Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Sulzer, Johann Georg: Tagebuch einer von Berlin nach den mittäglichen Ländern von Europa in den Jahren 1775 und 1776 gethanen Reise und Rückreise. Leipzig, 1780.

Bild:
<< vorherige Seite

von Nizza nach Deutschland.
ganz Europa, und durch seine Abhandlung über die
Schreibart unter den Kunstrichtern einen Namen ge-
macht hat. Sein jetziges Amt hat ihn der gelehrten
Welt entrissen. Er ist Prefetto dell' Annona, und
hat als solcher mühsame und verdrießliche Geschäffte.
Die Ausfuhre des Getraides aus dem Herzogthum ist
überhaupt verboten, wird aber in gewissen Umständen
nicht überall, sondern nur gewissen Personen nach Be-
finden der Sachen erlaubt. Diese und andere dahin
einschlagende Geschäffte benehmen diesem fürtrefflichen
Kopfe alle Zeit. Er sagte mir, daß er schon lange
den Stoff zu einer zweyten Abhandlung über die
Schreibart gesammelt habe, aber keine Zeit finde, ihn
ordentlich zu bearbeiten. Sein Werk dei Delitti
würde ihm, ohne den kräftigen Schutz des fürtreff-
lichen Ministers, große Verfolgung zugezogen haben.

Endlich muß ich noch zweyer schätzbaren Gelehr-
ten gedenken, denen ich besondere Verbindlichkeit
schuldig bin, weil sie die Gefälligkeit für mich gehabt,
sich meinethalben viel zu bemühen. Der eine ist der
Pater Soave, ein gründlicher Philosoph, von dem
man unter andern eine schöne Abhandlung über den
Ursprung der Sprache hat, die er vermehrt herausge-
geben, nachdem sie bey der königlichen Academie der
Wissenschaften in Berlin das Accessit erhalten, als
Hr. Herder den Preis bekommen. Der andere ist der
Abbate Amoretti, ein liebenswürdiger junger Ge-
lehrter, und einer der Herausgeber der schätzbaren pe-
riodischen Schrift: Scelta di opuscoli interessanti tra-
dotti da varie lingue;
ein Werk, das einige Aehn-
lichkeit mit unserm hamburgischen Magazine hat.
Eben derselbe hat auch eine kleine Sammlung Geller-

tischer
Y 4

von Nizza nach Deutſchland.
ganz Europa, und durch ſeine Abhandlung uͤber die
Schreibart unter den Kunſtrichtern einen Namen ge-
macht hat. Sein jetziges Amt hat ihn der gelehrten
Welt entriſſen. Er iſt Prefetto dell' Annona, und
hat als ſolcher muͤhſame und verdrießliche Geſchaͤffte.
Die Ausfuhre des Getraides aus dem Herzogthum iſt
uͤberhaupt verboten, wird aber in gewiſſen Umſtaͤnden
nicht uͤberall, ſondern nur gewiſſen Perſonen nach Be-
finden der Sachen erlaubt. Dieſe und andere dahin
einſchlagende Geſchaͤffte benehmen dieſem fuͤrtrefflichen
Kopfe alle Zeit. Er ſagte mir, daß er ſchon lange
den Stoff zu einer zweyten Abhandlung uͤber die
Schreibart geſammelt habe, aber keine Zeit finde, ihn
ordentlich zu bearbeiten. Sein Werk dei Delitti
wuͤrde ihm, ohne den kraͤftigen Schutz des fuͤrtreff-
lichen Miniſters, große Verfolgung zugezogen haben.

Endlich muß ich noch zweyer ſchaͤtzbaren Gelehr-
ten gedenken, denen ich beſondere Verbindlichkeit
ſchuldig bin, weil ſie die Gefaͤlligkeit fuͤr mich gehabt,
ſich meinethalben viel zu bemuͤhen. Der eine iſt der
Pater Soave, ein gruͤndlicher Philoſoph, von dem
man unter andern eine ſchoͤne Abhandlung uͤber den
Urſprung der Sprache hat, die er vermehrt herausge-
geben, nachdem ſie bey der koͤniglichen Academie der
Wiſſenſchaften in Berlin das Acceſſit erhalten, als
Hr. Herder den Preis bekommen. Der andere iſt der
Abbate Amoretti, ein liebenswuͤrdiger junger Ge-
lehrter, und einer der Herausgeber der ſchaͤtzbaren pe-
riodiſchen Schrift: Scelta di opuſcoli intereſſanti tra-
dotti da varie lingue;
ein Werk, das einige Aehn-
lichkeit mit unſerm hamburgiſchen Magazine hat.
Eben derſelbe hat auch eine kleine Sammlung Geller-

tiſcher
Y 4
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div type="diaryEntry" n="2">
          <p><pb facs="#f0363" n="343"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">von Nizza nach Deut&#x017F;chland.</hi></fw><lb/>
ganz Europa, und durch &#x017F;eine Abhandlung u&#x0364;ber die<lb/>
Schreibart unter den Kun&#x017F;trichtern einen Namen ge-<lb/>
macht hat. Sein jetziges Amt hat ihn der gelehrten<lb/>
Welt entri&#x017F;&#x017F;en. Er i&#x017F;t <hi rendition="#aq">Prefetto dell' Annona,</hi> und<lb/>
hat als &#x017F;olcher mu&#x0364;h&#x017F;ame und verdrießliche Ge&#x017F;cha&#x0364;ffte.<lb/>
Die Ausfuhre des Getraides aus dem Herzogthum i&#x017F;t<lb/>
u&#x0364;berhaupt verboten, wird aber in gewi&#x017F;&#x017F;en Um&#x017F;ta&#x0364;nden<lb/>
nicht u&#x0364;berall, &#x017F;ondern nur gewi&#x017F;&#x017F;en Per&#x017F;onen nach Be-<lb/>
finden der Sachen erlaubt. Die&#x017F;e und andere dahin<lb/>
ein&#x017F;chlagende Ge&#x017F;cha&#x0364;ffte benehmen die&#x017F;em fu&#x0364;rtrefflichen<lb/>
Kopfe alle Zeit. Er &#x017F;agte mir, daß er &#x017F;chon lange<lb/>
den Stoff zu einer zweyten Abhandlung u&#x0364;ber die<lb/>
Schreibart ge&#x017F;ammelt habe, aber keine Zeit finde, ihn<lb/>
ordentlich zu bearbeiten. Sein Werk <hi rendition="#aq">dei Delitti</hi><lb/>
wu&#x0364;rde ihm, ohne den kra&#x0364;ftigen Schutz des fu&#x0364;rtreff-<lb/>
lichen Mini&#x017F;ters, große Verfolgung zugezogen haben.</p><lb/>
          <p>Endlich muß ich noch zweyer &#x017F;cha&#x0364;tzbaren Gelehr-<lb/>
ten gedenken, denen ich be&#x017F;ondere Verbindlichkeit<lb/>
&#x017F;chuldig bin, weil &#x017F;ie die Gefa&#x0364;lligkeit fu&#x0364;r mich gehabt,<lb/>
&#x017F;ich meinethalben viel zu bemu&#x0364;hen. Der eine i&#x017F;t der<lb/>
Pater <hi rendition="#fr">Soave,</hi> ein gru&#x0364;ndlicher Philo&#x017F;oph, von dem<lb/>
man unter andern eine &#x017F;cho&#x0364;ne Abhandlung u&#x0364;ber den<lb/>
Ur&#x017F;prung der Sprache hat, die er vermehrt herausge-<lb/>
geben, nachdem &#x017F;ie bey der ko&#x0364;niglichen Academie der<lb/>
Wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaften in <hi rendition="#fr">Berlin</hi> das Acce&#x017F;&#x017F;it erhalten, als<lb/>
Hr. <hi rendition="#fr">Herder</hi> den Preis bekommen. Der andere i&#x017F;t der<lb/><hi rendition="#fr">Abbate Amoretti,</hi> ein liebenswu&#x0364;rdiger junger Ge-<lb/>
lehrter, und einer der Herausgeber der &#x017F;cha&#x0364;tzbaren pe-<lb/>
riodi&#x017F;chen Schrift: <hi rendition="#aq">Scelta di opu&#x017F;coli intere&#x017F;&#x017F;anti tra-<lb/>
dotti da varie lingue;</hi> ein Werk, das einige Aehn-<lb/>
lichkeit mit un&#x017F;erm hamburgi&#x017F;chen Magazine hat.<lb/>
Eben der&#x017F;elbe hat auch eine kleine Sammlung Geller-<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">Y 4</fw><fw place="bottom" type="catch">ti&#x017F;cher</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[343/0363] von Nizza nach Deutſchland. ganz Europa, und durch ſeine Abhandlung uͤber die Schreibart unter den Kunſtrichtern einen Namen ge- macht hat. Sein jetziges Amt hat ihn der gelehrten Welt entriſſen. Er iſt Prefetto dell' Annona, und hat als ſolcher muͤhſame und verdrießliche Geſchaͤffte. Die Ausfuhre des Getraides aus dem Herzogthum iſt uͤberhaupt verboten, wird aber in gewiſſen Umſtaͤnden nicht uͤberall, ſondern nur gewiſſen Perſonen nach Be- finden der Sachen erlaubt. Dieſe und andere dahin einſchlagende Geſchaͤffte benehmen dieſem fuͤrtrefflichen Kopfe alle Zeit. Er ſagte mir, daß er ſchon lange den Stoff zu einer zweyten Abhandlung uͤber die Schreibart geſammelt habe, aber keine Zeit finde, ihn ordentlich zu bearbeiten. Sein Werk dei Delitti wuͤrde ihm, ohne den kraͤftigen Schutz des fuͤrtreff- lichen Miniſters, große Verfolgung zugezogen haben. Endlich muß ich noch zweyer ſchaͤtzbaren Gelehr- ten gedenken, denen ich beſondere Verbindlichkeit ſchuldig bin, weil ſie die Gefaͤlligkeit fuͤr mich gehabt, ſich meinethalben viel zu bemuͤhen. Der eine iſt der Pater Soave, ein gruͤndlicher Philoſoph, von dem man unter andern eine ſchoͤne Abhandlung uͤber den Urſprung der Sprache hat, die er vermehrt herausge- geben, nachdem ſie bey der koͤniglichen Academie der Wiſſenſchaften in Berlin das Acceſſit erhalten, als Hr. Herder den Preis bekommen. Der andere iſt der Abbate Amoretti, ein liebenswuͤrdiger junger Ge- lehrter, und einer der Herausgeber der ſchaͤtzbaren pe- riodiſchen Schrift: Scelta di opuſcoli intereſſanti tra- dotti da varie lingue; ein Werk, das einige Aehn- lichkeit mit unſerm hamburgiſchen Magazine hat. Eben derſelbe hat auch eine kleine Sammlung Geller- tiſcher Y 4

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/sulzer_reise_1780
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/sulzer_reise_1780/363
Zitationshilfe: Sulzer, Johann Georg: Tagebuch einer von Berlin nach den mittäglichen Ländern von Europa in den Jahren 1775 und 1776 gethanen Reise und Rückreise. Leipzig, 1780, S. 343. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sulzer_reise_1780/363>, abgerufen am 12.05.2024.