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Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 3. Pesth, 1857.

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fassende Arbeiten Reisen Berichte Vorschläge wurden
erfordert, ich wurde zu Sendungen verwendet, kam
mit den verschiedensten Menschen in Berührung, und
der Kaiser wurde, ich kann es wohl sagen, beinahe
mein Freund. Als ich in den Freiherrnrang erhoben
wurde, kam mein alter Oheim Ferdinand aus der
Entfernung zu mir, um, wie er sagte, mir seine Auf¬
wartung zu machen. Obwohl er meine Mutter ver¬
nachlässigt hatte, ja nach dem Tode meines Vaters
durch seine Zurückhaltung beinahe hart gegen sie ge¬
wesen war, so nahm ich ihn doch freundlich auf, weil
er in meiner Verlassenheit zulezt der einzige Verwandte
war, den ich noch hatte. Wir blieben seit jener Zeit
mit einander in Briefwechsel. Es kamen wohl viele
Menschen mit mir in Verbindung und ich lernte
manche Seiten der Gesellschaft kennen; aber theils
waren die Verbindungen Geschäftsverbindungen,
theils drängten sich Menschen an mich, die durch mich
zu steigen hofften, theils waren die Begegnungen
ganz gleichgültig. Wie schwer mir aber meine Ge¬
schäfte wurden, wie sehr ich im Grunde zu ihnen
nicht geeignet war, davon habe ich euch schon gesagt.
Ich war nach und nach beinahe ein alter Mann ge¬
worden. Da ich viel in der Entfernung lebte, wußte

faſſende Arbeiten Reiſen Berichte Vorſchläge wurden
erfordert, ich wurde zu Sendungen verwendet, kam
mit den verſchiedenſten Menſchen in Berührung, und
der Kaiſer wurde, ich kann es wohl ſagen, beinahe
mein Freund. Als ich in den Freiherrnrang erhoben
wurde, kam mein alter Oheim Ferdinand aus der
Entfernung zu mir, um, wie er ſagte, mir ſeine Auf¬
wartung zu machen. Obwohl er meine Mutter ver¬
nachläſſigt hatte, ja nach dem Tode meines Vaters
durch ſeine Zurückhaltung beinahe hart gegen ſie ge¬
weſen war, ſo nahm ich ihn doch freundlich auf, weil
er in meiner Verlaſſenheit zulezt der einzige Verwandte
war, den ich noch hatte. Wir blieben ſeit jener Zeit
mit einander in Briefwechſel. Es kamen wohl viele
Menſchen mit mir in Verbindung und ich lernte
manche Seiten der Geſellſchaft kennen; aber theils
waren die Verbindungen Geſchäftsverbindungen,
theils drängten ſich Menſchen an mich, die durch mich
zu ſteigen hofften, theils waren die Begegnungen
ganz gleichgültig. Wie ſchwer mir aber meine Ge¬
ſchäfte wurden, wie ſehr ich im Grunde zu ihnen
nicht geeignet war, davon habe ich euch ſchon geſagt.
Ich war nach und nach beinahe ein alter Mann ge¬
worden. Da ich viel in der Entfernung lebte, wußte

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[334/0348] faſſende Arbeiten Reiſen Berichte Vorſchläge wurden erfordert, ich wurde zu Sendungen verwendet, kam mit den verſchiedenſten Menſchen in Berührung, und der Kaiſer wurde, ich kann es wohl ſagen, beinahe mein Freund. Als ich in den Freiherrnrang erhoben wurde, kam mein alter Oheim Ferdinand aus der Entfernung zu mir, um, wie er ſagte, mir ſeine Auf¬ wartung zu machen. Obwohl er meine Mutter ver¬ nachläſſigt hatte, ja nach dem Tode meines Vaters durch ſeine Zurückhaltung beinahe hart gegen ſie ge¬ weſen war, ſo nahm ich ihn doch freundlich auf, weil er in meiner Verlaſſenheit zulezt der einzige Verwandte war, den ich noch hatte. Wir blieben ſeit jener Zeit mit einander in Briefwechſel. Es kamen wohl viele Menſchen mit mir in Verbindung und ich lernte manche Seiten der Geſellſchaft kennen; aber theils waren die Verbindungen Geſchäftsverbindungen, theils drängten ſich Menſchen an mich, die durch mich zu ſteigen hofften, theils waren die Begegnungen ganz gleichgültig. Wie ſchwer mir aber meine Ge¬ ſchäfte wurden, wie ſehr ich im Grunde zu ihnen nicht geeignet war, davon habe ich euch ſchon geſagt. Ich war nach und nach beinahe ein alter Mann ge¬ worden. Da ich viel in der Entfernung lebte, wußte

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Zitationshilfe: Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 3. Pesth, 1857, S. 334. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer03_1857/348>, abgerufen am 29.04.2024.