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Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 3. Pesth, 1857.

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Mädchen aus ansehnlicheren Häusern geschlossen,
welche dann zu glücklichem und ehrenvollem Familien¬
leben führen. Mathilde mußte jezt ein und zwanzig
oder zwei und zwanzig Jahre alt sein. Irgend eine
Annäherung ihrer Eltern an mich hatte nicht statt
gefunden, auch konnte ich nicht die geringsten Merk¬
male auffinden, wie unermüdlich ich auch suchte, daß
sie sich nach mir erkundigt hätten. Ich konnte also
unmittelbare Schritte zur Annäherung an sie nicht
thun. Ich leitete also solche mittelbar ein, welche sie
auf die gewisseste Art von der Unwandelbarkeit meiner
Neigung überzeugten. Ich erhielt die unzweideutig¬
sten Beweise zurück, daß mich Mathilde verachte. Zu
einer Verehelichung, wozu ihres Reichthums und
ihrer unbeschreiblichen Schönheit willen sich die glän¬
zendsten Anträge fanden, konnte sie nicht gebracht
werden. Mit tiefem schwerem Ernste breitete ich nun
das Bahrtuch der Bestattung über die heiligsten Ge¬
fühle meines Lebens."

"Ich will euch nicht mit dem behelligen, wie es
mir weiter in meiner Staatslaufbahn erging. Es ge¬
hört nicht hieher, und ist euch wohl im Wesentlichen
bekannt. Die Kriege brachen aus, ich wurde abwech¬
selnd zu verschiedenen Stellen versezt, große um¬

Mädchen aus anſehnlicheren Häuſern geſchloſſen,
welche dann zu glücklichem und ehrenvollem Familien¬
leben führen. Mathilde mußte jezt ein und zwanzig
oder zwei und zwanzig Jahre alt ſein. Irgend eine
Annäherung ihrer Eltern an mich hatte nicht ſtatt
gefunden, auch konnte ich nicht die geringſten Merk¬
male auffinden, wie unermüdlich ich auch ſuchte, daß
ſie ſich nach mir erkundigt hätten. Ich konnte alſo
unmittelbare Schritte zur Annäherung an ſie nicht
thun. Ich leitete alſo ſolche mittelbar ein, welche ſie
auf die gewiſſeſte Art von der Unwandelbarkeit meiner
Neigung überzeugten. Ich erhielt die unzweideutig¬
ſten Beweiſe zurück, daß mich Mathilde verachte. Zu
einer Verehelichung, wozu ihres Reichthums und
ihrer unbeſchreiblichen Schönheit willen ſich die glän¬
zendſten Anträge fanden, konnte ſie nicht gebracht
werden. Mit tiefem ſchwerem Ernſte breitete ich nun
das Bahrtuch der Beſtattung über die heiligſten Ge¬
fühle meines Lebens.“

„Ich will euch nicht mit dem behelligen, wie es
mir weiter in meiner Staatslaufbahn erging. Es ge¬
hört nicht hieher, und iſt euch wohl im Weſentlichen
bekannt. Die Kriege brachen aus, ich wurde abwech¬
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[333/0347] Mädchen aus anſehnlicheren Häuſern geſchloſſen, welche dann zu glücklichem und ehrenvollem Familien¬ leben führen. Mathilde mußte jezt ein und zwanzig oder zwei und zwanzig Jahre alt ſein. Irgend eine Annäherung ihrer Eltern an mich hatte nicht ſtatt gefunden, auch konnte ich nicht die geringſten Merk¬ male auffinden, wie unermüdlich ich auch ſuchte, daß ſie ſich nach mir erkundigt hätten. Ich konnte alſo unmittelbare Schritte zur Annäherung an ſie nicht thun. Ich leitete alſo ſolche mittelbar ein, welche ſie auf die gewiſſeſte Art von der Unwandelbarkeit meiner Neigung überzeugten. Ich erhielt die unzweideutig¬ ſten Beweiſe zurück, daß mich Mathilde verachte. Zu einer Verehelichung, wozu ihres Reichthums und ihrer unbeſchreiblichen Schönheit willen ſich die glän¬ zendſten Anträge fanden, konnte ſie nicht gebracht werden. Mit tiefem ſchwerem Ernſte breitete ich nun das Bahrtuch der Beſtattung über die heiligſten Ge¬ fühle meines Lebens.“ „Ich will euch nicht mit dem behelligen, wie es mir weiter in meiner Staatslaufbahn erging. Es ge¬ hört nicht hieher, und iſt euch wohl im Weſentlichen bekannt. Die Kriege brachen aus, ich wurde abwech¬ ſelnd zu verſchiedenen Stellen verſezt, große um¬

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Zitationshilfe: Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 3. Pesth, 1857, S. 333. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer03_1857/347>, abgerufen am 28.04.2024.