Die täglichen Beschäftigungen des größern Theils der Handwerker sind schon unter einer andern Rubrik geschildert. Der Vormittag, höchstens einige Stunden nach Tische werden der Arbeit gewidmet; der Abend verfließt in Kränzchen und Klubbs, am Kartentisch oder beym Billard. Kirchen-Staats- und Hausfeste werden mit Schmäusen oder durch Parthieen außer der Stadt gefeyert; einige der reichsten Handwerker haben an bestimmten Tagen Ge- sellschaft zu Mittage oder zu Abend, geben Konzerte und Bälle, und leben den Sommer hindurch auf ihren Landhäusern.
Unmerklich fließt diese Lebensart in die des höhern Mittelstandes über. Keine Klasse von Einwohnern, den Pöbel ausgenommen, ist zahlreicher, und in keiner finden sich so große Verschiedenheiten des Wohlstands als in die- ser. Die Schilderung ihrer Lebensart kann also überall nur von dem größern Theile gelten.
Im Ganzen genommen, lebt der Mittel- stand in St. Petersburg mit mehr Aufwand, Gemächlichkeit und Prunk als in den meisten großen Städten von Europa. Dieser Luxus,
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Die taͤglichen Beſchaͤftigungen des groͤßern Theils der Handwerker ſind ſchon unter einer andern Rubrik geſchildert. Der Vormittag, hoͤchſtens einige Stunden nach Tiſche werden der Arbeit gewidmet; der Abend verfließt in Kraͤnzchen und Klubbs, am Kartentiſch oder beym Billard. Kirchen-Staats- und Hausfeſte werden mit Schmaͤuſen oder durch Parthieen außer der Stadt gefeyert; einige der reichſten Handwerker haben an beſtimmten Tagen Ge- ſellſchaft zu Mittage oder zu Abend, geben Konzerte und Baͤlle, und leben den Sommer hindurch auf ihren Landhaͤuſern.
Unmerklich fließt dieſe Lebensart in die des hoͤhern Mittelſtandes uͤber. Keine Klaſſe von Einwohnern, den Poͤbel ausgenommen, iſt zahlreicher, und in keiner finden ſich ſo große Verſchiedenheiten des Wohlſtands als in die- ſer. Die Schilderung ihrer Lebensart kann alſo uͤberall nur von dem groͤßern Theile gelten.
Im Ganzen genommen, lebt der Mittel- ſtand in St. Petersburg mit mehr Aufwand, Gemaͤchlichkeit und Prunk als in den meiſten großen Staͤdten von Europa. Dieſer Luxus,
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Die taͤglichen Beſchaͤftigungen des groͤßern
Theils der Handwerker ſind ſchon unter einer
andern Rubrik geſchildert. Der Vormittag,
hoͤchſtens einige Stunden nach Tiſche werden
der Arbeit gewidmet; der Abend verfließt in
Kraͤnzchen und Klubbs, am Kartentiſch oder
beym Billard. Kirchen-Staats- und Hausfeſte
werden mit Schmaͤuſen oder durch Parthieen
außer der Stadt gefeyert; einige der reichſten
Handwerker haben an beſtimmten Tagen Ge-
ſellſchaft zu Mittage oder zu Abend, geben
Konzerte und Baͤlle, und leben den Sommer
hindurch auf ihren Landhaͤuſern.
Unmerklich fließt dieſe Lebensart in die des
hoͤhern Mittelſtandes uͤber. Keine Klaſſe
von Einwohnern, den Poͤbel ausgenommen, iſt
zahlreicher, und in keiner finden ſich ſo große
Verſchiedenheiten des Wohlſtands als in die-
ſer. Die Schilderung ihrer Lebensart kann
alſo uͤberall nur von dem groͤßern Theile
gelten.
Im Ganzen genommen, lebt der Mittel-
ſtand in St. Petersburg mit mehr Aufwand,
Gemaͤchlichkeit und Prunk als in den meiſten
großen Staͤdten von Europa. Dieſer Luxus,
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Storch, Heinrich Friedrich von: Gemählde von St. Petersburg. Bd. 2. Riga, 1794, S. 389. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/storch_petersburg02_1794/407>, abgerufen am 05.12.2023.
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