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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 4. Stuttgart, 1867.

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verwaltung auf dem platten Lande und in Städten, insbesondere in
ihrem Verhältniß zur Strafrechtspflege 2. Aufl. 1866.)

Bayern. Grundlage war bis zum Polizeistrafgesetzbuch das
Mandat, das Bettler- und Vagantenwesen betreffend vom 28. Novbr.
1816, in welchem auch die Hausirgewerbe und ihr Recht aufgenommen
waren. Das neue Polizeistrafgesetzbuch vom (10. November 1861) hat
dann diese Begriffe und Verhältnisse neu bestimmt, die "Arbeitscheine"
(Art. 87), die "Landstreicher" (Art. 88) und den "Bettel" (Art. 89)
juristisch definirt, das unbefugte Gabensammeln hinzugefügt (Art. 91)
und ein Strafsystem aufgestellt (Art. 90), in welchem bei jugendlichen
Personen "das Polizeigericht die Unterbringung in eine Erziehungs-
anstalt" anordnen kann. Das Strafgesetzbuch Art. 76 liegt diesen
Bestimmungen zum Grunde.

Württemberg steht im Ganzen auf demselben Standpunkt. Die
Aufsicht schon in der Landesordnung T. 26. §. 12 ausgesprochen. Ge-
nau organisirt in unserem Jahrhundert. Das Almosengeben sogar ver-
boten 1766. Das Polizeistrafgesetz Art. 20 ff. hat die bisherigen Be-
stimmungen ziemlich zusammengefaßt, nebst dem Ergänzungsgesetz vom
2. Mai 1853; auch hier im Zusammenwirken mit dem Strafgesetzbuche
Art. 198. Strafe: Arrest. Competent ist das Bezirkspolizeiamt, daneben
noch die Bestrafung der zur Armuth führenden Unmäßigkeit nach
dem Polizeistrafgesetzbuch Art. 24 mit Arrest. Confination arbeits-
scheuer Personen (bis 3 Jahre polizeiliche Competenz). Das Vagabunden-
thum in Verbindung mit falschen Documenten nach dem Strafgesetz-
buch Art. 197, beim Rückfalle Art. 196. Sonst polizeiliche Strafe
bis 14 Tage Arrest, nebst Abführung in die "Beschäftigungsanstalt"
als polizeiliche Maßregel. (Mohl, Württembergisches Verwaltungsrecht
S. 374 und 284. G. Roller, Württembergisches Polizeirecht 1856,
§. 40--82.)

Königreich Sachsen. Grundlage ist noch das Mandat vom
9. Juni 1803, an welches sich wegen Einlieferung von Bettlern die
Armenordnung vom 22. Oktober 1840 anschließt. Errichtung von Land-
arbeitshäusern seit 1803 und Organisirung derselben. Einlieferung
jugendlicher Verbrecher in die Correctionsanstalten (Verordn. vom
11. Juli 1839); Schubtransportwesen (Rescript vom 22. April 1842);
ausführlich G. L. Funke, Polizeigesetze und Verordnungen des König-
reichs Sachsen, II. Bd. 1847.

Baden. Die Verhandlungen über das neue Polizeistrafgesetzbuch
bieten sehr viel interessante Gesichtspunkte. Das Polizeistrafgesetzbuch
scheidet die Arbeitsscheu von der Landstreicherei und dem Bettel.
Natürlich ist auch hier die Begriffsbestimmung der ersteren die eigentliche

verwaltung auf dem platten Lande und in Städten, insbeſondere in
ihrem Verhältniß zur Strafrechtspflege 2. Aufl. 1866.)

Bayern. Grundlage war bis zum Polizeiſtrafgeſetzbuch das
Mandat, das Bettler- und Vagantenweſen betreffend vom 28. Novbr.
1816, in welchem auch die Hauſirgewerbe und ihr Recht aufgenommen
waren. Das neue Polizeiſtrafgeſetzbuch vom (10. November 1861) hat
dann dieſe Begriffe und Verhältniſſe neu beſtimmt, die „Arbeitſcheine“
(Art. 87), die „Landſtreicher“ (Art. 88) und den „Bettel“ (Art. 89)
juriſtiſch definirt, das unbefugte Gabenſammeln hinzugefügt (Art. 91)
und ein Strafſyſtem aufgeſtellt (Art. 90), in welchem bei jugendlichen
Perſonen „das Polizeigericht die Unterbringung in eine Erziehungs-
anſtalt“ anordnen kann. Das Strafgeſetzbuch Art. 76 liegt dieſen
Beſtimmungen zum Grunde.

Württemberg ſteht im Ganzen auf demſelben Standpunkt. Die
Aufſicht ſchon in der Landesordnung T. 26. §. 12 ausgeſprochen. Ge-
nau organiſirt in unſerem Jahrhundert. Das Almoſengeben ſogar ver-
boten 1766. Das Polizeiſtrafgeſetz Art. 20 ff. hat die bisherigen Be-
ſtimmungen ziemlich zuſammengefaßt, nebſt dem Ergänzungsgeſetz vom
2. Mai 1853; auch hier im Zuſammenwirken mit dem Strafgeſetzbuche
Art. 198. Strafe: Arreſt. Competent iſt das Bezirkspolizeiamt, daneben
noch die Beſtrafung der zur Armuth führenden Unmäßigkeit nach
dem Polizeiſtrafgeſetzbuch Art. 24 mit Arreſt. Confination arbeits-
ſcheuer Perſonen (bis 3 Jahre polizeiliche Competenz). Das Vagabunden-
thum in Verbindung mit falſchen Documenten nach dem Strafgeſetz-
buch Art. 197, beim Rückfalle Art. 196. Sonſt polizeiliche Strafe
bis 14 Tage Arreſt, nebſt Abführung in die „Beſchäftigungsanſtalt“
als polizeiliche Maßregel. (Mohl, Württembergiſches Verwaltungsrecht
S. 374 und 284. G. Roller, Württembergiſches Polizeirecht 1856,
§. 40—82.)

Königreich Sachſen. Grundlage iſt noch das Mandat vom
9. Juni 1803, an welches ſich wegen Einlieferung von Bettlern die
Armenordnung vom 22. Oktober 1840 anſchließt. Errichtung von Land-
arbeitshäuſern ſeit 1803 und Organiſirung derſelben. Einlieferung
jugendlicher Verbrecher in die Correctionsanſtalten (Verordn. vom
11. Juli 1839); Schubtransportweſen (Reſcript vom 22. April 1842);
ausführlich G. L. Funke, Polizeigeſetze und Verordnungen des König-
reichs Sachſen, II. Bd. 1847.

Baden. Die Verhandlungen über das neue Polizeiſtrafgeſetzbuch
bieten ſehr viel intereſſante Geſichtspunkte. Das Polizeiſtrafgeſetzbuch
ſcheidet die Arbeitsſcheu von der Landſtreicherei und dem Bettel.
Natürlich iſt auch hier die Begriffsbeſtimmung der erſteren die eigentliche

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[165/0187] verwaltung auf dem platten Lande und in Städten, insbeſondere in ihrem Verhältniß zur Strafrechtspflege 2. Aufl. 1866.) Bayern. Grundlage war bis zum Polizeiſtrafgeſetzbuch das Mandat, das Bettler- und Vagantenweſen betreffend vom 28. Novbr. 1816, in welchem auch die Hauſirgewerbe und ihr Recht aufgenommen waren. Das neue Polizeiſtrafgeſetzbuch vom (10. November 1861) hat dann dieſe Begriffe und Verhältniſſe neu beſtimmt, die „Arbeitſcheine“ (Art. 87), die „Landſtreicher“ (Art. 88) und den „Bettel“ (Art. 89) juriſtiſch definirt, das unbefugte Gabenſammeln hinzugefügt (Art. 91) und ein Strafſyſtem aufgeſtellt (Art. 90), in welchem bei jugendlichen Perſonen „das Polizeigericht die Unterbringung in eine Erziehungs- anſtalt“ anordnen kann. Das Strafgeſetzbuch Art. 76 liegt dieſen Beſtimmungen zum Grunde. Württemberg ſteht im Ganzen auf demſelben Standpunkt. Die Aufſicht ſchon in der Landesordnung T. 26. §. 12 ausgeſprochen. Ge- nau organiſirt in unſerem Jahrhundert. Das Almoſengeben ſogar ver- boten 1766. Das Polizeiſtrafgeſetz Art. 20 ff. hat die bisherigen Be- ſtimmungen ziemlich zuſammengefaßt, nebſt dem Ergänzungsgeſetz vom 2. Mai 1853; auch hier im Zuſammenwirken mit dem Strafgeſetzbuche Art. 198. Strafe: Arreſt. Competent iſt das Bezirkspolizeiamt, daneben noch die Beſtrafung der zur Armuth führenden Unmäßigkeit nach dem Polizeiſtrafgeſetzbuch Art. 24 mit Arreſt. Confination arbeits- ſcheuer Perſonen (bis 3 Jahre polizeiliche Competenz). Das Vagabunden- thum in Verbindung mit falſchen Documenten nach dem Strafgeſetz- buch Art. 197, beim Rückfalle Art. 196. Sonſt polizeiliche Strafe bis 14 Tage Arreſt, nebſt Abführung in die „Beſchäftigungsanſtalt“ als polizeiliche Maßregel. (Mohl, Württembergiſches Verwaltungsrecht S. 374 und 284. G. Roller, Württembergiſches Polizeirecht 1856, §. 40—82.) Königreich Sachſen. Grundlage iſt noch das Mandat vom 9. Juni 1803, an welches ſich wegen Einlieferung von Bettlern die Armenordnung vom 22. Oktober 1840 anſchließt. Errichtung von Land- arbeitshäuſern ſeit 1803 und Organiſirung derſelben. Einlieferung jugendlicher Verbrecher in die Correctionsanſtalten (Verordn. vom 11. Juli 1839); Schubtransportweſen (Reſcript vom 22. April 1842); ausführlich G. L. Funke, Polizeigeſetze und Verordnungen des König- reichs Sachſen, II. Bd. 1847. Baden. Die Verhandlungen über das neue Polizeiſtrafgeſetzbuch bieten ſehr viel intereſſante Geſichtspunkte. Das Polizeiſtrafgeſetzbuch ſcheidet die Arbeitsſcheu von der Landſtreicherei und dem Bettel. Natürlich iſt auch hier die Begriffsbeſtimmung der erſteren die eigentliche

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Zitationshilfe: Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 4. Stuttgart, 1867, S. 165. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre04_1867/187>, abgerufen am 30.04.2024.