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Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 3. Pesth, 1857.

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sprechen; aber wenn sie mir auf dem Gange begeg¬
nete, wenn sie mir in dem Zimmer der Mutter einige
Worte sagen konnte, wenn in der Menge das Geschick
uns an einander vorüberführte, oder wenn uns ein
anderer günstiger Augenblick gegeben war: dann sag¬
ten mir ihre schönen Augen, dann sagten einige Worte,
wie sehr wir uns liebten, wie unveränderlich diese
Liebe sei, und wie unbegrenzt unsere Seelen einander
beherrschten. Sie wurde jezt auch von andern Leuten
bemerkt, und junge Männer richteten ihre Augen auf
sie; aber wenn man ihr entgegen kam, wenn ihr ge¬
huldigt wurde, wenn man sie in einer Familie feierte:
so war sie ganz ruhig gegen diese Dinge, sezte ihnen
gar keine Äußerung entgegen, und ihr engelschönes
Wesen sagte mir, es sagte es nur von mir verstanden,
daß sie mit ihrer wundervollen Gestalt mit der Wärme
ihrer Seele und dem Glanz ihres Aufblühens nur
mich beglücke, und daß es ihr Wonne mache, mich
beglücken zu können. Oft, wenn ich von weiten Gän¬
gen in der Stadt zurückkehrte, und zu dem Hause
kam, in welche wir wohnten, blieb ich stehen, und
betrachtete das Haus. Es war merkwürdiger es
war gefeit worden vor den Häusern der Stadt,
und mit Rührung sah ich auf die Mauern, innerhalb

ſprechen; aber wenn ſie mir auf dem Gange begeg¬
nete, wenn ſie mir in dem Zimmer der Mutter einige
Worte ſagen konnte, wenn in der Menge das Geſchick
uns an einander vorüberführte, oder wenn uns ein
anderer günſtiger Augenblick gegeben war: dann ſag¬
ten mir ihre ſchönen Augen, dann ſagten einige Worte,
wie ſehr wir uns liebten, wie unveränderlich dieſe
Liebe ſei, und wie unbegrenzt unſere Seelen einander
beherrſchten. Sie wurde jezt auch von andern Leuten
bemerkt, und junge Männer richteten ihre Augen auf
ſie; aber wenn man ihr entgegen kam, wenn ihr ge¬
huldigt wurde, wenn man ſie in einer Familie feierte:
ſo war ſie ganz ruhig gegen dieſe Dinge, ſezte ihnen
gar keine Äußerung entgegen, und ihr engelſchönes
Weſen ſagte mir, es ſagte es nur von mir verſtanden,
daß ſie mit ihrer wundervollen Geſtalt mit der Wärme
ihrer Seele und dem Glanz ihres Aufblühens nur
mich beglücke, und daß es ihr Wonne mache, mich
beglücken zu können. Oft, wenn ich von weiten Gän¬
gen in der Stadt zurückkehrte, und zu dem Hauſe
kam, in welche wir wohnten, blieb ich ſtehen, und
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[301/0315] ſprechen; aber wenn ſie mir auf dem Gange begeg¬ nete, wenn ſie mir in dem Zimmer der Mutter einige Worte ſagen konnte, wenn in der Menge das Geſchick uns an einander vorüberführte, oder wenn uns ein anderer günſtiger Augenblick gegeben war: dann ſag¬ ten mir ihre ſchönen Augen, dann ſagten einige Worte, wie ſehr wir uns liebten, wie unveränderlich dieſe Liebe ſei, und wie unbegrenzt unſere Seelen einander beherrſchten. Sie wurde jezt auch von andern Leuten bemerkt, und junge Männer richteten ihre Augen auf ſie; aber wenn man ihr entgegen kam, wenn ihr ge¬ huldigt wurde, wenn man ſie in einer Familie feierte: ſo war ſie ganz ruhig gegen dieſe Dinge, ſezte ihnen gar keine Äußerung entgegen, und ihr engelſchönes Weſen ſagte mir, es ſagte es nur von mir verſtanden, daß ſie mit ihrer wundervollen Geſtalt mit der Wärme ihrer Seele und dem Glanz ihres Aufblühens nur mich beglücke, und daß es ihr Wonne mache, mich beglücken zu können. Oft, wenn ich von weiten Gän¬ gen in der Stadt zurückkehrte, und zu dem Hauſe kam, in welche wir wohnten, blieb ich ſtehen, und betrachtete das Haus. Es war merkwürdiger es war gefeit worden vor den Häuſern der Stadt, und mit Rührung ſah ich auf die Mauern, innerhalb

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Zitationshilfe: Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 3. Pesth, 1857, S. 301. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer03_1857/315>, abgerufen am 29.04.2024.