Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Stifter, Adalbert: Bunte Steine. Bd. 1. Pest u. a., 1853.

Bild:
<< vorherige Seite

Ich war nun froh, daß ich dem Rathe des Pfar¬
rers gefolgt hatte. Ich hatte selten ein solches Ge¬
witter erlebt. Der Pfarrer saß ruhig und einfach an
dem Tische des Stübleins, und das Licht der Talg¬
kerze beleuchtete seine Gestalt.

Zulezt geschah ein Schlag, als ob er das ganze
Haus aus seinen Fugen heben, und niederstürzen
wollte, und gleich darauf wieder einer. Dann war
ein Weilchen Anhalten, wie es oft bei solchen Erschei¬
nungen der Fall ist, der Regen zukte einen Augenblik
ab, als ob er erschroken wäre, selbst der Wind hielt
inne. Aber es wurde bald wieder wie früher; allein
die Hauptmacht war doch gebrochen, und alles ging
gleichmäßiger fort. Nach und nach milderte sich das
Gewitter, der Sturm war nur mehr ein gleichartiger
Wind, der Regen war schwächer, die Blize leuchteten
blässer, und der Donner rollte matter gleichsam land¬
auswärts gehend.

Als endlich das Regnen nur ein einfaches Nieder¬
rinnen war, und das Blizen ein Nachleuchten, stand
der Pfarrer auf, und sagte: "Es ist vorüber."

Er zündete sich ein Stümpfchen Licht an, und
ging hinaus. Nach einer Weile kam er wieder herein,
und trug auf einem Eßbrette mehrere Dinge, die zu
dem Abendmale bestimmt waren. Er sezte von dem

Ich war nun froh, daß ich dem Rathe des Pfar¬
rers gefolgt hatte. Ich hatte ſelten ein ſolches Ge¬
witter erlebt. Der Pfarrer ſaß ruhig und einfach an
dem Tiſche des Stübleins, und das Licht der Talg¬
kerze beleuchtete ſeine Geſtalt.

Zulezt geſchah ein Schlag, als ob er das ganze
Haus aus ſeinen Fugen heben, und niederſtürzen
wollte, und gleich darauf wieder einer. Dann war
ein Weilchen Anhalten, wie es oft bei ſolchen Erſchei¬
nungen der Fall iſt, der Regen zukte einen Augenblik
ab, als ob er erſchroken wäre, ſelbſt der Wind hielt
inne. Aber es wurde bald wieder wie früher; allein
die Hauptmacht war doch gebrochen, und alles ging
gleichmäßiger fort. Nach und nach milderte ſich das
Gewitter, der Sturm war nur mehr ein gleichartiger
Wind, der Regen war ſchwächer, die Blize leuchteten
bläſſer, und der Donner rollte matter gleichſam land¬
auswärts gehend.

Als endlich das Regnen nur ein einfaches Nieder¬
rinnen war, und das Blizen ein Nachleuchten, ſtand
der Pfarrer auf, und ſagte: „Es iſt vorüber.“

Er zündete ſich ein Stümpfchen Licht an, und
ging hinaus. Nach einer Weile kam er wieder herein,
und trug auf einem Eßbrette mehrere Dinge, die zu
dem Abendmale beſtimmt waren. Er ſezte von dem

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0120" n="107"/>
        <p>Ich war nun froh, daß ich dem Rathe des Pfar¬<lb/>
rers gefolgt hatte. Ich hatte &#x017F;elten ein &#x017F;olches Ge¬<lb/>
witter erlebt. Der Pfarrer &#x017F;aß ruhig und einfach an<lb/>
dem Ti&#x017F;che des Stübleins, und das Licht der Talg¬<lb/>
kerze beleuchtete &#x017F;eine Ge&#x017F;talt.</p><lb/>
        <p>Zulezt ge&#x017F;chah ein Schlag, als ob er das ganze<lb/>
Haus aus &#x017F;einen Fugen heben, und nieder&#x017F;türzen<lb/>
wollte, und gleich darauf wieder einer. Dann war<lb/>
ein Weilchen Anhalten, wie es oft bei &#x017F;olchen Er&#x017F;chei¬<lb/>
nungen der Fall i&#x017F;t, der Regen zukte einen Augenblik<lb/>
ab, als ob er er&#x017F;chroken wäre, &#x017F;elb&#x017F;t der Wind hielt<lb/>
inne. Aber es wurde bald wieder wie früher; allein<lb/>
die Hauptmacht war doch gebrochen, und alles ging<lb/>
gleichmäßiger fort. Nach und nach milderte &#x017F;ich das<lb/>
Gewitter, der Sturm war nur mehr ein gleichartiger<lb/>
Wind, der Regen war &#x017F;chwächer, die Blize leuchteten<lb/>
blä&#x017F;&#x017F;er, und der Donner rollte matter gleich&#x017F;am land¬<lb/>
auswärts gehend.</p><lb/>
        <p>Als endlich das Regnen nur ein einfaches Nieder¬<lb/>
rinnen war, und das Blizen ein Nachleuchten, &#x017F;tand<lb/>
der Pfarrer auf, und &#x017F;agte: &#x201E;Es i&#x017F;t vorüber.&#x201C;</p><lb/>
        <p>Er zündete &#x017F;ich ein Stümpfchen Licht an, und<lb/>
ging hinaus. Nach einer Weile kam er wieder herein,<lb/>
und trug auf einem Eßbrette mehrere Dinge, die zu<lb/>
dem Abendmale be&#x017F;timmt waren. Er &#x017F;ezte von dem<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[107/0120] Ich war nun froh, daß ich dem Rathe des Pfar¬ rers gefolgt hatte. Ich hatte ſelten ein ſolches Ge¬ witter erlebt. Der Pfarrer ſaß ruhig und einfach an dem Tiſche des Stübleins, und das Licht der Talg¬ kerze beleuchtete ſeine Geſtalt. Zulezt geſchah ein Schlag, als ob er das ganze Haus aus ſeinen Fugen heben, und niederſtürzen wollte, und gleich darauf wieder einer. Dann war ein Weilchen Anhalten, wie es oft bei ſolchen Erſchei¬ nungen der Fall iſt, der Regen zukte einen Augenblik ab, als ob er erſchroken wäre, ſelbſt der Wind hielt inne. Aber es wurde bald wieder wie früher; allein die Hauptmacht war doch gebrochen, und alles ging gleichmäßiger fort. Nach und nach milderte ſich das Gewitter, der Sturm war nur mehr ein gleichartiger Wind, der Regen war ſchwächer, die Blize leuchteten bläſſer, und der Donner rollte matter gleichſam land¬ auswärts gehend. Als endlich das Regnen nur ein einfaches Nieder¬ rinnen war, und das Blizen ein Nachleuchten, ſtand der Pfarrer auf, und ſagte: „Es iſt vorüber.“ Er zündete ſich ein Stümpfchen Licht an, und ging hinaus. Nach einer Weile kam er wieder herein, und trug auf einem Eßbrette mehrere Dinge, die zu dem Abendmale beſtimmt waren. Er ſezte von dem

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_steine01_1853
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_steine01_1853/120
Zitationshilfe: Stifter, Adalbert: Bunte Steine. Bd. 1. Pest u. a., 1853, S. 107. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_steine01_1853/120>, abgerufen am 04.05.2024.