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Stifter, Adalbert: Bunte Steine. Bd. 1. Pest u. a., 1853.

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es nicht so bald sei; aber Gott weiß, wie es gut ist,
und er bedarf zulezt auch zur Krönung dieses Werkes
meiner nicht."

"Da aber auch ich vor Ihnen sterben könnte,"
erwiederte ich, "so werde ich zur Sicherheit eine ge¬
schriebene Verfügung zu dem Testamente legen, wo¬
durch meine Verpflichtung in andere Hände übergehen
soll."

"Sie sind sehr gut," antwortete er, "ich habe
gewußt, daß Sie so freundschaftlich sein werden, ich
habe es gewiß gewußt. Hier wäre das Papier."

Mit diesen Worten zog er unter seinem Haupt¬
kissen ein Papier hervor. Dasselbe war gefaltet, und
mit drei Siegeln gesiegelt. Er reichte es in meine
Hand. Ich betrachtete die Siegel, sie waren rein und
unverlezt und trugen ein einfaches Kreuz. Auf der
obern Seite des Papiers standen die Worte: Lezter
Wille des Pfarrers im Kar. Ich ging an den Tisch,
nahm ein Blatt aus meiner Brieftasche, schrieb da¬
rauf, daß ich von dem Pfarrer im Kar an dem bezeich¬
neten Tage ein mit drei Siegeln, die ein Kreuz ent¬
halten, versiegeltes Papier empfangen habe, das die
Aufschrift Lezter Wille des Pfarrers im Kar trage.
Diese Bescheinigung reichte ich ihm dar, und er schob
sie ebenfalls unter das Kissen seines Hauptes. Das

es nicht ſo bald ſei; aber Gott weiß, wie es gut iſt,
und er bedarf zulezt auch zur Krönung dieſes Werkes
meiner nicht.“

„Da aber auch ich vor Ihnen ſterben könnte,“
erwiederte ich, „ſo werde ich zur Sicherheit eine ge¬
ſchriebene Verfügung zu dem Teſtamente legen, wo¬
durch meine Verpflichtung in andere Hände übergehen
ſoll.“

„Sie ſind ſehr gut,“ antwortete er, „ich habe
gewußt, daß Sie ſo freundſchaftlich ſein werden, ich
habe es gewiß gewußt. Hier wäre das Papier.“

Mit dieſen Worten zog er unter ſeinem Haupt¬
kiſſen ein Papier hervor. Dasſelbe war gefaltet, und
mit drei Siegeln geſiegelt. Er reichte es in meine
Hand. Ich betrachtete die Siegel, ſie waren rein und
unverlezt und trugen ein einfaches Kreuz. Auf der
obern Seite des Papiers ſtanden die Worte: Lezter
Wille des Pfarrers im Kar. Ich ging an den Tiſch,
nahm ein Blatt aus meiner Brieftaſche, ſchrieb da¬
rauf, daß ich von dem Pfarrer im Kar an dem bezeich¬
neten Tage ein mit drei Siegeln, die ein Kreuz ent¬
halten, verſiegeltes Papier empfangen habe, das die
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[176/0189] es nicht ſo bald ſei; aber Gott weiß, wie es gut iſt, und er bedarf zulezt auch zur Krönung dieſes Werkes meiner nicht.“ „Da aber auch ich vor Ihnen ſterben könnte,“ erwiederte ich, „ſo werde ich zur Sicherheit eine ge¬ ſchriebene Verfügung zu dem Teſtamente legen, wo¬ durch meine Verpflichtung in andere Hände übergehen ſoll.“ „Sie ſind ſehr gut,“ antwortete er, „ich habe gewußt, daß Sie ſo freundſchaftlich ſein werden, ich habe es gewiß gewußt. Hier wäre das Papier.“ Mit dieſen Worten zog er unter ſeinem Haupt¬ kiſſen ein Papier hervor. Dasſelbe war gefaltet, und mit drei Siegeln geſiegelt. Er reichte es in meine Hand. Ich betrachtete die Siegel, ſie waren rein und unverlezt und trugen ein einfaches Kreuz. Auf der obern Seite des Papiers ſtanden die Worte: Lezter Wille des Pfarrers im Kar. Ich ging an den Tiſch, nahm ein Blatt aus meiner Brieftaſche, ſchrieb da¬ rauf, daß ich von dem Pfarrer im Kar an dem bezeich¬ neten Tage ein mit drei Siegeln, die ein Kreuz ent¬ halten, verſiegeltes Papier empfangen habe, das die Aufſchrift Lezter Wille des Pfarrers im Kar trage. Dieſe Beſcheinigung reichte ich ihm dar, und er ſchob ſie ebenfalls unter das Kiſſen ſeines Hauptes. Das

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Zitationshilfe: Stifter, Adalbert: Bunte Steine. Bd. 1. Pest u. a., 1853, S. 176. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_steine01_1853/189>, abgerufen am 29.04.2024.