Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 2 (2,1). Stuttgart, 1866.

Bild:
<< vorherige Seite

Geburt Staatsangehörige sind, da haben sie natürlich stets vermöge
dieser Geburt ihre natürliche Heimath (s. unten). Allein sehr oft ist
das nicht der Fall, und alsdann tritt das Verhältniß ein, nach wel-
chem das Indigenat ohne Heimathsrecht dasteht, während es
seine volle Zuständigkeit besitzt. Weiter aber kann dieß auch nur dann
von praktischer Bedeutung werden, wo die Unterstützung auf die
Heimathsgemeinde fällt. Hat entweder der Staat die Armenunter-
stützung überhaupt, oder hat er den Beamten einen Ruhegehalt aus-
gesetzt, so ist allerdings ein Indigenat ohne Heimathsrecht vorhanden,
aber der Mangel des letzteren ist durchaus unpraktisch. Hier ist daher
gar kein Grund, den Betreffenden die Verpflichtung zur Angehörigkeit
an eine Gemeinde als Heimathsgemeinde vorzuschreiben; und eben deß-
halb mangelt eine solche Bestimmung auch fast in allen Staaten. Hat
aber der Staat für die berufenen Beamten keine Pension, oder ruht
die Armenunterstützung auf der Gemeinde, so ist es allerdings vollkom-
men motivirt, vorzuschreiben, daß jeder Staatsangehörige "auch einer
Gemeinde angehören solle," um vermöge des Heimathsrechts der even-
tuellen Armenunterstützung sicher zu sein. Nur muß alsdann der
Staat auch genau vorschreiben, wie das Heimathsrecht in solchem Falle
erworben wird, weil sonst eine gänzliche Lücke im bestehenden Gesetze
eintritt, da hier wirklich ein Indigenat ohne Heimathsrecht eine recht-
lich
vollkommen hülflose Persönlichkeit herstellen würde, sowohl wenn
der Staat einen Beamteten beruft, als wenn er das Indigenat sonst
ertheilt, ohne eine Heimath anzuweisen. -- Wir haben dieß hier ange-
führt, um auf die völlige Unklarheit in den Verfassungen aufmerksam
zu machen, die den doctrinären Satz: "Jeder Staatsbürger muß einer
Gemeinde angehören," aufgenommen haben, ohne über das Indigenat
etwas zu bestimmen, wie Braunschweig (Landesordnung 1832, §. 4),
Hannover (Gesetz vom 3. Sept. 1848, §. 12. Sachsen-Coburg.
Verfassungsurkunde 1852, §. 60). Praktisch ist es dagegen, wenn Würt-
temberg
(Verfassungsurkunde 1819, §. 19) die Zusicherung einer Auf-
nahme in die Gemeinde für die Ertheilung des Indigenats voraussetzt;
dann kann es mit Recht in §. 62 den obigen Satz acceptiren. Altenburg
nimmt gleich die Staatsbeamten aus (Verfassungsurkunde 1831, §. 100);
wie es mit dem Indigenat steht, bleibt unerörtert. Warum hat Zöpfl
den nicht mehr entsprechenden Ausdruck "Landes-Indigenat" beibehalten?
(II. §. 298.) -- Wir glauben, daß das Obige, das eigentlich wie gesagt
der Verfassungslehre angehört, hier genügen wird, einerseits um auf
die gerügten Mängel aufmerksam zu machen, anderseits aber, um nun-
mehr das Bild der Angehörigkeit zu vervollständigen. Und jetzt wird
es, wie es scheint, nicht unzweckmäßig sein, nachdem Begriff, Recht und

Geburt Staatsangehörige ſind, da haben ſie natürlich ſtets vermöge
dieſer Geburt ihre natürliche Heimath (ſ. unten). Allein ſehr oft iſt
das nicht der Fall, und alsdann tritt das Verhältniß ein, nach wel-
chem das Indigenat ohne Heimathsrecht daſteht, während es
ſeine volle Zuſtändigkeit beſitzt. Weiter aber kann dieß auch nur dann
von praktiſcher Bedeutung werden, wo die Unterſtützung auf die
Heimathsgemeinde fällt. Hat entweder der Staat die Armenunter-
ſtützung überhaupt, oder hat er den Beamten einen Ruhegehalt aus-
geſetzt, ſo iſt allerdings ein Indigenat ohne Heimathsrecht vorhanden,
aber der Mangel des letzteren iſt durchaus unpraktiſch. Hier iſt daher
gar kein Grund, den Betreffenden die Verpflichtung zur Angehörigkeit
an eine Gemeinde als Heimathsgemeinde vorzuſchreiben; und eben deß-
halb mangelt eine ſolche Beſtimmung auch faſt in allen Staaten. Hat
aber der Staat für die berufenen Beamten keine Penſion, oder ruht
die Armenunterſtützung auf der Gemeinde, ſo iſt es allerdings vollkom-
men motivirt, vorzuſchreiben, daß jeder Staatsangehörige „auch einer
Gemeinde angehören ſolle,“ um vermöge des Heimathsrechts der even-
tuellen Armenunterſtützung ſicher zu ſein. Nur muß alsdann der
Staat auch genau vorſchreiben, wie das Heimathsrecht in ſolchem Falle
erworben wird, weil ſonſt eine gänzliche Lücke im beſtehenden Geſetze
eintritt, da hier wirklich ein Indigenat ohne Heimathsrecht eine recht-
lich
vollkommen hülfloſe Perſönlichkeit herſtellen würde, ſowohl wenn
der Staat einen Beamteten beruft, als wenn er das Indigenat ſonſt
ertheilt, ohne eine Heimath anzuweiſen. — Wir haben dieß hier ange-
führt, um auf die völlige Unklarheit in den Verfaſſungen aufmerkſam
zu machen, die den doctrinären Satz: „Jeder Staatsbürger muß einer
Gemeinde angehören,“ aufgenommen haben, ohne über das Indigenat
etwas zu beſtimmen, wie Braunſchweig (Landesordnung 1832, §. 4),
Hannover (Geſetz vom 3. Sept. 1848, §. 12. Sachſen-Coburg.
Verfaſſungsurkunde 1852, §. 60). Praktiſch iſt es dagegen, wenn Würt-
temberg
(Verfaſſungsurkunde 1819, §. 19) die Zuſicherung einer Auf-
nahme in die Gemeinde für die Ertheilung des Indigenats vorausſetzt;
dann kann es mit Recht in §. 62 den obigen Satz acceptiren. Altenburg
nimmt gleich die Staatsbeamten aus (Verfaſſungsurkunde 1831, §. 100);
wie es mit dem Indigenat ſteht, bleibt unerörtert. Warum hat Zöpfl
den nicht mehr entſprechenden Ausdruck „Landes-Indigenat“ beibehalten?
(II. §. 298.) — Wir glauben, daß das Obige, das eigentlich wie geſagt
der Verfaſſungslehre angehört, hier genügen wird, einerſeits um auf
die gerügten Mängel aufmerkſam zu machen, anderſeits aber, um nun-
mehr das Bild der Angehörigkeit zu vervollſtändigen. Und jetzt wird
es, wie es ſcheint, nicht unzweckmäßig ſein, nachdem Begriff, Recht und

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <div n="5">
                <div n="6">
                  <div n="7">
                    <p><pb facs="#f0302" n="280"/>
Geburt Staatsangehörige &#x017F;ind, da haben &#x017F;ie natürlich &#x017F;tets vermöge<lb/>
die&#x017F;er Geburt ihre natürliche Heimath (&#x017F;. unten). Allein &#x017F;ehr oft i&#x017F;t<lb/>
das nicht der Fall, und alsdann tritt das Verhältniß ein, nach wel-<lb/>
chem das <hi rendition="#g">Indigenat ohne Heimathsrecht</hi> da&#x017F;teht, während es<lb/>
&#x017F;eine volle Zu&#x017F;tändigkeit be&#x017F;itzt. Weiter aber kann dieß auch nur dann<lb/>
von <hi rendition="#g">prakti&#x017F;cher</hi> Bedeutung werden, wo die Unter&#x017F;tützung auf die<lb/>
Heimathsgemeinde fällt. Hat entweder der <hi rendition="#g">Staat</hi> die Armenunter-<lb/>
&#x017F;tützung überhaupt, oder hat er den Beamten einen Ruhegehalt aus-<lb/>
ge&#x017F;etzt, &#x017F;o i&#x017F;t allerdings ein Indigenat ohne Heimathsrecht vorhanden,<lb/>
aber der Mangel des letzteren i&#x017F;t durchaus unprakti&#x017F;ch. Hier i&#x017F;t daher<lb/><hi rendition="#g">gar kein</hi> Grund, den Betreffenden die Verpflichtung zur Angehörigkeit<lb/>
an eine Gemeinde als Heimathsgemeinde vorzu&#x017F;chreiben; und eben deß-<lb/>
halb mangelt eine &#x017F;olche Be&#x017F;timmung auch fa&#x017F;t in allen Staaten. Hat<lb/>
aber der Staat für die berufenen Beamten keine Pen&#x017F;ion, oder ruht<lb/>
die Armenunter&#x017F;tützung auf der Gemeinde, &#x017F;o i&#x017F;t es allerdings vollkom-<lb/>
men motivirt, vorzu&#x017F;chreiben, daß jeder Staatsangehörige &#x201E;auch einer<lb/>
Gemeinde angehören &#x017F;olle,&#x201C; um vermöge des Heimathsrechts der even-<lb/>
tuellen Armenunter&#x017F;tützung &#x017F;icher zu &#x017F;ein. <hi rendition="#g">Nur muß alsdann</hi> der<lb/>
Staat auch genau vor&#x017F;chreiben, wie das Heimathsrecht in &#x017F;olchem Falle<lb/><hi rendition="#g">erworben</hi> wird, weil &#x017F;on&#x017F;t eine gänzliche Lücke im be&#x017F;tehenden Ge&#x017F;etze<lb/>
eintritt, da <hi rendition="#g">hier</hi> wirklich ein Indigenat ohne Heimathsrecht eine <hi rendition="#g">recht-<lb/>
lich</hi> vollkommen hülflo&#x017F;e Per&#x017F;önlichkeit her&#x017F;tellen würde, &#x017F;owohl wenn<lb/>
der Staat einen Beamteten beruft, als wenn er das Indigenat &#x017F;on&#x017F;t<lb/>
ertheilt, ohne eine Heimath anzuwei&#x017F;en. &#x2014; Wir haben dieß hier ange-<lb/>
führt, um auf die völlige Unklarheit in den Verfa&#x017F;&#x017F;ungen aufmerk&#x017F;am<lb/>
zu machen, die den doctrinären Satz: &#x201E;Jeder Staatsbürger <hi rendition="#g">muß</hi> einer<lb/>
Gemeinde angehören,&#x201C; aufgenommen haben, ohne über das Indigenat<lb/>
etwas zu be&#x017F;timmen, wie <hi rendition="#g">Braun&#x017F;chweig</hi> (Landesordnung 1832, §. 4),<lb/><hi rendition="#g">Hannover</hi> (Ge&#x017F;etz vom 3. Sept. 1848, §. 12. <hi rendition="#g">Sach&#x017F;en-Coburg</hi>.<lb/>
Verfa&#x017F;&#x017F;ungsurkunde 1852, §. 60). Prakti&#x017F;ch i&#x017F;t es dagegen, wenn <hi rendition="#g">Würt-<lb/>
temberg</hi> (Verfa&#x017F;&#x017F;ungsurkunde 1819, §. 19) die Zu&#x017F;icherung einer Auf-<lb/>
nahme in die Gemeinde für die Ertheilung des Indigenats <hi rendition="#g">voraus&#x017F;etzt</hi>;<lb/>
dann kann es mit Recht in §. 62 den obigen Satz acceptiren. <hi rendition="#g">Altenburg</hi><lb/>
nimmt gleich die Staatsbeamten aus (Verfa&#x017F;&#x017F;ungsurkunde 1831, §. 100);<lb/>
wie es mit dem Indigenat &#x017F;teht, bleibt unerörtert. Warum hat <hi rendition="#g">Zöpfl</hi><lb/>
den nicht mehr ent&#x017F;prechenden Ausdruck &#x201E;Landes-Indigenat&#x201C; beibehalten?<lb/>
(<hi rendition="#aq">II.</hi> §. 298.) &#x2014; Wir glauben, daß das Obige, das eigentlich wie ge&#x017F;agt<lb/>
der Verfa&#x017F;&#x017F;ungslehre angehört, hier genügen wird, einer&#x017F;eits um auf<lb/>
die gerügten Mängel aufmerk&#x017F;am zu machen, ander&#x017F;eits aber, um nun-<lb/>
mehr das Bild der Angehörigkeit zu vervoll&#x017F;tändigen. Und jetzt wird<lb/>
es, wie es &#x017F;cheint, nicht unzweckmäßig &#x017F;ein, nachdem Begriff, Recht und<lb/></p>
                  </div>
                </div>
              </div>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[280/0302] Geburt Staatsangehörige ſind, da haben ſie natürlich ſtets vermöge dieſer Geburt ihre natürliche Heimath (ſ. unten). Allein ſehr oft iſt das nicht der Fall, und alsdann tritt das Verhältniß ein, nach wel- chem das Indigenat ohne Heimathsrecht daſteht, während es ſeine volle Zuſtändigkeit beſitzt. Weiter aber kann dieß auch nur dann von praktiſcher Bedeutung werden, wo die Unterſtützung auf die Heimathsgemeinde fällt. Hat entweder der Staat die Armenunter- ſtützung überhaupt, oder hat er den Beamten einen Ruhegehalt aus- geſetzt, ſo iſt allerdings ein Indigenat ohne Heimathsrecht vorhanden, aber der Mangel des letzteren iſt durchaus unpraktiſch. Hier iſt daher gar kein Grund, den Betreffenden die Verpflichtung zur Angehörigkeit an eine Gemeinde als Heimathsgemeinde vorzuſchreiben; und eben deß- halb mangelt eine ſolche Beſtimmung auch faſt in allen Staaten. Hat aber der Staat für die berufenen Beamten keine Penſion, oder ruht die Armenunterſtützung auf der Gemeinde, ſo iſt es allerdings vollkom- men motivirt, vorzuſchreiben, daß jeder Staatsangehörige „auch einer Gemeinde angehören ſolle,“ um vermöge des Heimathsrechts der even- tuellen Armenunterſtützung ſicher zu ſein. Nur muß alsdann der Staat auch genau vorſchreiben, wie das Heimathsrecht in ſolchem Falle erworben wird, weil ſonſt eine gänzliche Lücke im beſtehenden Geſetze eintritt, da hier wirklich ein Indigenat ohne Heimathsrecht eine recht- lich vollkommen hülfloſe Perſönlichkeit herſtellen würde, ſowohl wenn der Staat einen Beamteten beruft, als wenn er das Indigenat ſonſt ertheilt, ohne eine Heimath anzuweiſen. — Wir haben dieß hier ange- führt, um auf die völlige Unklarheit in den Verfaſſungen aufmerkſam zu machen, die den doctrinären Satz: „Jeder Staatsbürger muß einer Gemeinde angehören,“ aufgenommen haben, ohne über das Indigenat etwas zu beſtimmen, wie Braunſchweig (Landesordnung 1832, §. 4), Hannover (Geſetz vom 3. Sept. 1848, §. 12. Sachſen-Coburg. Verfaſſungsurkunde 1852, §. 60). Praktiſch iſt es dagegen, wenn Würt- temberg (Verfaſſungsurkunde 1819, §. 19) die Zuſicherung einer Auf- nahme in die Gemeinde für die Ertheilung des Indigenats vorausſetzt; dann kann es mit Recht in §. 62 den obigen Satz acceptiren. Altenburg nimmt gleich die Staatsbeamten aus (Verfaſſungsurkunde 1831, §. 100); wie es mit dem Indigenat ſteht, bleibt unerörtert. Warum hat Zöpfl den nicht mehr entſprechenden Ausdruck „Landes-Indigenat“ beibehalten? (II. §. 298.) — Wir glauben, daß das Obige, das eigentlich wie geſagt der Verfaſſungslehre angehört, hier genügen wird, einerſeits um auf die gerügten Mängel aufmerkſam zu machen, anderſeits aber, um nun- mehr das Bild der Angehörigkeit zu vervollſtändigen. Und jetzt wird es, wie es ſcheint, nicht unzweckmäßig ſein, nachdem Begriff, Recht und

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre02_1866
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre02_1866/302
Zitationshilfe: Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 2 (2,1). Stuttgart, 1866, S. 280. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre02_1866/302>, abgerufen am 29.04.2024.