Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Spiess, Christian Heinrich: Biographien der Wahnsinnigen. Bd. 4. Leipzig, 1796.

Bild:
<< vorherige Seite

ließ das Grab der Unglücklichen mit einem
Leichensteine zieren, und zahlte den trauern-
den Eltern die zweihundert Thaler bis an ih-
ren Tod.

Zwanzig lange Jahre nachher, als der
Körper des redlichen Fürsten schon in der
Gruft seiner Väter schlummerte, langte am
Rathhause der Stadt eine sogenannte Bettel-
fuhre an. Ein Sterbender ächzte darinne auf
einem Bunde Stroh. Die Schriften, welche
der Fuhrmann dem Rathe überreichte, über-
zeugten den leztern sogleich, daß der Ster-
bende der undankbare, treulose Wilhelm sei.
Er war als ein Bettler im benachbarten Lande
an der Strasse krank gefunden, und gemäß
seiner Aussage, nach seinem Geburtsorte zur
nöthigen Versorgung abgesandt worden. Wie
man ihn nach dem Spitale tragen wollte, hatte
er seinen fürchterlichen Todeskampf schon vol-
lendet, er ward auf dem Gottesacker des

ließ das Grab der Ungluͤcklichen mit einem
Leichenſteine zieren, und zahlte den trauern-
den Eltern die zweihundert Thaler bis an ih-
ren Tod.

Zwanzig lange Jahre nachher, als der
Koͤrper des redlichen Fuͤrſten ſchon in der
Gruft ſeiner Vaͤter ſchlummerte, langte am
Rathhauſe der Stadt eine ſogenannte Bettel-
fuhre an. Ein Sterbender aͤchzte darinne auf
einem Bunde Stroh. Die Schriften, welche
der Fuhrmann dem Rathe uͤberreichte, uͤber-
zeugten den leztern ſogleich, daß der Ster-
bende der undankbare, treuloſe Wilhelm ſei.
Er war als ein Bettler im benachbarten Lande
an der Straſſe krank gefunden, und gemaͤß
ſeiner Auſſage, nach ſeinem Geburtsorte zur
noͤthigen Verſorgung abgeſandt worden. Wie
man ihn nach dem Spitale tragen wollte, hatte
er ſeinen fuͤrchterlichen Todeskampf ſchon vol-
lendet, er ward auf dem Gottesacker des

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0069" n="59"/>
ließ das Grab der Unglu&#x0364;cklichen mit einem<lb/>
Leichen&#x017F;teine zieren, und zahlte den trauern-<lb/>
den Eltern die zweihundert Thaler bis an ih-<lb/>
ren Tod.</p><lb/>
        <p>Zwanzig lange Jahre nachher, als der<lb/>
Ko&#x0364;rper des redlichen Fu&#x0364;r&#x017F;ten &#x017F;chon in der<lb/>
Gruft &#x017F;einer Va&#x0364;ter &#x017F;chlummerte, langte am<lb/>
Rathhau&#x017F;e der Stadt eine &#x017F;ogenannte Bettel-<lb/>
fuhre an. Ein Sterbender a&#x0364;chzte darinne auf<lb/>
einem Bunde Stroh. Die Schriften, welche<lb/>
der Fuhrmann dem Rathe u&#x0364;berreichte, u&#x0364;ber-<lb/>
zeugten den leztern &#x017F;ogleich, daß der Ster-<lb/>
bende der undankbare, treulo&#x017F;e Wilhelm &#x017F;ei.<lb/>
Er war als ein Bettler im benachbarten Lande<lb/>
an der Stra&#x017F;&#x017F;e krank gefunden, und gema&#x0364;ß<lb/>
&#x017F;einer Au&#x017F;&#x017F;age, nach &#x017F;einem Geburtsorte zur<lb/>
no&#x0364;thigen Ver&#x017F;orgung abge&#x017F;andt worden. Wie<lb/>
man ihn nach dem Spitale tragen wollte, hatte<lb/>
er &#x017F;einen fu&#x0364;rchterlichen Todeskampf &#x017F;chon vol-<lb/>
lendet, er ward auf dem Gottesacker des<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[59/0069] ließ das Grab der Ungluͤcklichen mit einem Leichenſteine zieren, und zahlte den trauern- den Eltern die zweihundert Thaler bis an ih- ren Tod. Zwanzig lange Jahre nachher, als der Koͤrper des redlichen Fuͤrſten ſchon in der Gruft ſeiner Vaͤter ſchlummerte, langte am Rathhauſe der Stadt eine ſogenannte Bettel- fuhre an. Ein Sterbender aͤchzte darinne auf einem Bunde Stroh. Die Schriften, welche der Fuhrmann dem Rathe uͤberreichte, uͤber- zeugten den leztern ſogleich, daß der Ster- bende der undankbare, treuloſe Wilhelm ſei. Er war als ein Bettler im benachbarten Lande an der Straſſe krank gefunden, und gemaͤß ſeiner Auſſage, nach ſeinem Geburtsorte zur noͤthigen Verſorgung abgeſandt worden. Wie man ihn nach dem Spitale tragen wollte, hatte er ſeinen fuͤrchterlichen Todeskampf ſchon vol- lendet, er ward auf dem Gottesacker des

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/spiess_biographien04_1796
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/spiess_biographien04_1796/69
Zitationshilfe: Spiess, Christian Heinrich: Biographien der Wahnsinnigen. Bd. 4. Leipzig, 1796, S. 59. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spiess_biographien04_1796/69>, abgerufen am 01.05.2024.