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Stifter, Adalbert: Bunte Steine. Bd. 1. Pest u. a., 1853.

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die Wohnung des Pfarrers herüber, als es eigentlich
ihre Schuldigkeit gewesen wäre, sondern, sie brachte
die meiste Zeit, die sie von ihrem eigenen Hauswesen,
das nur ihre einzige Person betraf, absparen konnte,
in dem Pfarrhofe zu, und verrichtete die kleinen
Dienste, die bei einem Kranken nothwendig waren.
Außer dieser alten Frau kam auch noch ein junges
Mädchen, die Tochter des Mannes, welcher in dem
ersten Stokwerke des Pfarrhofes zur Miethe war.
Das Mädchen war bedeutend schön, es brachte
dem Pfarrer entweder eine Suppe oder irgend etwas
anderes, oder es erkundigte sich um sein Befinden,
oder es hinterbrachte die Frage des Vaters, ob er
dem Pfarrer in irgend einem Stüke beistehen könne.
Der Pfarrer hielt sich immer sehr stille, wenn das
Mädchen in das Zimmer trat, er regte sich unter sei¬
ner Hülle nicht, und zog die Deke bis an sein Kinn
empor.

Auch der Schullehrer kam oft herüber, und auch
ein paar Amtsbrüder aus der Nachbarschaft waren
eingetroffen, um sich nach dem Befinden des Pfarrers
zu erkundigen.

War es nun die Krankheit, welche den Mann
weicher stimmte, oder war es der tägliche Umgang,
der uns näher brachte, wir wurden seit der Krankheit

die Wohnung des Pfarrers herüber, als es eigentlich
ihre Schuldigkeit geweſen wäre, ſondern, ſie brachte
die meiſte Zeit, die ſie von ihrem eigenen Hausweſen,
das nur ihre einzige Perſon betraf, abſparen konnte,
in dem Pfarrhofe zu, und verrichtete die kleinen
Dienſte, die bei einem Kranken nothwendig waren.
Außer dieſer alten Frau kam auch noch ein junges
Mädchen, die Tochter des Mannes, welcher in dem
erſten Stokwerke des Pfarrhofes zur Miethe war.
Das Mädchen war bedeutend ſchön, es brachte
dem Pfarrer entweder eine Suppe oder irgend etwas
anderes, oder es erkundigte ſich um ſein Befinden,
oder es hinterbrachte die Frage des Vaters, ob er
dem Pfarrer in irgend einem Stüke beiſtehen könne.
Der Pfarrer hielt ſich immer ſehr ſtille, wenn das
Mädchen in das Zimmer trat, er regte ſich unter ſei¬
ner Hülle nicht, und zog die Deke bis an ſein Kinn
empor.

Auch der Schullehrer kam oft herüber, und auch
ein paar Amtsbrüder aus der Nachbarſchaft waren
eingetroffen, um ſich nach dem Befinden des Pfarrers
zu erkundigen.

War es nun die Krankheit, welche den Mann
weicher ſtimmte, oder war es der tägliche Umgang,
der uns näher brachte, wir wurden ſeit der Krankheit

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[139/0152] die Wohnung des Pfarrers herüber, als es eigentlich ihre Schuldigkeit geweſen wäre, ſondern, ſie brachte die meiſte Zeit, die ſie von ihrem eigenen Hausweſen, das nur ihre einzige Perſon betraf, abſparen konnte, in dem Pfarrhofe zu, und verrichtete die kleinen Dienſte, die bei einem Kranken nothwendig waren. Außer dieſer alten Frau kam auch noch ein junges Mädchen, die Tochter des Mannes, welcher in dem erſten Stokwerke des Pfarrhofes zur Miethe war. Das Mädchen war bedeutend ſchön, es brachte dem Pfarrer entweder eine Suppe oder irgend etwas anderes, oder es erkundigte ſich um ſein Befinden, oder es hinterbrachte die Frage des Vaters, ob er dem Pfarrer in irgend einem Stüke beiſtehen könne. Der Pfarrer hielt ſich immer ſehr ſtille, wenn das Mädchen in das Zimmer trat, er regte ſich unter ſei¬ ner Hülle nicht, und zog die Deke bis an ſein Kinn empor. Auch der Schullehrer kam oft herüber, und auch ein paar Amtsbrüder aus der Nachbarſchaft waren eingetroffen, um ſich nach dem Befinden des Pfarrers zu erkundigen. War es nun die Krankheit, welche den Mann weicher ſtimmte, oder war es der tägliche Umgang, der uns näher brachte, wir wurden ſeit der Krankheit

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Zitationshilfe: Stifter, Adalbert: Bunte Steine. Bd. 1. Pest u. a., 1853, S. 139. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_steine01_1853/152>, abgerufen am 29.04.2024.