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Storch, Heinrich Friedrich von: Gemählde von St. Petersburg. Bd. 1. Riga, 1794.

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Kaum war der Friede geschlossen, als mit der
Nachricht desselben auch der Befehl an dem Orte
seiner Verbannung ankam, ihm die Freyheit
wiederzugeben. Er kehrte nach St. Petersburg
zurück, meldete sich hier bey der Behörde, er-
hielt die ganze Summe seiner Tagegelder bis auf
den Tag seiner Befreyung ausgezahlt, legte mit
diesem kleinen Kapital einen Handel an, heyra-
thete eine Russinn, und lebt jetzt hier, zufrieden
und glücklich, als ein merkwürdiger Beweis der
politischen Toleranz unter der Regierung Ka-
tharinens der Zweyten
.

Dieses Beyspiel, so auffallend es ist, ist
nicht das einzige seiner Art. Alle diejenigen, die
sich während des schwedischen Krieges verdächtig
gemacht hatten und ihres Verbrechens überführt
waren, sind auf eine ähnliche glimpfliche Art be-
handelt worden. Die mehresten unter ihnen
wurden in die Provinzen verschickt, wo sie ent-
weder ein geringes Jahrgeld bekamen, oder nach
Maaßgabe ihrer Brauchbarkeit angestellt wur-
den. Einer derselben, der als Lehrer beym Land-
kadettenkorps gestanden hatte, ward Schuldirek-
tor in der Provinz mit Beybehaltung seines völ-
ligen Gehalts. Die gewöhnliche Strafe fremder

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Kaum war der Friede geſchloſſen, als mit der
Nachricht deſſelben auch der Befehl an dem Orte
ſeiner Verbannung ankam, ihm die Freyheit
wiederzugeben. Er kehrte nach St. Petersburg
zuruͤck, meldete ſich hier bey der Behoͤrde, er-
hielt die ganze Summe ſeiner Tagegelder bis auf
den Tag ſeiner Befreyung ausgezahlt, legte mit
dieſem kleinen Kapital einen Handel an, heyra-
thete eine Ruſſinn, und lebt jetzt hier, zufrieden
und gluͤcklich, als ein merkwuͤrdiger Beweis der
politiſchen Toleranz unter der Regierung Ka-
tharinens der Zweyten
.

Dieſes Beyſpiel, ſo auffallend es iſt, iſt
nicht das einzige ſeiner Art. Alle diejenigen, die
ſich waͤhrend des ſchwediſchen Krieges verdaͤchtig
gemacht hatten und ihres Verbrechens uͤberfuͤhrt
waren, ſind auf eine aͤhnliche glimpfliche Art be-
handelt worden. Die mehreſten unter ihnen
wurden in die Provinzen verſchickt, wo ſie ent-
weder ein geringes Jahrgeld bekamen, oder nach
Maaßgabe ihrer Brauchbarkeit angeſtellt wur-
den. Einer derſelben, der als Lehrer beym Land-
kadettenkorps geſtanden hatte, ward Schuldirek-
tor in der Provinz mit Beybehaltung ſeines voͤl-
ligen Gehalts. Die gewoͤhnliche Strafe fremder

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[181/0215] Kaum war der Friede geſchloſſen, als mit der Nachricht deſſelben auch der Befehl an dem Orte ſeiner Verbannung ankam, ihm die Freyheit wiederzugeben. Er kehrte nach St. Petersburg zuruͤck, meldete ſich hier bey der Behoͤrde, er- hielt die ganze Summe ſeiner Tagegelder bis auf den Tag ſeiner Befreyung ausgezahlt, legte mit dieſem kleinen Kapital einen Handel an, heyra- thete eine Ruſſinn, und lebt jetzt hier, zufrieden und gluͤcklich, als ein merkwuͤrdiger Beweis der politiſchen Toleranz unter der Regierung Ka- tharinens der Zweyten. Dieſes Beyſpiel, ſo auffallend es iſt, iſt nicht das einzige ſeiner Art. Alle diejenigen, die ſich waͤhrend des ſchwediſchen Krieges verdaͤchtig gemacht hatten und ihres Verbrechens uͤberfuͤhrt waren, ſind auf eine aͤhnliche glimpfliche Art be- handelt worden. Die mehreſten unter ihnen wurden in die Provinzen verſchickt, wo ſie ent- weder ein geringes Jahrgeld bekamen, oder nach Maaßgabe ihrer Brauchbarkeit angeſtellt wur- den. Einer derſelben, der als Lehrer beym Land- kadettenkorps geſtanden hatte, ward Schuldirek- tor in der Provinz mit Beybehaltung ſeines voͤl- ligen Gehalts. Die gewoͤhnliche Strafe fremder M 3

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Zitationshilfe: Storch, Heinrich Friedrich von: Gemählde von St. Petersburg. Bd. 1. Riga, 1794, S. 181. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/storch_petersburg01_1794/215>, abgerufen am 27.04.2024.