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Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 2. Tübingen, 1836.

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Dritter Abschnitt.
Symptom bestimmter Krankheiten erwähnt. Daher macht
Paulus auf das osei aufmerksam, welchem zufolge hier
nicht geradezu von einem Blutschweiss, sondern nur von
einem mit Blut vergleichbaren Schweiss die Rede sei: die-
se Vergleichung aber bezieht er nur auf die dichte Tro-
pfenbildung, und auch Olshausen stimmt ihm so weit bei,
dass die rothe Farbe des Schweisses nicht nothwendig in der
Vergleichung enthalten sei. Allein im Zusammenhang einer
Erzählung, welche ein Vorspiel des blutigen Todes Jesu ge-
ben will, wird es doch immer das Natürlichste bleiben,
die Vergleichung des Schweisses mit Blutstropfen in ihrem
vollen Sinne zu nehmen. -- Ferner kehrt nun aber hier
noch gewichtiger als bei der Engelserscheinung die Fra-
ge zurück, wie Lukas zu dieser Notiz gekommen ist, oder,
um alle Fragen, die sich hier ganz wie oben gestalten,
zu übergehen, wie die Jünger aus der Entfernung und in
der Nacht das Herabfallen blutiger Tropfen vom Leibe Je-
su bemerken konnten? Zwar soll nach Paulus nicht ge-
sagt sein, dass der Schweiss herabgefallen sei, sondern,
indem das katabainontes statt auf idros vielmehr auf die
nur zur Vergleichung herbeigezogenen thromboi aimatos sich
beziehe, so sei nur gemeint, dass ein Schweiss, so dicht
und schwer wie fallende Blutstropfen, auf Jesu Stirne ge-
standen habe. Allein ob es heisst: der Schweiss fiel wie
Blutstropfen auf die Erde, oder: er war wie auf die Erde
fallende Blutstropfen, wird wohl ziemlich auf Eines hin-
auslaufen; wenigstens wäre die Vergleichung eines auf
der Stirne stehenden Schweisses mit zur Erde träufelndem
Blute ungeschickt, vollends wenn mit dem Fallen auch die
Farbe des Bluts aus der Vergleichung wegbleiben, und von
dem osei thromboi aimatos katabainontes eis ten gen ei-
gentlich nur das osei thromboi einen bestimmten Sinn haben
soll. Nehmen wir also, da wir den Umstand weder be-
greifen, noch uns denken können, woher der Referent ei-
ne historische Kunde von demselben haben sollte, lieber

Dritter Abschnitt.
Symptom bestimmter Krankheiten erwähnt. Daher macht
Paulus auf das ὡσεὶ aufmerksam, welchem zufolge hier
nicht geradezu von einem Blutschweiſs, sondern nur von
einem mit Blut vergleichbaren Schweiſs die Rede sei: die-
se Vergleichung aber bezieht er nur auf die dichte Tro-
pfenbildung, und auch Olshausen stimmt ihm so weit bei,
daſs die rothe Farbe des Schweiſses nicht nothwendig in der
Vergleichung enthalten sei. Allein im Zusammenhang einer
Erzählung, welche ein Vorspiel des blutigen Todes Jesu ge-
ben will, wird es doch immer das Natürlichste bleiben,
die Vergleichung des Schweiſses mit Blutstropfen in ihrem
vollen Sinne zu nehmen. — Ferner kehrt nun aber hier
noch gewichtiger als bei der Engelserscheinung die Fra-
ge zurück, wie Lukas zu dieser Notiz gekommen ist, oder,
um alle Fragen, die sich hier ganz wie oben gestalten,
zu übergehen, wie die Jünger aus der Entfernung und in
der Nacht das Herabfallen blutiger Tropfen vom Leibe Je-
su bemerken konnten? Zwar soll nach Paulus nicht ge-
sagt sein, daſs der Schweiſs herabgefallen sei, sondern,
indem das καταβαίνοντες statt auf ἱδρὼς vielmehr auf die
nur zur Vergleichung herbeigezogenen ϑρόμβοι αἵματος sich
beziehe, so sei nur gemeint, daſs ein Schweiſs, so dicht
und schwer wie fallende Blutstropfen, auf Jesu Stirne ge-
standen habe. Allein ob es heiſst: der Schweiſs fiel wie
Blutstropfen auf die Erde, oder: er war wie auf die Erde
fallende Blutstropfen, wird wohl ziemlich auf Eines hin-
auslaufen; wenigstens wäre die Vergleichung eines auf
der Stirne stehenden Schweiſses mit zur Erde träufelndem
Blute ungeschickt, vollends wenn mit dem Fallen auch die
Farbe des Bluts aus der Vergleichung wegbleiben, und von
dem ὡσεὶ ϑρόμβοι αἵματος καταβαίνοντες εἰς τὴν γῆν ei-
gentlich nur das ὡσεὶ ϑρόμβοι einen bestimmten Sinn haben
soll. Nehmen wir also, da wir den Umstand weder be-
greifen, noch uns denken können, woher der Referent ei-
ne historische Kunde von demselben haben sollte, lieber

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[452/0471] Dritter Abschnitt. Symptom bestimmter Krankheiten erwähnt. Daher macht Paulus auf das ὡσεὶ aufmerksam, welchem zufolge hier nicht geradezu von einem Blutschweiſs, sondern nur von einem mit Blut vergleichbaren Schweiſs die Rede sei: die- se Vergleichung aber bezieht er nur auf die dichte Tro- pfenbildung, und auch Olshausen stimmt ihm so weit bei, daſs die rothe Farbe des Schweiſses nicht nothwendig in der Vergleichung enthalten sei. Allein im Zusammenhang einer Erzählung, welche ein Vorspiel des blutigen Todes Jesu ge- ben will, wird es doch immer das Natürlichste bleiben, die Vergleichung des Schweiſses mit Blutstropfen in ihrem vollen Sinne zu nehmen. — Ferner kehrt nun aber hier noch gewichtiger als bei der Engelserscheinung die Fra- ge zurück, wie Lukas zu dieser Notiz gekommen ist, oder, um alle Fragen, die sich hier ganz wie oben gestalten, zu übergehen, wie die Jünger aus der Entfernung und in der Nacht das Herabfallen blutiger Tropfen vom Leibe Je- su bemerken konnten? Zwar soll nach Paulus nicht ge- sagt sein, daſs der Schweiſs herabgefallen sei, sondern, indem das καταβαίνοντες statt auf ἱδρὼς vielmehr auf die nur zur Vergleichung herbeigezogenen ϑρόμβοι αἵματος sich beziehe, so sei nur gemeint, daſs ein Schweiſs, so dicht und schwer wie fallende Blutstropfen, auf Jesu Stirne ge- standen habe. Allein ob es heiſst: der Schweiſs fiel wie Blutstropfen auf die Erde, oder: er war wie auf die Erde fallende Blutstropfen, wird wohl ziemlich auf Eines hin- auslaufen; wenigstens wäre die Vergleichung eines auf der Stirne stehenden Schweiſses mit zur Erde träufelndem Blute ungeschickt, vollends wenn mit dem Fallen auch die Farbe des Bluts aus der Vergleichung wegbleiben, und von dem ὡσεὶ ϑρόμβοι αἵματος καταβαίνοντες εἰς τὴν γῆν ei- gentlich nur das ὡσεὶ ϑρόμβοι einen bestimmten Sinn haben soll. Nehmen wir also, da wir den Umstand weder be- greifen, noch uns denken können, woher der Referent ei- ne historische Kunde von demselben haben sollte, lieber

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Zitationshilfe: Strauß, David Friedrich: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. 2. Tübingen, 1836, S. 452. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/strauss_jesus02_1836/471>, abgerufen am 28.04.2024.