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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 4. Stuttgart, 1867.

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bei Verbrechen (Art. 276--282). Die Instruktton für die Depots de
mendicite,
so wie die Organisation ihrer Verwaltung in einem eigenen
Reglement, Decl. des instruct. du M. de l'Interieur. Die "Vagabundage"
wird gerichtlich erklärt, und hat nebst Kerkerstrafe von 2 bis 6 Mo-
naten die Unterstellung unter die polizeiliche Aufsicht von 5 bis 10
Jahren zur Folge. (Code Penal art. 269--271.) Ueber das Ganze
vergl. Laferriere, Dr. administratif I. T. I. Ch. IV. Sehr kurz
ist Batbic, Dr. public et admin. II. p. 345. Eine sehr umfassende
und zugleich mit historischen Angaben versehene Arbeit (speziell über die
Declaration von 1794, S. 20--23) ist die Schrift von Th. Homberg,
De la repression du vagabondage
1862. Freilich bezieht sich diese
Arbeit wesentlich auf Frankreich und hat mehr einen socialen als juri-
stischen Charakter (mesures a prendre von S. 52 ff., nebst Statistik),
enthält aber sehr viel Material für einzelne Fragen.

In Deutschland war die Bettelei und das Vagabundenthum
stets verfolgt; die Unsicherheit des vorigen Jahrhunderts machte nament-
lich gegen das letztere sehr ernste Maßregeln nothwendig. Ueber die
damaligen Zustände, namentlich das Räuberwesen, das keineswegs bloß
eine Fiktion oder gar poetisch war (1799 und 1801, waren in der
Wetterau angeblich zwei Räuberbanden von einigen hundert Mann mit
Infanterie und Cavallerie), sowie über die strengen Gesetze gegen die
Landstreicherei siehe J. H. Berg, deutsches Polizeirecht (Bd. IV. 2. Abth.
Nr. XXXI.) Mit unserem Jahrhundert und der Einführung eines
geordneten Armenwesens tritt allenthalben ein geregelter Zustand ein,
der freilich noch mit einer Unmasse einzelner Vorschriften überdeckt ist.

Oesterreich. Nachdem die Hülfe durch die Verpflichtung zur
regelmäßigen Armenunterstützung anerkannt ist (Verordn. vom 11. Oktober
1783), erscheint die Bettelei im Strafgesetzbuch §. 517 als strafbar.
Die Gemeinde hat die Bettelpolizei. Das Vagabundenthum wird durch
polizeiliche Ablieferung an die Heimath und in die Arbeitshäuser ver-
folgt. Schubwesen und Verfahren dabei Stubenrauch, österreichische
Verwaltungsgesetzkunde §. 338 ff.

Preußen. Auch hier ward der alte Grundsatz der Bestrafung
der Bettelei anerkannt (Gesetz vom 6. Januar 1843) aber zugleich ist
dieser ganze Theil als Armenzuchtpolizei sowohl für die Armen
als die Vagabunden geregelt durch das Gesetz vom 11. Mai 1855. Die
letzteren kann die Landesbehörde (jetzt Landrath) schon nach dem allge-
meinen Landrecht II. 19. 3, 5, in die Zwangsarbeitshäuser abführen
lassen; das Strafgesetzbuch §§. 117--120 bestimmt sogar, daß sie dort
bis zu drei Jahren stationirt werden können. (Siehe das Einzelne bei
Rönne, Staatsrecht II. 336--344; K. v. Schmid, die Polizei-

bei Verbrechen (Art. 276—282). Die Inſtruktton für die Dépots de
mendicité,
ſo wie die Organiſation ihrer Verwaltung in einem eigenen
Reglement, Decl. des instruct. du M. de l’Intérieur. Die „Vagabundage“
wird gerichtlich erklärt, und hat nebſt Kerkerſtrafe von 2 bis 6 Mo-
naten die Unterſtellung unter die polizeiliche Aufſicht von 5 bis 10
Jahren zur Folge. (Code Pénal art. 269—271.) Ueber das Ganze
vergl. Laferrière, Dr. administratif I. T. I. Ch. IV. Sehr kurz
iſt Batbic, Dr. public et admin. II. p. 345. Eine ſehr umfaſſende
und zugleich mit hiſtoriſchen Angaben verſehene Arbeit (ſpeziell über die
Declaration von 1794, S. 20—23) iſt die Schrift von Th. Homberg,
De la repression du vagabondage
1862. Freilich bezieht ſich dieſe
Arbeit weſentlich auf Frankreich und hat mehr einen ſocialen als juri-
ſtiſchen Charakter (mesures à prendre von S. 52 ff., nebſt Statiſtik),
enthält aber ſehr viel Material für einzelne Fragen.

In Deutſchland war die Bettelei und das Vagabundenthum
ſtets verfolgt; die Unſicherheit des vorigen Jahrhunderts machte nament-
lich gegen das letztere ſehr ernſte Maßregeln nothwendig. Ueber die
damaligen Zuſtände, namentlich das Räuberweſen, das keineswegs bloß
eine Fiktion oder gar poetiſch war (1799 und 1801, waren in der
Wetterau angeblich zwei Räuberbanden von einigen hundert Mann mit
Infanterie und Cavallerie), ſowie über die ſtrengen Geſetze gegen die
Landſtreicherei ſiehe J. H. Berg, deutſches Polizeirecht (Bd. IV. 2. Abth.
Nr. XXXI.) Mit unſerem Jahrhundert und der Einführung eines
geordneten Armenweſens tritt allenthalben ein geregelter Zuſtand ein,
der freilich noch mit einer Unmaſſe einzelner Vorſchriften überdeckt iſt.

Oeſterreich. Nachdem die Hülfe durch die Verpflichtung zur
regelmäßigen Armenunterſtützung anerkannt iſt (Verordn. vom 11. Oktober
1783), erſcheint die Bettelei im Strafgeſetzbuch §. 517 als ſtrafbar.
Die Gemeinde hat die Bettelpolizei. Das Vagabundenthum wird durch
polizeiliche Ablieferung an die Heimath und in die Arbeitshäuſer ver-
folgt. Schubweſen und Verfahren dabei Stubenrauch, öſterreichiſche
Verwaltungsgeſetzkunde §. 338 ff.

Preußen. Auch hier ward der alte Grundſatz der Beſtrafung
der Bettelei anerkannt (Geſetz vom 6. Januar 1843) aber zugleich iſt
dieſer ganze Theil als Armenzuchtpolizei ſowohl für die Armen
als die Vagabunden geregelt durch das Geſetz vom 11. Mai 1855. Die
letzteren kann die Landesbehörde (jetzt Landrath) ſchon nach dem allge-
meinen Landrecht II. 19. 3, 5, in die Zwangsarbeitshäuſer abführen
laſſen; das Strafgeſetzbuch §§. 117—120 beſtimmt ſogar, daß ſie dort
bis zu drei Jahren ſtationirt werden können. (Siehe das Einzelne bei
Rönne, Staatsrecht II. 336—344; K. v. Schmid, die Polizei-

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[164/0186] bei Verbrechen (Art. 276—282). Die Inſtruktton für die Dépots de mendicité, ſo wie die Organiſation ihrer Verwaltung in einem eigenen Reglement, Decl. des instruct. du M. de l’Intérieur. Die „Vagabundage“ wird gerichtlich erklärt, und hat nebſt Kerkerſtrafe von 2 bis 6 Mo- naten die Unterſtellung unter die polizeiliche Aufſicht von 5 bis 10 Jahren zur Folge. (Code Pénal art. 269—271.) Ueber das Ganze vergl. Laferrière, Dr. administratif I. T. I. Ch. IV. Sehr kurz iſt Batbic, Dr. public et admin. II. p. 345. Eine ſehr umfaſſende und zugleich mit hiſtoriſchen Angaben verſehene Arbeit (ſpeziell über die Declaration von 1794, S. 20—23) iſt die Schrift von Th. Homberg, De la repression du vagabondage 1862. Freilich bezieht ſich dieſe Arbeit weſentlich auf Frankreich und hat mehr einen ſocialen als juri- ſtiſchen Charakter (mesures à prendre von S. 52 ff., nebſt Statiſtik), enthält aber ſehr viel Material für einzelne Fragen. In Deutſchland war die Bettelei und das Vagabundenthum ſtets verfolgt; die Unſicherheit des vorigen Jahrhunderts machte nament- lich gegen das letztere ſehr ernſte Maßregeln nothwendig. Ueber die damaligen Zuſtände, namentlich das Räuberweſen, das keineswegs bloß eine Fiktion oder gar poetiſch war (1799 und 1801, waren in der Wetterau angeblich zwei Räuberbanden von einigen hundert Mann mit Infanterie und Cavallerie), ſowie über die ſtrengen Geſetze gegen die Landſtreicherei ſiehe J. H. Berg, deutſches Polizeirecht (Bd. IV. 2. Abth. Nr. XXXI.) Mit unſerem Jahrhundert und der Einführung eines geordneten Armenweſens tritt allenthalben ein geregelter Zuſtand ein, der freilich noch mit einer Unmaſſe einzelner Vorſchriften überdeckt iſt. Oeſterreich. Nachdem die Hülfe durch die Verpflichtung zur regelmäßigen Armenunterſtützung anerkannt iſt (Verordn. vom 11. Oktober 1783), erſcheint die Bettelei im Strafgeſetzbuch §. 517 als ſtrafbar. Die Gemeinde hat die Bettelpolizei. Das Vagabundenthum wird durch polizeiliche Ablieferung an die Heimath und in die Arbeitshäuſer ver- folgt. Schubweſen und Verfahren dabei Stubenrauch, öſterreichiſche Verwaltungsgeſetzkunde §. 338 ff. Preußen. Auch hier ward der alte Grundſatz der Beſtrafung der Bettelei anerkannt (Geſetz vom 6. Januar 1843) aber zugleich iſt dieſer ganze Theil als Armenzuchtpolizei ſowohl für die Armen als die Vagabunden geregelt durch das Geſetz vom 11. Mai 1855. Die letzteren kann die Landesbehörde (jetzt Landrath) ſchon nach dem allge- meinen Landrecht II. 19. 3, 5, in die Zwangsarbeitshäuſer abführen laſſen; das Strafgeſetzbuch §§. 117—120 beſtimmt ſogar, daß ſie dort bis zu drei Jahren ſtationirt werden können. (Siehe das Einzelne bei Rönne, Staatsrecht II. 336—344; K. v. Schmid, die Polizei-

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Zitationshilfe: Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 4. Stuttgart, 1867, S. 164. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre04_1867/186>, abgerufen am 30.04.2024.