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Sturza, Marie Tihanyi: Das Gelübde einer dreißigjährigen Frau. Leipzig, 1905

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Mädchens, mit imponierender Ungezwungenheit. Man riß sich um sie, suchte sich ihr zu nähern, bewunderte sie in etwas grotesker Weise, um ihr nachzuahmen. Aber nur wenigen gelang es: ihre beste Schülerin darin war noch Stella Ellissen. So wurde auch die Freude der kleinen Mädchen nicht früher vollständig, als bis die beiden jungen Mädchen, Aug in Aug, ihre Retourkutschen hin und herfliegen ließen, oft im Pariser Jargon, den die andern nicht kannten, aber applaudierten als verstünden sie ihn. Eine ihrer gewöhnlichen Klagen war die Abwesenheit der Herren, denen ein Provinzbrauch den Zutritt in diesen Winkel versagte. Ein Brauch, den zu brechen gefährlich gewesen wäre.

Alice von Werner war in der Großstadt erzogen worden, in einem sehr gemischten Milieu. Ihr Vater, Sohn eines bäuerlichen Grundbesitzers, hatte sich im Kielwasser eines einflußreichen Abgeordneten und mehrmaligen Ministers auf die Politik geworfen; dieser behielt ihn als Sekretär an seiner Seite bis zu dem Tage, an dem er ihm eine wichtige Präfektur zu verschaffen in der Lage war. Die etwas dunkle Herkunft des Herrn von Werner hatte ihm nicht gestattet, seinen Weg in der Gesellschaft ebenso leicht zu

Mädchens, mit imponierender Ungezwungenheit. Man riß sich um sie, suchte sich ihr zu nähern, bewunderte sie in etwas grotesker Weise, um ihr nachzuahmen. Aber nur wenigen gelang es: ihre beste Schülerin darin war noch Stella Ellissen. So wurde auch die Freude der kleinen Mädchen nicht früher vollständig, als bis die beiden jungen Mädchen, Aug in Aug, ihre Retourkutschen hin und herfliegen ließen, oft im Pariser Jargon, den die andern nicht kannten, aber applaudierten als verstünden sie ihn. Eine ihrer gewöhnlichen Klagen war die Abwesenheit der Herren, denen ein Provinzbrauch den Zutritt in diesen Winkel versagte. Ein Brauch, den zu brechen gefährlich gewesen wäre.

Alice von Werner war in der Großstadt erzogen worden, in einem sehr gemischten Milieu. Ihr Vater, Sohn eines bäuerlichen Grundbesitzers, hatte sich im Kielwasser eines einflußreichen Abgeordneten und mehrmaligen Ministers auf die Politik geworfen; dieser behielt ihn als Sekretär an seiner Seite bis zu dem Tage, an dem er ihm eine wichtige Präfektur zu verschaffen in der Lage war. Die etwas dunkle Herkunft des Herrn von Werner hatte ihm nicht gestattet, seinen Weg in der Gesellschaft ebenso leicht zu

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[163/0164] Mädchens, mit imponierender Ungezwungenheit. Man riß sich um sie, suchte sich ihr zu nähern, bewunderte sie in etwas grotesker Weise, um ihr nachzuahmen. Aber nur wenigen gelang es: ihre beste Schülerin darin war noch Stella Ellissen. So wurde auch die Freude der kleinen Mädchen nicht früher vollständig, als bis die beiden jungen Mädchen, Aug in Aug, ihre Retourkutschen hin und herfliegen ließen, oft im Pariser Jargon, den die andern nicht kannten, aber applaudierten als verstünden sie ihn. Eine ihrer gewöhnlichen Klagen war die Abwesenheit der Herren, denen ein Provinzbrauch den Zutritt in diesen Winkel versagte. Ein Brauch, den zu brechen gefährlich gewesen wäre. Alice von Werner war in der Großstadt erzogen worden, in einem sehr gemischten Milieu. Ihr Vater, Sohn eines bäuerlichen Grundbesitzers, hatte sich im Kielwasser eines einflußreichen Abgeordneten und mehrmaligen Ministers auf die Politik geworfen; dieser behielt ihn als Sekretär an seiner Seite bis zu dem Tage, an dem er ihm eine wichtige Präfektur zu verschaffen in der Lage war. Die etwas dunkle Herkunft des Herrn von Werner hatte ihm nicht gestattet, seinen Weg in der Gesellschaft ebenso leicht zu

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Zitationshilfe: Sturza, Marie Tihanyi: Das Gelübde einer dreißigjährigen Frau. Leipzig, 1905, S. 163. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sturza_geluebde_1905/164>, abgerufen am 29.04.2024.