leben CHRJSTJ halten wolten/ ſtehe ich ſehr an/ ja kan es nicht begreiffen. Jch urtheile nicht gern/ doch wolte ich auch nicht gern thaͤtlich ei- nige ſolche mißbraͤuche ſtaͤrcken und billichen. 20. Jan. 1683. SECT. Bbbb 3

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 3. Halle (Saale), 1702, S. 565. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken03_1702/583>, abgerufen am 29.04.2024.