Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Steinen, Karl von den: Unter den Naturvölkern Zentral-Brasiliens. Berlin, 1894.

Bild:
<< vorherige Seite

Jagd und Fischfang hatten manche Abwechslung geboten. Nur war das
Fischen nicht so leicht als man denken sollte. Antonio fing sofort nach der
Rückkehr 7 Welse, Pintados, von denen er zu unserm Schmerz ganze 4 an das
Paar Tumayaua und Luchu, und nur 3 an unsere grosse Küche ablieferte, allein die
Soldaten waren nie so glücklich gewesen. Dagegen war allerlei Geflügel ge-
schossen worden, Jakutingas und Jakus zumeist, vorzügliche Enten, ferner ver-
einzelte Exemplare von Joho, Mutum cavallo, Taube, Arara und Papagei. Aus
der Klasse der Vierfüssler: Affe, Reh, ein Tapir, ein Cervo de campo, der wegen
seines Moschusgeruchs verschmäht wurde, und eine Waldkatze. Zweimal hatte
man mehrere Schweine erbeutet, die zweite Lieferung aber war unbrauchbar
geworden, da die Tiere voller "Würmer" steckten und in den Fluss geworfen
werden mussten. Gelegentlich hatte man eine Schildkröte gefunden. "Buscar
mel", Honig suchen, war noch eifriger betrieben worden als die höhere Jagd.
Denn stark meldete sich schon der Hunger nach Süssigkeiten. Die verschiedenen
Arten des Honigs wurden verschieden gewürdigt. Der Bora-Honig hatte einen
süsslich sauren und sehr seifigen Geschmack; trotzdem wusch sich Januario noch
das Wachs mit Wasser aus und genoss die Flüssigkeit von der Farbe des englischen
Senfs mit Behagen. Allgemeinen Anklang fand der Kupimhonig, der den Paraguay-
thee versüsste oder mit Mehl angerührt wurde.

Langsam verflossen die Abende. Mit Schrecken ertappten sich Wilhelm und
Perrot darauf, dass sie mehr von Cuyaba und der Rückreise plauderten als von
der Flussfahrt und ihren Aussichten. Sie spielten verzweifelt Sechsundsechzig und
ärgerten sich über die Verhöhnung in dem unermüdlichen Ruf des "Joao Cortapao"
(Hans, hack Holz, Caprimulgus albicollis), dem der Brasilier auch die Worte
unterlegt: "manha eu vou" = morgen gehe ich. Sie lauschten der sechstönigen
Skala des flötenden Urutau, einer Nachtschwalbe (Nyctibius aethereus), und
dem weniger wohllautenden Schrei einer Reiherart, des Sokoboi, der an die
Stimme des Jaguars erinnern soll. Der Vergleich wurde aber, als sich auch
das Geknurr der grossen Katze selbst hören liess, nicht zutreffend gefunden. Zu
diesem Klagetönen aus dem Wald drangen aus den Zelten noch die näselnden
Gesänge der Soldaten hervor, die sich einen "Coxo" (spr. Koscho), die primitive
Violine des Sertanejo, geschnitzt hatten.

Die Frage, ob das Lager näher an das Bakairidorf hinabverlegt werden
könnte, war endgültig verneint worden. Am 9. September, dem Tage nach
meiner Abreise, waren Wilhelm und Perrot zu einer Rekognoszierung aufge-
brochen, von der sie am 12. September ohne Ergebnis zurückkehrten. Sie
hatten auf der linken Seite des Flusses im Norden und Nordnordosten nur dichten
von Schlinggewächs und Dornen erfüllten Chapadao cerrado angetroffen, dann
den Fluss gekreuzt und auf der rechten Seite nur einige kleine Strecken gefunden,
wo die Tiere zur Not hätten vorrücken können. Sie kamen abgehetzt und müde
nach Hause. Feroz, dem besten der fünf Hunde, hätte der Ausflug beinahe
das Leben gekostet; man hörte ihn plötzlich laut und klagend heulen, sprang

6*

Jagd und Fischfang hatten manche Abwechslung geboten. Nur war das
Fischen nicht so leicht als man denken sollte. Antonio fing sofort nach der
Rückkehr 7 Welse, Pintados, von denen er zu unserm Schmerz ganze 4 an das
Paar Tumayaua und Luchu, und nur 3 an unsere grosse Küche ablieferte, allein die
Soldaten waren nie so glücklich gewesen. Dagegen war allerlei Geflügel ge-
schossen worden, Jakutingas und Jakús zumeist, vorzügliche Enten, ferner ver-
einzelte Exemplare von Johó, Mutum cavallo, Taube, Arara und Papagei. Aus
der Klasse der Vierfüssler: Affe, Reh, ein Tapir, ein Cervo de campo, der wegen
seines Moschusgeruchs verschmäht wurde, und eine Waldkatze. Zweimal hatte
man mehrere Schweine erbeutet, die zweite Lieferung aber war unbrauchbar
geworden, da die Tiere voller »Würmer« steckten und in den Fluss geworfen
werden mussten. Gelegentlich hatte man eine Schildkröte gefunden. »Buscar
mel«, Honig suchen, war noch eifriger betrieben worden als die höhere Jagd.
Denn stark meldete sich schon der Hunger nach Süssigkeiten. Die verschiedenen
Arten des Honigs wurden verschieden gewürdigt. Der Bora-Honig hatte einen
süsslich sauren und sehr seifigen Geschmack; trotzdem wusch sich Januario noch
das Wachs mit Wasser aus und genoss die Flüssigkeit von der Farbe des englischen
Senfs mit Behagen. Allgemeinen Anklang fand der Kupimhonig, der den Paraguay-
thee versüsste oder mit Mehl angerührt wurde.

Langsam verflossen die Abende. Mit Schrecken ertappten sich Wilhelm und
Perrot darauf, dass sie mehr von Cuyabá und der Rückreise plauderten als von
der Flussfahrt und ihren Aussichten. Sie spielten verzweifelt Sechsundsechzig und
ärgerten sich über die Verhöhnung in dem unermüdlichen Ruf des »João Cortapáo«
(Hans, hack Holz, Caprimulgus albicollis), dem der Brasilier auch die Worte
unterlegt: »manhã eu vou« = morgen gehe ich. Sie lauschten der sechstönigen
Skala des flötenden Urutau, einer Nachtschwalbe (Nyctibius aethereus), und
dem weniger wohllautenden Schrei einer Reiherart, des Sokoboi, der an die
Stimme des Jaguars erinnern soll. Der Vergleich wurde aber, als sich auch
das Geknurr der grossen Katze selbst hören liess, nicht zutreffend gefunden. Zu
diesem Klagetönen aus dem Wald drangen aus den Zelten noch die näselnden
Gesänge der Soldaten hervor, die sich einen »Côxo« (spr. Koscho), die primitive
Violine des Sertanejo, geschnitzt hatten.

Die Frage, ob das Lager näher an das Bakaïrídorf hinabverlegt werden
könnte, war endgültig verneint worden. Am 9. September, dem Tage nach
meiner Abreise, waren Wilhelm und Perrot zu einer Rekognoszierung aufge-
brochen, von der sie am 12. September ohne Ergebnis zurückkehrten. Sie
hatten auf der linken Seite des Flusses im Norden und Nordnordosten nur dichten
von Schlinggewächs und Dornen erfüllten Chapadão cerrado angetroffen, dann
den Fluss gekreuzt und auf der rechten Seite nur einige kleine Strecken gefunden,
wo die Tiere zur Not hätten vorrücken können. Sie kamen abgehetzt und müde
nach Hause. Feroz, dem besten der fünf Hunde, hätte der Ausflug beinahe
das Leben gekostet; man hörte ihn plötzlich laut und klagend heulen, sprang

6*
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0113" n="83"/>
          <p>Jagd und Fischfang hatten manche Abwechslung geboten. Nur war das<lb/>
Fischen nicht so leicht als man denken sollte. Antonio fing sofort nach der<lb/>
Rückkehr 7 Welse, Pintados, von denen er zu unserm Schmerz ganze 4 an das<lb/>
Paar Tumayaua und Luchu, und nur 3 an unsere grosse Küche ablieferte, allein die<lb/>
Soldaten waren nie so glücklich gewesen. Dagegen war allerlei Geflügel ge-<lb/>
schossen worden, Jakutingas und Jakús zumeist, vorzügliche Enten, ferner ver-<lb/>
einzelte Exemplare von Johó, Mutum cavallo, Taube, Arara und Papagei. Aus<lb/>
der Klasse der Vierfüssler: Affe, Reh, ein Tapir, ein Cervo de campo, der wegen<lb/>
seines Moschusgeruchs verschmäht wurde, und eine Waldkatze. Zweimal hatte<lb/>
man mehrere Schweine erbeutet, die zweite Lieferung aber war unbrauchbar<lb/>
geworden, da die Tiere voller »Würmer« steckten und in den Fluss geworfen<lb/>
werden mussten. Gelegentlich hatte man eine Schildkröte gefunden. »Buscar<lb/>
mel«, Honig suchen, war noch eifriger betrieben worden als die höhere Jagd.<lb/>
Denn stark meldete sich schon der Hunger nach Süssigkeiten. Die verschiedenen<lb/>
Arten des Honigs wurden verschieden gewürdigt. Der Bora-Honig hatte einen<lb/>
süsslich sauren und sehr seifigen Geschmack; trotzdem wusch sich Januario noch<lb/>
das Wachs mit Wasser aus und genoss die Flüssigkeit von der Farbe des englischen<lb/>
Senfs mit Behagen. Allgemeinen Anklang fand der Kupimhonig, der den Paraguay-<lb/>
thee versüsste oder mit Mehl angerührt wurde.</p><lb/>
          <p>Langsam verflossen die Abende. Mit Schrecken ertappten sich Wilhelm und<lb/>
Perrot darauf, dass sie mehr von Cuyabá und der Rückreise plauderten als von<lb/>
der Flussfahrt und ihren Aussichten. Sie spielten verzweifelt Sechsundsechzig und<lb/>
ärgerten sich über die Verhöhnung in dem unermüdlichen Ruf des »João Cortapáo«<lb/>
(Hans, hack Holz, Caprimulgus albicollis), dem der Brasilier auch die Worte<lb/>
unterlegt: »manhã eu vou« = <hi rendition="#g">morgen gehe ich</hi>. Sie lauschten der sechstönigen<lb/>
Skala des flötenden Urutau, einer Nachtschwalbe (Nyctibius aethereus), und<lb/>
dem weniger wohllautenden Schrei einer Reiherart, des Sokoboi, der an die<lb/>
Stimme des Jaguars erinnern soll. Der Vergleich wurde aber, als sich auch<lb/>
das Geknurr der grossen Katze selbst hören liess, nicht zutreffend gefunden. Zu<lb/>
diesem Klagetönen aus dem Wald drangen aus den Zelten noch die näselnden<lb/>
Gesänge der Soldaten hervor, die sich einen »Côxo« (spr. Koscho), die primitive<lb/>
Violine des Sertanejo, geschnitzt hatten.</p><lb/>
          <p>Die Frage, ob das Lager näher an das Bakaïrídorf hinabverlegt werden<lb/>
könnte, war endgültig verneint worden. Am 9. September, dem Tage nach<lb/>
meiner Abreise, waren Wilhelm und Perrot zu einer Rekognoszierung aufge-<lb/>
brochen, von der sie am 12. September ohne Ergebnis zurückkehrten. Sie<lb/>
hatten auf der linken Seite des Flusses im Norden und Nordnordosten nur dichten<lb/>
von Schlinggewächs und Dornen erfüllten Chapadão cerrado angetroffen, dann<lb/>
den Fluss gekreuzt und auf der rechten Seite nur einige kleine Strecken gefunden,<lb/>
wo die Tiere zur Not hätten vorrücken können. Sie kamen abgehetzt und müde<lb/>
nach Hause. Feroz, dem besten der fünf Hunde, hätte der Ausflug beinahe<lb/>
das Leben gekostet; man hörte ihn plötzlich laut und klagend heulen, sprang<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">6*</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[83/0113] Jagd und Fischfang hatten manche Abwechslung geboten. Nur war das Fischen nicht so leicht als man denken sollte. Antonio fing sofort nach der Rückkehr 7 Welse, Pintados, von denen er zu unserm Schmerz ganze 4 an das Paar Tumayaua und Luchu, und nur 3 an unsere grosse Küche ablieferte, allein die Soldaten waren nie so glücklich gewesen. Dagegen war allerlei Geflügel ge- schossen worden, Jakutingas und Jakús zumeist, vorzügliche Enten, ferner ver- einzelte Exemplare von Johó, Mutum cavallo, Taube, Arara und Papagei. Aus der Klasse der Vierfüssler: Affe, Reh, ein Tapir, ein Cervo de campo, der wegen seines Moschusgeruchs verschmäht wurde, und eine Waldkatze. Zweimal hatte man mehrere Schweine erbeutet, die zweite Lieferung aber war unbrauchbar geworden, da die Tiere voller »Würmer« steckten und in den Fluss geworfen werden mussten. Gelegentlich hatte man eine Schildkröte gefunden. »Buscar mel«, Honig suchen, war noch eifriger betrieben worden als die höhere Jagd. Denn stark meldete sich schon der Hunger nach Süssigkeiten. Die verschiedenen Arten des Honigs wurden verschieden gewürdigt. Der Bora-Honig hatte einen süsslich sauren und sehr seifigen Geschmack; trotzdem wusch sich Januario noch das Wachs mit Wasser aus und genoss die Flüssigkeit von der Farbe des englischen Senfs mit Behagen. Allgemeinen Anklang fand der Kupimhonig, der den Paraguay- thee versüsste oder mit Mehl angerührt wurde. Langsam verflossen die Abende. Mit Schrecken ertappten sich Wilhelm und Perrot darauf, dass sie mehr von Cuyabá und der Rückreise plauderten als von der Flussfahrt und ihren Aussichten. Sie spielten verzweifelt Sechsundsechzig und ärgerten sich über die Verhöhnung in dem unermüdlichen Ruf des »João Cortapáo« (Hans, hack Holz, Caprimulgus albicollis), dem der Brasilier auch die Worte unterlegt: »manhã eu vou« = morgen gehe ich. Sie lauschten der sechstönigen Skala des flötenden Urutau, einer Nachtschwalbe (Nyctibius aethereus), und dem weniger wohllautenden Schrei einer Reiherart, des Sokoboi, der an die Stimme des Jaguars erinnern soll. Der Vergleich wurde aber, als sich auch das Geknurr der grossen Katze selbst hören liess, nicht zutreffend gefunden. Zu diesem Klagetönen aus dem Wald drangen aus den Zelten noch die näselnden Gesänge der Soldaten hervor, die sich einen »Côxo« (spr. Koscho), die primitive Violine des Sertanejo, geschnitzt hatten. Die Frage, ob das Lager näher an das Bakaïrídorf hinabverlegt werden könnte, war endgültig verneint worden. Am 9. September, dem Tage nach meiner Abreise, waren Wilhelm und Perrot zu einer Rekognoszierung aufge- brochen, von der sie am 12. September ohne Ergebnis zurückkehrten. Sie hatten auf der linken Seite des Flusses im Norden und Nordnordosten nur dichten von Schlinggewächs und Dornen erfüllten Chapadão cerrado angetroffen, dann den Fluss gekreuzt und auf der rechten Seite nur einige kleine Strecken gefunden, wo die Tiere zur Not hätten vorrücken können. Sie kamen abgehetzt und müde nach Hause. Feroz, dem besten der fünf Hunde, hätte der Ausflug beinahe das Leben gekostet; man hörte ihn plötzlich laut und klagend heulen, sprang 6*

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/steinen_naturvoelker_1894
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/steinen_naturvoelker_1894/113
Zitationshilfe: Steinen, Karl von den: Unter den Naturvölkern Zentral-Brasiliens. Berlin, 1894, S. 83. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/steinen_naturvoelker_1894/113>, abgerufen am 26.04.2024.