Summe baar nach Wien, wodurch das Herzogthum allmählig ausgesogen wird.
Das Volk in Meiland schien mir ein munteres, sehr arbeitsames und in Wohlstand lebendes Volk zu seyn. Es ist ein Vergnügen, in den Straßen, die um die Mitte der Stadt liegen, alles in voller Arbeit zu sehen. Die Werkstellen der Handwerksleute, Fa- bricanten und Künstler sind, so wie die Laden und Ge- wölber der Krämer und Kaufleute, mit Menschen und Waaren reichlich angefüllt. Besonders fällt die große Menge und der Reichthum der Goldschmidtswerkstel- len und Laden sehr in die Augen. Die Religion trägt nicht wenig hiezu bey. Es ist wenigstens selten ein Goldschmidtsladen zu sehen, in dem nicht eine Menge silberne Hände, Füße und andere zu Bezahlung der Gelübde und Beschenkung der Kirchen bestimmte Sa- chen vorräthig wären.
Unter den meiländischen Fabriken verdient die große Fayencefabrik gesehen zu werden. Sie hat völ- lig das Ansehen einer großen Fabrik von ächtem Por- cellain, davon sie blos durch die geringere Materie un- terschieden ist. Denn nicht nur alles, was in Por- cellainfabriken gemacht wird, ist hier auch zu finden, sondern es ist alles auch an Formen, Malerey und Verguldungen so wie im ächten Porcellain; deswe- gen auch die vornehmsten Häuser sich solcher Tafelser- vice bedienen. Aber diese Waare ist denn doch, ge- gen das Porcellain gerechnet, zu theuer.
Beccaria.
Unter die schätzbarsten Männer, die ich in Mei- land kennen gelernt habe, rechne ich den berühmten Marchese Beccaria, der durch sein fürtreffliches Werk über die Verbrechen und die Strafen sich durch
ganz
Tagebuch von der Ruͤckreiſe
Summe baar nach Wien, wodurch das Herzogthum allmaͤhlig ausgeſogen wird.
Das Volk in Meiland ſchien mir ein munteres, ſehr arbeitſames und in Wohlſtand lebendes Volk zu ſeyn. Es iſt ein Vergnuͤgen, in den Straßen, die um die Mitte der Stadt liegen, alles in voller Arbeit zu ſehen. Die Werkſtellen der Handwerksleute, Fa- bricanten und Kuͤnſtler ſind, ſo wie die Laden und Ge- woͤlber der Kraͤmer und Kaufleute, mit Menſchen und Waaren reichlich angefuͤllt. Beſonders faͤllt die große Menge und der Reichthum der Goldſchmidtswerkſtel- len und Laden ſehr in die Augen. Die Religion traͤgt nicht wenig hiezu bey. Es iſt wenigſtens ſelten ein Goldſchmidtsladen zu ſehen, in dem nicht eine Menge ſilberne Haͤnde, Fuͤße und andere zu Bezahlung der Geluͤbde und Beſchenkung der Kirchen beſtimmte Sa- chen vorraͤthig waͤren.
Unter den meilaͤndiſchen Fabriken verdient die große Fayencefabrik geſehen zu werden. Sie hat voͤl- lig das Anſehen einer großen Fabrik von aͤchtem Por- cellain, davon ſie blos durch die geringere Materie un- terſchieden iſt. Denn nicht nur alles, was in Por- cellainfabriken gemacht wird, iſt hier auch zu finden, ſondern es iſt alles auch an Formen, Malerey und Verguldungen ſo wie im aͤchten Porcellain; deswe- gen auch die vornehmſten Haͤuſer ſich ſolcher Tafelſer- vice bedienen. Aber dieſe Waare iſt denn doch, ge- gen das Porcellain gerechnet, zu theuer.
Beccaria.
Unter die ſchaͤtzbarſten Maͤnner, die ich in Mei- land kennen gelernt habe, rechne ich den beruͤhmten Marcheſe Beccaria, der durch ſein fuͤrtreffliches Werk uͤber die Verbrechen und die Strafen ſich durch
ganz
<TEI><text><body><divn="1"><divtype="diaryEntry"n="2"><p><pbfacs="#f0362"n="342"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">Tagebuch von der Ruͤckreiſe</hi></fw><lb/>
Summe baar nach <hirendition="#fr">Wien,</hi> wodurch das Herzogthum<lb/>
allmaͤhlig ausgeſogen wird.</p><lb/><p>Das Volk in <hirendition="#fr">Meiland</hi>ſchien mir ein munteres,<lb/>ſehr arbeitſames und in Wohlſtand lebendes Volk zu<lb/>ſeyn. Es iſt ein Vergnuͤgen, in den Straßen, die<lb/>
um die Mitte der Stadt liegen, alles in voller Arbeit<lb/>
zu ſehen. Die Werkſtellen der Handwerksleute, Fa-<lb/>
bricanten und Kuͤnſtler ſind, ſo wie die Laden und Ge-<lb/>
woͤlber der Kraͤmer und Kaufleute, mit Menſchen und<lb/>
Waaren reichlich angefuͤllt. Beſonders faͤllt die große<lb/>
Menge und der Reichthum der Goldſchmidtswerkſtel-<lb/>
len und Laden ſehr in die Augen. Die Religion traͤgt<lb/>
nicht wenig hiezu bey. Es iſt wenigſtens ſelten ein<lb/>
Goldſchmidtsladen zu ſehen, in dem nicht eine Menge<lb/>ſilberne Haͤnde, Fuͤße und andere zu Bezahlung der<lb/>
Geluͤbde und Beſchenkung der Kirchen beſtimmte Sa-<lb/>
chen vorraͤthig waͤren.</p><lb/><p>Unter den meilaͤndiſchen Fabriken verdient die<lb/>
große Fayencefabrik geſehen zu werden. Sie hat voͤl-<lb/>
lig das Anſehen einer großen Fabrik von aͤchtem Por-<lb/>
cellain, davon ſie blos durch die geringere Materie un-<lb/>
terſchieden iſt. Denn nicht nur alles, was in Por-<lb/>
cellainfabriken gemacht wird, iſt hier auch zu finden,<lb/>ſondern es iſt alles auch an Formen, Malerey und<lb/>
Verguldungen ſo wie im aͤchten Porcellain; deswe-<lb/>
gen auch die vornehmſten Haͤuſer ſich ſolcher Tafelſer-<lb/>
vice bedienen. Aber dieſe Waare iſt denn doch, ge-<lb/>
gen das Porcellain gerechnet, zu theuer.</p><lb/><noteplace="left">Beccaria.</note><p>Unter die ſchaͤtzbarſten Maͤnner, die ich in <hirendition="#fr">Mei-<lb/>
land</hi> kennen gelernt habe, rechne ich den beruͤhmten<lb/><hirendition="#fr">Marcheſe Beccaria,</hi> der durch ſein fuͤrtreffliches<lb/>
Werk uͤber die Verbrechen und die Strafen ſich durch<lb/><fwplace="bottom"type="catch">ganz</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[342/0362]
Tagebuch von der Ruͤckreiſe
Summe baar nach Wien, wodurch das Herzogthum
allmaͤhlig ausgeſogen wird.
Das Volk in Meiland ſchien mir ein munteres,
ſehr arbeitſames und in Wohlſtand lebendes Volk zu
ſeyn. Es iſt ein Vergnuͤgen, in den Straßen, die
um die Mitte der Stadt liegen, alles in voller Arbeit
zu ſehen. Die Werkſtellen der Handwerksleute, Fa-
bricanten und Kuͤnſtler ſind, ſo wie die Laden und Ge-
woͤlber der Kraͤmer und Kaufleute, mit Menſchen und
Waaren reichlich angefuͤllt. Beſonders faͤllt die große
Menge und der Reichthum der Goldſchmidtswerkſtel-
len und Laden ſehr in die Augen. Die Religion traͤgt
nicht wenig hiezu bey. Es iſt wenigſtens ſelten ein
Goldſchmidtsladen zu ſehen, in dem nicht eine Menge
ſilberne Haͤnde, Fuͤße und andere zu Bezahlung der
Geluͤbde und Beſchenkung der Kirchen beſtimmte Sa-
chen vorraͤthig waͤren.
Unter den meilaͤndiſchen Fabriken verdient die
große Fayencefabrik geſehen zu werden. Sie hat voͤl-
lig das Anſehen einer großen Fabrik von aͤchtem Por-
cellain, davon ſie blos durch die geringere Materie un-
terſchieden iſt. Denn nicht nur alles, was in Por-
cellainfabriken gemacht wird, iſt hier auch zu finden,
ſondern es iſt alles auch an Formen, Malerey und
Verguldungen ſo wie im aͤchten Porcellain; deswe-
gen auch die vornehmſten Haͤuſer ſich ſolcher Tafelſer-
vice bedienen. Aber dieſe Waare iſt denn doch, ge-
gen das Porcellain gerechnet, zu theuer.
Unter die ſchaͤtzbarſten Maͤnner, die ich in Mei-
land kennen gelernt habe, rechne ich den beruͤhmten
Marcheſe Beccaria, der durch ſein fuͤrtreffliches
Werk uͤber die Verbrechen und die Strafen ſich durch
ganz
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sulzer, Johann Georg: Tagebuch einer von Berlin nach den mittäglichen Ländern von Europa in den Jahren 1775 und 1776 gethanen Reise und Rückreise. Leipzig, 1780, S. 342. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sulzer_reise_1780/362>, abgerufen am 11.10.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.