Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 2. Berlin, 1861.

Bild:
<< vorherige Seite

mal vernommen, wenn der alte Baron Grenwitz,
der nur ein sehr mittelmäßiger Bostonspieler war,
auf drei Asse zum Mitgang gepaßt, oder sonst durch
seine Zaghaftigkeit verleitet, einen jener horribeln
Fehler begangen hatte, die das Gemüth eines metho¬
dischen Spielers so schmerzlich berühren. Herr von
Barnewitz und seine Gemahlin wechselten im Spiele
ab, damit stets eines von ihnen entweder bei den
Tanzenden oder Spielenden war und sich so jede
Partei gleicher Gunst erfreute. Hortense hatte ur¬
sprünglich den ganzen Ball mitmachen wollen; aber
schon nach den ersten beiden Tänzen ärgerte sie sich
so über die Huldigungen, die ihrer schönen Cousine
von allen Seiten gezollt wurden, daß sie ihrem Ge¬
mahl jenes Arrangement vorschlug, in welches er sich
um so williger schickte, als er trotz seiner Corpulenz
gern und gut tanzte, und auf alle Fälle ein sehr eif¬
riger Bewunderer hübscher Mädchen und Frauen in
Balltoilette war. Und an solchen fehlte es in dem
Saale wahrlich nicht. Es war ein Kranz von lieb¬
lichen und schönen Gestalten, der auch wohl ein sin¬
nigeres Auge, als das des wüsten Edelmannes ent¬
zückt haben würde. Die lieblichste und schönste aber
war nach dem ausgesprochenen oder schweigenden Ur¬
theil aller Herren wenigstens -- die Ansicht der Damen

mal vernommen, wenn der alte Baron Grenwitz,
der nur ein ſehr mittelmäßiger Boſtonſpieler war,
auf drei Aſſe zum Mitgang gepaßt, oder ſonſt durch
ſeine Zaghaftigkeit verleitet, einen jener horribeln
Fehler begangen hatte, die das Gemüth eines metho¬
diſchen Spielers ſo ſchmerzlich berühren. Herr von
Barnewitz und ſeine Gemahlin wechſelten im Spiele
ab, damit ſtets eines von ihnen entweder bei den
Tanzenden oder Spielenden war und ſich ſo jede
Partei gleicher Gunſt erfreute. Hortenſe hatte ur¬
ſprünglich den ganzen Ball mitmachen wollen; aber
ſchon nach den erſten beiden Tänzen ärgerte ſie ſich
ſo über die Huldigungen, die ihrer ſchönen Couſine
von allen Seiten gezollt wurden, daß ſie ihrem Ge¬
mahl jenes Arrangement vorſchlug, in welches er ſich
um ſo williger ſchickte, als er trotz ſeiner Corpulenz
gern und gut tanzte, und auf alle Fälle ein ſehr eif¬
riger Bewunderer hübſcher Mädchen und Frauen in
Balltoilette war. Und an ſolchen fehlte es in dem
Saale wahrlich nicht. Es war ein Kranz von lieb¬
lichen und ſchönen Geſtalten, der auch wohl ein ſin¬
nigeres Auge, als das des wüſten Edelmannes ent¬
zückt haben würde. Die lieblichſte und ſchönſte aber
war nach dem ausgeſprochenen oder ſchweigenden Ur¬
theil aller Herren wenigſtens — die Anſicht der Damen

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0067" n="57"/>
mal vernommen, wenn der alte Baron Grenwitz,<lb/>
der nur ein &#x017F;ehr mittelmäßiger Bo&#x017F;ton&#x017F;pieler war,<lb/>
auf drei A&#x017F;&#x017F;e zum Mitgang gepaßt, oder &#x017F;on&#x017F;t durch<lb/>
&#x017F;eine Zaghaftigkeit verleitet, einen jener horribeln<lb/>
Fehler begangen hatte, die das Gemüth eines metho¬<lb/>
di&#x017F;chen Spielers &#x017F;o &#x017F;chmerzlich berühren. Herr von<lb/>
Barnewitz und &#x017F;eine Gemahlin wech&#x017F;elten im Spiele<lb/>
ab, damit &#x017F;tets eines von ihnen entweder bei den<lb/>
Tanzenden oder Spielenden war und &#x017F;ich &#x017F;o jede<lb/>
Partei gleicher Gun&#x017F;t erfreute. Horten&#x017F;e hatte ur¬<lb/>
&#x017F;prünglich den ganzen Ball mitmachen wollen; aber<lb/>
&#x017F;chon nach den er&#x017F;ten beiden Tänzen ärgerte &#x017F;ie &#x017F;ich<lb/>
&#x017F;o über die Huldigungen, die ihrer &#x017F;chönen Cou&#x017F;ine<lb/>
von allen Seiten gezollt wurden, daß &#x017F;ie ihrem Ge¬<lb/>
mahl jenes Arrangement vor&#x017F;chlug, in welches er &#x017F;ich<lb/>
um &#x017F;o williger &#x017F;chickte, als er trotz &#x017F;einer Corpulenz<lb/>
gern und gut tanzte, und auf alle Fälle ein &#x017F;ehr eif¬<lb/>
riger Bewunderer hüb&#x017F;cher Mädchen und Frauen in<lb/>
Balltoilette war. Und an &#x017F;olchen fehlte es in dem<lb/>
Saale wahrlich nicht. Es war ein Kranz von lieb¬<lb/>
lichen und &#x017F;chönen Ge&#x017F;talten, der auch wohl ein &#x017F;in¬<lb/>
nigeres Auge, als das des wü&#x017F;ten Edelmannes ent¬<lb/>
zückt haben würde. Die lieblich&#x017F;te und &#x017F;chön&#x017F;te aber<lb/>
war nach dem ausge&#x017F;prochenen oder &#x017F;chweigenden Ur¬<lb/>
theil aller Herren wenig&#x017F;tens &#x2014; die An&#x017F;icht der Damen<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[57/0067] mal vernommen, wenn der alte Baron Grenwitz, der nur ein ſehr mittelmäßiger Boſtonſpieler war, auf drei Aſſe zum Mitgang gepaßt, oder ſonſt durch ſeine Zaghaftigkeit verleitet, einen jener horribeln Fehler begangen hatte, die das Gemüth eines metho¬ diſchen Spielers ſo ſchmerzlich berühren. Herr von Barnewitz und ſeine Gemahlin wechſelten im Spiele ab, damit ſtets eines von ihnen entweder bei den Tanzenden oder Spielenden war und ſich ſo jede Partei gleicher Gunſt erfreute. Hortenſe hatte ur¬ ſprünglich den ganzen Ball mitmachen wollen; aber ſchon nach den erſten beiden Tänzen ärgerte ſie ſich ſo über die Huldigungen, die ihrer ſchönen Couſine von allen Seiten gezollt wurden, daß ſie ihrem Ge¬ mahl jenes Arrangement vorſchlug, in welches er ſich um ſo williger ſchickte, als er trotz ſeiner Corpulenz gern und gut tanzte, und auf alle Fälle ein ſehr eif¬ riger Bewunderer hübſcher Mädchen und Frauen in Balltoilette war. Und an ſolchen fehlte es in dem Saale wahrlich nicht. Es war ein Kranz von lieb¬ lichen und ſchönen Geſtalten, der auch wohl ein ſin¬ nigeres Auge, als das des wüſten Edelmannes ent¬ zückt haben würde. Die lieblichſte und ſchönſte aber war nach dem ausgeſprochenen oder ſchweigenden Ur¬ theil aller Herren wenigſtens — die Anſicht der Damen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/spielhagen_problematische02_1861
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/spielhagen_problematische02_1861/67
Zitationshilfe: Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 2. Berlin, 1861, S. 57. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spielhagen_problematische02_1861/67>, abgerufen am 29.03.2024.