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Sulzer, Johann Georg: Tagebuch einer von Berlin nach den mittäglichen Ländern von Europa in den Jahren 1775 und 1776 gethanen Reise und Rückreise. Leipzig, 1780.

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gethanen Reise.
nete *), lag ganz oben auf dem Berge, dessen ich schon
gedacht habe, der aus dem Kreis der die Ebene um-
gebenden Berge heraustritt, und längst dem rechten
Ufer des Paglion sich bis nahe an die Stadt heran
erstreckt. Die oberste Höhe dieses Berges, auf wel-
cher jetzt ein Barfüßerkloster steht, scheint der Mittel-
punkt dieser Stadt gewesen zu seyn. Ein hohes und
festes Gemäuer an einem in dem Garten des Klosters
liegenden Hügel ist, der Sage nach, ein Ueberbleibsel
von dem ehemaligen Schloß oder Capitolio dieser
Stadt. Es ist zu vermuthen, daß hier noch uner-
öffnete Gewölber unter dem Schutte dieses ehema-
ligen Schlosses liegen. Wenigstens verursacht es ein
hohles Getöne, wenn man ganz oben auf dem Hügel
hart auf die Erde auftritt. An den um das Kloster
herumliegenden Terrassen und andern Mauren, inglei-
chen an den im Garten befindlichen Treppen, sieht man
hier und da Steine mit römischen Namen überschrie-
ben. Und man wird gewahr, daß die meisten Mau-
ren dieser Gegend, welche die Terrassen unterstützen,
oder die Güter einschließen, aus den Steinen der ehe-
maligen Gebäude dieser zerstörten Stadt aufgemauert
sind.

Gleich neben dem Kloster liegt die Villa des
Marchese Ferreri, in welcher die vier Mauren eines
kleinen viereckigen Tempels stehen. Nahe dabey liegt
ein kleines Amphitheatrum in seinen Ruinen, dessen
Arena noch ganz und beynahe unversehrt ist. Wenn

der
*) Plinius nennet sie Cemenetion. Sie war einmal der
Sitz des Praefecti Alpium maritimarum. Hist. Nat.
L. III. c.
5.
P

gethanen Reiſe.
nete *), lag ganz oben auf dem Berge, deſſen ich ſchon
gedacht habe, der aus dem Kreis der die Ebene um-
gebenden Berge heraustritt, und laͤngſt dem rechten
Ufer des Paglion ſich bis nahe an die Stadt heran
erſtreckt. Die oberſte Hoͤhe dieſes Berges, auf wel-
cher jetzt ein Barfuͤßerkloſter ſteht, ſcheint der Mittel-
punkt dieſer Stadt geweſen zu ſeyn. Ein hohes und
feſtes Gemaͤuer an einem in dem Garten des Kloſters
liegenden Huͤgel iſt, der Sage nach, ein Ueberbleibſel
von dem ehemaligen Schloß oder Capitolio dieſer
Stadt. Es iſt zu vermuthen, daß hier noch uner-
oͤffnete Gewoͤlber unter dem Schutte dieſes ehema-
ligen Schloſſes liegen. Wenigſtens verurſacht es ein
hohles Getoͤne, wenn man ganz oben auf dem Huͤgel
hart auf die Erde auftritt. An den um das Kloſter
herumliegenden Terraſſen und andern Mauren, inglei-
chen an den im Garten befindlichen Treppen, ſieht man
hier und da Steine mit roͤmiſchen Namen uͤberſchrie-
ben. Und man wird gewahr, daß die meiſten Mau-
ren dieſer Gegend, welche die Terraſſen unterſtuͤtzen,
oder die Guͤter einſchließen, aus den Steinen der ehe-
maligen Gebaͤude dieſer zerſtoͤrten Stadt aufgemauert
ſind.

Gleich neben dem Kloſter liegt die Villa des
Marcheſe Ferreri, in welcher die vier Mauren eines
kleinen viereckigen Tempels ſtehen. Nahe dabey liegt
ein kleines Amphitheatrum in ſeinen Ruinen, deſſen
Arena noch ganz und beynahe unverſehrt iſt. Wenn

der
*) Plinius nennet ſie Cemenetion. Sie war einmal der
Sitz des Praefecti Alpium maritimarum. Hiſt. Nat.
L. III. c.
5.
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[225/0245] gethanen Reiſe. nete *), lag ganz oben auf dem Berge, deſſen ich ſchon gedacht habe, der aus dem Kreis der die Ebene um- gebenden Berge heraustritt, und laͤngſt dem rechten Ufer des Paglion ſich bis nahe an die Stadt heran erſtreckt. Die oberſte Hoͤhe dieſes Berges, auf wel- cher jetzt ein Barfuͤßerkloſter ſteht, ſcheint der Mittel- punkt dieſer Stadt geweſen zu ſeyn. Ein hohes und feſtes Gemaͤuer an einem in dem Garten des Kloſters liegenden Huͤgel iſt, der Sage nach, ein Ueberbleibſel von dem ehemaligen Schloß oder Capitolio dieſer Stadt. Es iſt zu vermuthen, daß hier noch uner- oͤffnete Gewoͤlber unter dem Schutte dieſes ehema- ligen Schloſſes liegen. Wenigſtens verurſacht es ein hohles Getoͤne, wenn man ganz oben auf dem Huͤgel hart auf die Erde auftritt. An den um das Kloſter herumliegenden Terraſſen und andern Mauren, inglei- chen an den im Garten befindlichen Treppen, ſieht man hier und da Steine mit roͤmiſchen Namen uͤberſchrie- ben. Und man wird gewahr, daß die meiſten Mau- ren dieſer Gegend, welche die Terraſſen unterſtuͤtzen, oder die Guͤter einſchließen, aus den Steinen der ehe- maligen Gebaͤude dieſer zerſtoͤrten Stadt aufgemauert ſind. Gleich neben dem Kloſter liegt die Villa des Marcheſe Ferreri, in welcher die vier Mauren eines kleinen viereckigen Tempels ſtehen. Nahe dabey liegt ein kleines Amphitheatrum in ſeinen Ruinen, deſſen Arena noch ganz und beynahe unverſehrt iſt. Wenn der *) Plinius nennet ſie Cemenetion. Sie war einmal der Sitz des Praefecti Alpium maritimarum. Hiſt. Nat. L. III. c. 5. P

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Zitationshilfe: Sulzer, Johann Georg: Tagebuch einer von Berlin nach den mittäglichen Ländern von Europa in den Jahren 1775 und 1776 gethanen Reise und Rückreise. Leipzig, 1780, S. 225. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sulzer_reise_1780/245>, abgerufen am 28.04.2024.