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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 2 (2,1). Stuttgart, 1866.

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aber dabei schließen sie sich noch an die Kirche an, und halten daher
den Grundsatz fest, daß diese Register von den Geistlichen geführt
werden. Allein das administrative Moment erscheint dann in zwei
Punkten als durchgreifend. Erstlich wird von der weltlichen Gesetz-
gebung genau der Inhalt der Register vorgeschrieben, und zweitens
wird die Führung selbst unter die Oberaufsicht der Verwaltungs-
beamteten gestellt. So ist schon jetzt die Grundlage der Standesregister
gegeben und das ist eben die Form, die wir als die (polizeilich vorge-
schriebenen) Geburts- und Todtenregister bezeichnet haben. Allein sie
bilden noch einen Uebergang; denn in ihnen sind eigentlich die Kirchen-
bücher und Standesregister vermischt; jene Register sind beides zu-
gleich
, und zwar darum, weil die Grundlage der Führung dieser
Register noch immer der kirchliche Akt der Taufe und Trauung ist.
Bereits aber paßt der Name "Kirchenbücher" nicht recht mehr; denn
diese Register werden ja auch von Religionskörpern geführt, die nicht
als "Kirche" gelten, wie von Juden u. s. w. Man nimmt daher schon
andere Namen an, wie "Matriken" (Oesterreich), Todten- und Geburts-
listen oder -Register u. s. w., bis endlich die Scheidung zwischen den
alten Kirchenbüchern und den neuen Registern sich wesentlich in unserm
Jahrhundert vollzieht, und zwar zunächst in England und in Frank-
reich, und damit die administrative Epoche erfüllt.

Diese Scheidung nun beruht darauf, daß die Führung der Re-
gister zu einer amtlichen Aufgabe gemacht, den Geistlichen entzogen
und als ein rein administrativer Akt hingestellt wird. Das hing in
England mit dem Armenwesen zusammen, in Frankreich mit dem neuen
Eherecht, das sich von der Confession ganz frei macht, das kirchliche
Element dem subjektiven Ermessen überläßt, und die Ehe als bürger-
lichen Vertrag auffaßt. Dabei wird die Registrirung zu einem rein
amtlichen Akt, und das Register zu einer öffentlichen Urkunde, welche
vollkommen Glaubwürdigkeit besitzt und Beweis liefert, daher auch vor
Zeugen aufgenommen wird und den kirchlichen Charakter ganz ver-
liert. Jene drei Thatsachen erscheinen daher jetzt auch nur als bür-
gerliche
, sie haben nur Bezug auf bürgerliches Recht, und heißen
daher jetzt in dieser Scheidung Civilstands- oder Standesregister.
Daneben
können die eigentlichen Kirchenbücher fortbestehen, und be-
stehen fort, wie in England; in andern Ländern bleiben die Kirchen-
bücher als ausschließliche Form der Standesregister, wie in Oesterreich;
allein allenthalben gilt der administrative Charakter, wenn er auch,
wie in mehreren kleinen deutschen Staaten, nur noch wenig ausgebildet
ist. -- Damit ist Inhalt und Princip der zweiten Epoche, die in der
Scheidung von Kirchenbüchern und Standesregistern culminiren, gegeben.

aber dabei ſchließen ſie ſich noch an die Kirche an, und halten daher
den Grundſatz feſt, daß dieſe Regiſter von den Geiſtlichen geführt
werden. Allein das adminiſtrative Moment erſcheint dann in zwei
Punkten als durchgreifend. Erſtlich wird von der weltlichen Geſetz-
gebung genau der Inhalt der Regiſter vorgeſchrieben, und zweitens
wird die Führung ſelbſt unter die Oberaufſicht der Verwaltungs-
beamteten geſtellt. So iſt ſchon jetzt die Grundlage der Standesregiſter
gegeben und das iſt eben die Form, die wir als die (polizeilich vorge-
ſchriebenen) Geburts- und Todtenregiſter bezeichnet haben. Allein ſie
bilden noch einen Uebergang; denn in ihnen ſind eigentlich die Kirchen-
bücher und Standesregiſter vermiſcht; jene Regiſter ſind beides zu-
gleich
, und zwar darum, weil die Grundlage der Führung dieſer
Regiſter noch immer der kirchliche Akt der Taufe und Trauung iſt.
Bereits aber paßt der Name „Kirchenbücher“ nicht recht mehr; denn
dieſe Regiſter werden ja auch von Religionskörpern geführt, die nicht
als „Kirche“ gelten, wie von Juden u. ſ. w. Man nimmt daher ſchon
andere Namen an, wie „Matriken“ (Oeſterreich), Todten- und Geburts-
liſten oder -Regiſter u. ſ. w., bis endlich die Scheidung zwiſchen den
alten Kirchenbüchern und den neuen Regiſtern ſich weſentlich in unſerm
Jahrhundert vollzieht, und zwar zunächſt in England und in Frank-
reich, und damit die adminiſtrative Epoche erfüllt.

Dieſe Scheidung nun beruht darauf, daß die Führung der Re-
giſter zu einer amtlichen Aufgabe gemacht, den Geiſtlichen entzogen
und als ein rein adminiſtrativer Akt hingeſtellt wird. Das hing in
England mit dem Armenweſen zuſammen, in Frankreich mit dem neuen
Eherecht, das ſich von der Confeſſion ganz frei macht, das kirchliche
Element dem ſubjektiven Ermeſſen überläßt, und die Ehe als bürger-
lichen Vertrag auffaßt. Dabei wird die Regiſtrirung zu einem rein
amtlichen Akt, und das Regiſter zu einer öffentlichen Urkunde, welche
vollkommen Glaubwürdigkeit beſitzt und Beweis liefert, daher auch vor
Zeugen aufgenommen wird und den kirchlichen Charakter ganz ver-
liert. Jene drei Thatſachen erſcheinen daher jetzt auch nur als bür-
gerliche
, ſie haben nur Bezug auf bürgerliches Recht, und heißen
daher jetzt in dieſer Scheidung Civilſtands- oder Standesregiſter.
Daneben
können die eigentlichen Kirchenbücher fortbeſtehen, und be-
ſtehen fort, wie in England; in andern Ländern bleiben die Kirchen-
bücher als ausſchließliche Form der Standesregiſter, wie in Oeſterreich;
allein allenthalben gilt der adminiſtrative Charakter, wenn er auch,
wie in mehreren kleinen deutſchen Staaten, nur noch wenig ausgebildet
iſt. — Damit iſt Inhalt und Princip der zweiten Epoche, die in der
Scheidung von Kirchenbüchern und Standesregiſtern culminiren, gegeben.

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[236/0258] aber dabei ſchließen ſie ſich noch an die Kirche an, und halten daher den Grundſatz feſt, daß dieſe Regiſter von den Geiſtlichen geführt werden. Allein das adminiſtrative Moment erſcheint dann in zwei Punkten als durchgreifend. Erſtlich wird von der weltlichen Geſetz- gebung genau der Inhalt der Regiſter vorgeſchrieben, und zweitens wird die Führung ſelbſt unter die Oberaufſicht der Verwaltungs- beamteten geſtellt. So iſt ſchon jetzt die Grundlage der Standesregiſter gegeben und das iſt eben die Form, die wir als die (polizeilich vorge- ſchriebenen) Geburts- und Todtenregiſter bezeichnet haben. Allein ſie bilden noch einen Uebergang; denn in ihnen ſind eigentlich die Kirchen- bücher und Standesregiſter vermiſcht; jene Regiſter ſind beides zu- gleich, und zwar darum, weil die Grundlage der Führung dieſer Regiſter noch immer der kirchliche Akt der Taufe und Trauung iſt. Bereits aber paßt der Name „Kirchenbücher“ nicht recht mehr; denn dieſe Regiſter werden ja auch von Religionskörpern geführt, die nicht als „Kirche“ gelten, wie von Juden u. ſ. w. Man nimmt daher ſchon andere Namen an, wie „Matriken“ (Oeſterreich), Todten- und Geburts- liſten oder -Regiſter u. ſ. w., bis endlich die Scheidung zwiſchen den alten Kirchenbüchern und den neuen Regiſtern ſich weſentlich in unſerm Jahrhundert vollzieht, und zwar zunächſt in England und in Frank- reich, und damit die adminiſtrative Epoche erfüllt. Dieſe Scheidung nun beruht darauf, daß die Führung der Re- giſter zu einer amtlichen Aufgabe gemacht, den Geiſtlichen entzogen und als ein rein adminiſtrativer Akt hingeſtellt wird. Das hing in England mit dem Armenweſen zuſammen, in Frankreich mit dem neuen Eherecht, das ſich von der Confeſſion ganz frei macht, das kirchliche Element dem ſubjektiven Ermeſſen überläßt, und die Ehe als bürger- lichen Vertrag auffaßt. Dabei wird die Regiſtrirung zu einem rein amtlichen Akt, und das Regiſter zu einer öffentlichen Urkunde, welche vollkommen Glaubwürdigkeit beſitzt und Beweis liefert, daher auch vor Zeugen aufgenommen wird und den kirchlichen Charakter ganz ver- liert. Jene drei Thatſachen erſcheinen daher jetzt auch nur als bür- gerliche, ſie haben nur Bezug auf bürgerliches Recht, und heißen daher jetzt in dieſer Scheidung Civilſtands- oder Standesregiſter. Daneben können die eigentlichen Kirchenbücher fortbeſtehen, und be- ſtehen fort, wie in England; in andern Ländern bleiben die Kirchen- bücher als ausſchließliche Form der Standesregiſter, wie in Oeſterreich; allein allenthalben gilt der adminiſtrative Charakter, wenn er auch, wie in mehreren kleinen deutſchen Staaten, nur noch wenig ausgebildet iſt. — Damit iſt Inhalt und Princip der zweiten Epoche, die in der Scheidung von Kirchenbüchern und Standesregiſtern culminiren, gegeben.

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Zitationshilfe: Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 2 (2,1). Stuttgart, 1866, S. 236. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre02_1866/258>, abgerufen am 19.04.2024.