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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 6. Stuttgart, 1868.

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Städte mit vollem Rechte gegen dieselben, und die Aufgabe der Un-
zuchtspolizei neben der des Strafrechts ist es jetzt, die Prostitution
in jedem einzelnen Falle so viel als möglich zu hindern, sie sanitätisch
zu überwachen und das Uebel zu bessern. Die Ausführung dieser Auf-
gaben ist dabei naturgemäß eine örtliche.


Die Geschichte des Strafrechts, sowohl im Allgemeinen, wie sie
Roßhirt gegeben hat (speziell in Beziehung auf Fleischesverbrechen
Bd. III. S. 79 ff.), als die historischen Daten bei den einzelnen
Criminalisten, wie Mittermaier u. a., theils in den Systemen, theils
in den Commentaren, hat stets das polizeiliche Element mit dem straf-
rechtlichen verschmolzen, und daher die Sache im Grunde anders dar-
gestellt, als sie wirklich war, da die Strafe für Unzucht gar nicht in
der Carolina und Bamberg. Halsgerichtsordnung enthalten ist. Die
Criminalisten aber wollten der unter Umständen und je nach Befinden
strafenden Polizei denn doch einen Rechtstitel geben und behielten dieß
Bestreben bei, auch nachdem die neuen Strafgesetzgebungen die einfache
Unzucht nicht bestraften (jedoch in früherer Zeit mit Ausnahme des
österreichischen Polizeigesetzes über Polizeiübertretungen, in neuerer Zeit
des bayrischen Polizeistrafgesetzbuches Art. 97). Den Standpunkt des
Code Penal (Art. 330) hat eigentlich schon das preußische Landrecht
§. 992 ausgesprochen; das sächsische Gesetzbuch ist weit bestimmter,
indem es auch die gewöhnliche Unzucht als Vergehen strafbar macht,
wenn sie als "Gewerbe" betrieben wird oder "öffentliches Aergerniß"
gibt (Art. 305. 309).

Die Polizeigesetzgebung ist hier ziemlich unbedeutend, wie es
in der Natur der Sache liegt. England hat in neuester Zeit ein
Gesetz über die Zulassung von Disorderly houses in einzelnen See-
städten erlassen (21. 22. Vict. 24). Frankreich überließ die Sache
schon durch organisches Gesetz vom 19--22. Juli 1791 der autorite muni-
cipale
und überwies dann die Polizei der Präfectur (Decret vom 5.
Mai 1855). In Oesterreich sind die betreffenden Bestimmungen in
Stubenrauch, Verwaltungsgesetzkunde Bd. II. S. 424; für Preußen
s. Rönne
Bd. II. S. 343, wo die betreffenden polizeilichen Instruc-
tionen enthalten sind; für Bayern: Pözl, Verwaltungsrecht §. 109;
Württemberg (sehr strenge): Mohl, Verwaltungsrecht §. 219;
Polizeistrafgesetzbuch Art. 52. Die weitläuftige Literatur über die Prosti-
tution wiederholt sich fast immer, im Grunde ohne etwas recht Neues
und speziell ohne etwas polizeilich Praktisches zu sagen. (Vergl. Mohl,
Polizeiwissenschaft I. §. 89.)

Städte mit vollem Rechte gegen dieſelben, und die Aufgabe der Un-
zuchtspolizei neben der des Strafrechts iſt es jetzt, die Proſtitution
in jedem einzelnen Falle ſo viel als möglich zu hindern, ſie ſanitätiſch
zu überwachen und das Uebel zu beſſern. Die Ausführung dieſer Auf-
gaben iſt dabei naturgemäß eine örtliche.


Die Geſchichte des Strafrechts, ſowohl im Allgemeinen, wie ſie
Roßhirt gegeben hat (ſpeziell in Beziehung auf Fleiſchesverbrechen
Bd. III. S. 79 ff.), als die hiſtoriſchen Daten bei den einzelnen
Criminaliſten, wie Mittermaier u. a., theils in den Syſtemen, theils
in den Commentaren, hat ſtets das polizeiliche Element mit dem ſtraf-
rechtlichen verſchmolzen, und daher die Sache im Grunde anders dar-
geſtellt, als ſie wirklich war, da die Strafe für Unzucht gar nicht in
der Carolina und Bamberg. Halsgerichtsordnung enthalten iſt. Die
Criminaliſten aber wollten der unter Umſtänden und je nach Befinden
ſtrafenden Polizei denn doch einen Rechtstitel geben und behielten dieß
Beſtreben bei, auch nachdem die neuen Strafgeſetzgebungen die einfache
Unzucht nicht beſtraften (jedoch in früherer Zeit mit Ausnahme des
öſterreichiſchen Polizeigeſetzes über Polizeiübertretungen, in neuerer Zeit
des bayriſchen Polizeiſtrafgeſetzbuches Art. 97). Den Standpunkt des
Code Pénal (Art. 330) hat eigentlich ſchon das preußiſche Landrecht
§. 992 ausgeſprochen; das ſächſiſche Geſetzbuch iſt weit beſtimmter,
indem es auch die gewöhnliche Unzucht als Vergehen ſtrafbar macht,
wenn ſie als „Gewerbe“ betrieben wird oder „öffentliches Aergerniß“
gibt (Art. 305. 309).

Die Polizeigeſetzgebung iſt hier ziemlich unbedeutend, wie es
in der Natur der Sache liegt. England hat in neueſter Zeit ein
Geſetz über die Zulaſſung von Disorderly houses in einzelnen See-
ſtädten erlaſſen (21. 22. Vict. 24). Frankreich überließ die Sache
ſchon durch organiſches Geſetz vom 19—22. Juli 1791 der autorité muni-
cipale
und überwies dann die Polizei der Präfectur (Decret vom 5.
Mai 1855). In Oeſterreich ſind die betreffenden Beſtimmungen in
Stubenrauch, Verwaltungsgeſetzkunde Bd. II. S. 424; für Preußen
ſ. Rönne
Bd. II. S. 343, wo die betreffenden polizeilichen Inſtruc-
tionen enthalten ſind; für Bayern: Pözl, Verwaltungsrecht §. 109;
Württemberg (ſehr ſtrenge): Mohl, Verwaltungsrecht §. 219;
Polizeiſtrafgeſetzbuch Art. 52. Die weitläuftige Literatur über die Proſti-
tution wiederholt ſich faſt immer, im Grunde ohne etwas recht Neues
und ſpeziell ohne etwas polizeilich Praktiſches zu ſagen. (Vergl. Mohl,
Polizeiwiſſenſchaft I. §. 89.)

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[20/0036] Städte mit vollem Rechte gegen dieſelben, und die Aufgabe der Un- zuchtspolizei neben der des Strafrechts iſt es jetzt, die Proſtitution in jedem einzelnen Falle ſo viel als möglich zu hindern, ſie ſanitätiſch zu überwachen und das Uebel zu beſſern. Die Ausführung dieſer Auf- gaben iſt dabei naturgemäß eine örtliche. Die Geſchichte des Strafrechts, ſowohl im Allgemeinen, wie ſie Roßhirt gegeben hat (ſpeziell in Beziehung auf Fleiſchesverbrechen Bd. III. S. 79 ff.), als die hiſtoriſchen Daten bei den einzelnen Criminaliſten, wie Mittermaier u. a., theils in den Syſtemen, theils in den Commentaren, hat ſtets das polizeiliche Element mit dem ſtraf- rechtlichen verſchmolzen, und daher die Sache im Grunde anders dar- geſtellt, als ſie wirklich war, da die Strafe für Unzucht gar nicht in der Carolina und Bamberg. Halsgerichtsordnung enthalten iſt. Die Criminaliſten aber wollten der unter Umſtänden und je nach Befinden ſtrafenden Polizei denn doch einen Rechtstitel geben und behielten dieß Beſtreben bei, auch nachdem die neuen Strafgeſetzgebungen die einfache Unzucht nicht beſtraften (jedoch in früherer Zeit mit Ausnahme des öſterreichiſchen Polizeigeſetzes über Polizeiübertretungen, in neuerer Zeit des bayriſchen Polizeiſtrafgeſetzbuches Art. 97). Den Standpunkt des Code Pénal (Art. 330) hat eigentlich ſchon das preußiſche Landrecht §. 992 ausgeſprochen; das ſächſiſche Geſetzbuch iſt weit beſtimmter, indem es auch die gewöhnliche Unzucht als Vergehen ſtrafbar macht, wenn ſie als „Gewerbe“ betrieben wird oder „öffentliches Aergerniß“ gibt (Art. 305. 309). Die Polizeigeſetzgebung iſt hier ziemlich unbedeutend, wie es in der Natur der Sache liegt. England hat in neueſter Zeit ein Geſetz über die Zulaſſung von Disorderly houses in einzelnen See- ſtädten erlaſſen (21. 22. Vict. 24). Frankreich überließ die Sache ſchon durch organiſches Geſetz vom 19—22. Juli 1791 der autorité muni- cipale und überwies dann die Polizei der Präfectur (Decret vom 5. Mai 1855). In Oeſterreich ſind die betreffenden Beſtimmungen in Stubenrauch, Verwaltungsgeſetzkunde Bd. II. S. 424; für Preußen ſ. Rönne Bd. II. S. 343, wo die betreffenden polizeilichen Inſtruc- tionen enthalten ſind; für Bayern: Pözl, Verwaltungsrecht §. 109; Württemberg (ſehr ſtrenge): Mohl, Verwaltungsrecht §. 219; Polizeiſtrafgeſetzbuch Art. 52. Die weitläuftige Literatur über die Proſti- tution wiederholt ſich faſt immer, im Grunde ohne etwas recht Neues und ſpeziell ohne etwas polizeilich Praktiſches zu ſagen. (Vergl. Mohl, Polizeiwiſſenſchaft I. §. 89.)

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Zitationshilfe: Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 6. Stuttgart, 1868, S. 20. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre06_1868/36>, abgerufen am 28.04.2024.