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Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 1. Tübingen, 1835.

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Zweiter Abschnitt.
(V. 42.) auf dieselbe Weise fortgefahren ist, ohne Zwei-
fel weil er von Lukas, der hier abbricht und die Reden
von den skandalois weiter unten (17, 1 ff.) ohne Zusam-
menhang einfügt, zu Matthäus übersprang 3): folgt bei
Matthäus (V. 8 f.) und Markus (V. 43 f.) eine Stelle, wel-
che allein schon den Auslegern über die Art der Synop-
tiker, die Aussprüche Jesu zusammenzureihen, die Augen
öffnen sollte. An die Warnung Jesu vor dem skandalizein
der Kleinen nämlich und den Weheruf über den, durch
welchen to skandalon erkhetai knüpfen sie die Gnomen von
dem skandalizein der Hand, des Auges u. s. w. So konnte
Jesus nicht fortfahren, da die Sätze: verführet die Klei-
nen nicht! und: lasset euch durch eure Sinnlichkeit nicht
verführen! ausser dem Worte: Verführen nichts Gemein-
sames haben. So fällt es uns von selbst in die Hand,
was es auch mit dieser Verbindung für eine Bewandtniss
hat. Das Schlagwort skandalizein rief dem Referenten
im ersten Evangelium Alles, was er an hievon handeln-
den Reden Jesu wusste, in das Gedächtniss zurück, und
unerachtet er die Aussprüche von der Verführung durch
die eignen Glieder schon in der Bergrede in besserem Zu-
sammenhang wiedergegeben hatte, kann er doch der Ver-
suchung nicht widerstehen, sie auch hier, blos ad vocem
skandalizein, mitzutheilen, worauf er jedoch V. 10. den
Zusammenhang mit V. 6 und 7. wieder aufnimmt, und
noch ein weiteres die mikrous betreffendes Diktum beifügt.
Den Werth der mikroi lässt hierauf Matthäus Jesum durch
den Saz, dass des Menschen Sohn gekommen sei, das
Verlorene zu suchen, und durch das Gleichniss vom ver-
lorenen Schaf begründen (V. 11--14). Da jedoch nicht
abzusehen ist, wie Jesus die mikrous geradezu zu dem
apololos soll haben rechnen können: so scheint jene
Gnome Luc. 19, 10. bei der Berufung des Zacchäus, diese

3) s. Saunier, über die Quellen des Markus, S. 111.

Zweiter Abschnitt.
(V. 42.) auf dieselbe Weise fortgefahren ist, ohne Zwei-
fel weil er von Lukas, der hier abbricht und die Reden
von den σκανδάλοις weiter unten (17, 1 ff.) ohne Zusam-
menhang einfügt, zu Matthäus übersprang 3): folgt bei
Matthäus (V. 8 f.) und Markus (V. 43 f.) eine Stelle, wel-
che allein schon den Auslegern über die Art der Synop-
tiker, die Aussprüche Jesu zusammenzureihen, die Augen
öffnen sollte. An die Warnung Jesu vor dem σκανδαλίζειν
der Kleinen nämlich und den Weheruf über den, durch
welchen τὸ σκάνδαλον ἔρχεται knüpfen sie die Gnomen von
dem σκανδαλίζειν der Hand, des Auges u. s. w. So konnte
Jesus nicht fortfahren, da die Sätze: verführet die Klei-
nen nicht! und: lasset euch durch eure Sinnlichkeit nicht
verführen! ausser dem Worte: Verführen nichts Gemein-
sames haben. So fällt es uns von selbst in die Hand,
was es auch mit dieser Verbindung für eine Bewandtniſs
hat. Das Schlagwort σκανδαλίζειν rief dem Referenten
im ersten Evangelium Alles, was er an hievon handeln-
den Reden Jesu wuſste, in das Gedächtniſs zurück, und
unerachtet er die Aussprüche von der Verführung durch
die eignen Glieder schon in der Bergrede in besserem Zu-
sammenhang wiedergegeben hatte, kann er doch der Ver-
suchung nicht widerstehen, sie auch hier, blos ad vocem
σκανδαλίζειν, mitzutheilen, worauf er jedoch V. 10. den
Zusammenhang mit V. 6 und 7. wieder aufnimmt, und
noch ein weiteres die μικροὺς betreffendes Diktum beifügt.
Den Werth der μικροὶ läſst hierauf Matthäus Jesum durch
den Saz, daſs des Menschen Sohn gekommen sei, das
Verlorene zu suchen, und durch das Gleichniſs vom ver-
lorenen Schaf begründen (V. 11—14). Da jedoch nicht
abzusehen ist, wie Jesus die μικροὺς geradezu zu dem
ἀπολωλὸς soll haben rechnen können: so scheint jene
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[616/0640] Zweiter Abschnitt. (V. 42.) auf dieselbe Weise fortgefahren ist, ohne Zwei- fel weil er von Lukas, der hier abbricht und die Reden von den σκανδάλοις weiter unten (17, 1 ff.) ohne Zusam- menhang einfügt, zu Matthäus übersprang 3): folgt bei Matthäus (V. 8 f.) und Markus (V. 43 f.) eine Stelle, wel- che allein schon den Auslegern über die Art der Synop- tiker, die Aussprüche Jesu zusammenzureihen, die Augen öffnen sollte. An die Warnung Jesu vor dem σκανδαλίζειν der Kleinen nämlich und den Weheruf über den, durch welchen τὸ σκάνδαλον ἔρχεται knüpfen sie die Gnomen von dem σκανδαλίζειν der Hand, des Auges u. s. w. So konnte Jesus nicht fortfahren, da die Sätze: verführet die Klei- nen nicht! und: lasset euch durch eure Sinnlichkeit nicht verführen! ausser dem Worte: Verführen nichts Gemein- sames haben. So fällt es uns von selbst in die Hand, was es auch mit dieser Verbindung für eine Bewandtniſs hat. Das Schlagwort σκανδαλίζειν rief dem Referenten im ersten Evangelium Alles, was er an hievon handeln- den Reden Jesu wuſste, in das Gedächtniſs zurück, und unerachtet er die Aussprüche von der Verführung durch die eignen Glieder schon in der Bergrede in besserem Zu- sammenhang wiedergegeben hatte, kann er doch der Ver- suchung nicht widerstehen, sie auch hier, blos ad vocem σκανδαλίζειν, mitzutheilen, worauf er jedoch V. 10. den Zusammenhang mit V. 6 und 7. wieder aufnimmt, und noch ein weiteres die μικροὺς betreffendes Diktum beifügt. Den Werth der μικροὶ läſst hierauf Matthäus Jesum durch den Saz, daſs des Menschen Sohn gekommen sei, das Verlorene zu suchen, und durch das Gleichniſs vom ver- lorenen Schaf begründen (V. 11—14). Da jedoch nicht abzusehen ist, wie Jesus die μικροὺς geradezu zu dem ἀπολωλὸς soll haben rechnen können: so scheint jene Gnome Luc. 19, 10. bei der Berufung des Zacchäus, diese 3) s. Saunier, über die Quellen des Markus, S. 111.

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Zitationshilfe: Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 1. Tübingen, 1835, S. 616. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/strauss_jesus01_1835/640>, abgerufen am 15.05.2024.