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Sulzer, Johann Georg: Tagebuch einer von Berlin nach den mittäglichen Ländern von Europa in den Jahren 1775 und 1776 gethanen Reise und Rückreise. Leipzig, 1780.

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Tagebuch von der Rückreise
allen seinen steinernen Brücken verschneyt, und nur
hier und da sichtbar. Man kommt einigemal darü-
ber, ohne es zu wissen, weil der aufgehäufte Schnee
statt einer Brücke dienet. Also reitet man über
Schnee weg, der in der Tiefe kein Fundament hat,
worauf er ruhet. Stürzte dieses Schneegewölbe ein,
so würde man tief in einen Abgrund versinken, durch
den ein reissender Strom herunterstürzt. Das Beste
dabey ist, daß der Reisende seine fürchterliche Lage sel-
ten sehen kann. Doch kommt man auch auf Stellen,
wo sie nur zu deutlich in die Augen fällt; wo man den
Strom tief unter sich neben dem Wege hat, und dann
etwas weiter hin in ein hohes Gewölbe, von bloßem
Schnee über den Strom geschlagen, hinein sieht.
Unter diesem Gewölbe sieht man den Strom wie aus
einer dunkeln Höhle herausstürzen, und die Vorstel-
lung, daß man nun über dieses so gebrechliche Gewöl-
be herüber reiten müsse, macht in der That schwindlich.

Zu dieser Gefahr kommt noch die von den Schnee-
lawinen,
die bisweilen von der Höhe herabrollen,
und alles, was sie antreffen, mit sich fortreissen. Jch
habe an ein paar Orten noch Ueberreste solcher Lawi-
nen angetroffen, die vor kurzem heruntergestürzt und
neben dem Wege liegen geblieben waren.

Dieser Weg hat nur dadurch einige Festigkeit,
daß der Schnee durch das Eintreten dichter zusammen-
geballt und also fest geworden. Weil aber bey dieser
Jahreszeit die Sonne schon ihre volle Kraft hat, so
wurde der Schnee hier und da schon weich, und die
Pferde traten oft tief herein. Es ist merkwürdig an-
zusehen, wie diese Thiere, wenn sie etwas eingesun-
ken sind, sogleich die Gefahr empfinden, und mit

Vor-

Tagebuch von der Ruͤckreiſe
allen ſeinen ſteinernen Bruͤcken verſchneyt, und nur
hier und da ſichtbar. Man kommt einigemal daruͤ-
ber, ohne es zu wiſſen, weil der aufgehaͤufte Schnee
ſtatt einer Bruͤcke dienet. Alſo reitet man uͤber
Schnee weg, der in der Tiefe kein Fundament hat,
worauf er ruhet. Stuͤrzte dieſes Schneegewoͤlbe ein,
ſo wuͤrde man tief in einen Abgrund verſinken, durch
den ein reiſſender Strom herunterſtuͤrzt. Das Beſte
dabey iſt, daß der Reiſende ſeine fuͤrchterliche Lage ſel-
ten ſehen kann. Doch kommt man auch auf Stellen,
wo ſie nur zu deutlich in die Augen faͤllt; wo man den
Strom tief unter ſich neben dem Wege hat, und dann
etwas weiter hin in ein hohes Gewoͤlbe, von bloßem
Schnee uͤber den Strom geſchlagen, hinein ſieht.
Unter dieſem Gewoͤlbe ſieht man den Strom wie aus
einer dunkeln Hoͤhle herausſtuͤrzen, und die Vorſtel-
lung, daß man nun uͤber dieſes ſo gebrechliche Gewoͤl-
be heruͤber reiten muͤſſe, macht in der That ſchwindlich.

Zu dieſer Gefahr kommt noch die von den Schnee-
lawinen,
die bisweilen von der Hoͤhe herabrollen,
und alles, was ſie antreffen, mit ſich fortreiſſen. Jch
habe an ein paar Orten noch Ueberreſte ſolcher Lawi-
nen angetroffen, die vor kurzem heruntergeſtuͤrzt und
neben dem Wege liegen geblieben waren.

Dieſer Weg hat nur dadurch einige Feſtigkeit,
daß der Schnee durch das Eintreten dichter zuſammen-
geballt und alſo feſt geworden. Weil aber bey dieſer
Jahreszeit die Sonne ſchon ihre volle Kraft hat, ſo
wurde der Schnee hier und da ſchon weich, und die
Pferde traten oft tief herein. Es iſt merkwuͤrdig an-
zuſehen, wie dieſe Thiere, wenn ſie etwas eingeſun-
ken ſind, ſogleich die Gefahr empfinden, und mit

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[362/0382] Tagebuch von der Ruͤckreiſe allen ſeinen ſteinernen Bruͤcken verſchneyt, und nur hier und da ſichtbar. Man kommt einigemal daruͤ- ber, ohne es zu wiſſen, weil der aufgehaͤufte Schnee ſtatt einer Bruͤcke dienet. Alſo reitet man uͤber Schnee weg, der in der Tiefe kein Fundament hat, worauf er ruhet. Stuͤrzte dieſes Schneegewoͤlbe ein, ſo wuͤrde man tief in einen Abgrund verſinken, durch den ein reiſſender Strom herunterſtuͤrzt. Das Beſte dabey iſt, daß der Reiſende ſeine fuͤrchterliche Lage ſel- ten ſehen kann. Doch kommt man auch auf Stellen, wo ſie nur zu deutlich in die Augen faͤllt; wo man den Strom tief unter ſich neben dem Wege hat, und dann etwas weiter hin in ein hohes Gewoͤlbe, von bloßem Schnee uͤber den Strom geſchlagen, hinein ſieht. Unter dieſem Gewoͤlbe ſieht man den Strom wie aus einer dunkeln Hoͤhle herausſtuͤrzen, und die Vorſtel- lung, daß man nun uͤber dieſes ſo gebrechliche Gewoͤl- be heruͤber reiten muͤſſe, macht in der That ſchwindlich. Zu dieſer Gefahr kommt noch die von den Schnee- lawinen, die bisweilen von der Hoͤhe herabrollen, und alles, was ſie antreffen, mit ſich fortreiſſen. Jch habe an ein paar Orten noch Ueberreſte ſolcher Lawi- nen angetroffen, die vor kurzem heruntergeſtuͤrzt und neben dem Wege liegen geblieben waren. Dieſer Weg hat nur dadurch einige Feſtigkeit, daß der Schnee durch das Eintreten dichter zuſammen- geballt und alſo feſt geworden. Weil aber bey dieſer Jahreszeit die Sonne ſchon ihre volle Kraft hat, ſo wurde der Schnee hier und da ſchon weich, und die Pferde traten oft tief herein. Es iſt merkwuͤrdig an- zuſehen, wie dieſe Thiere, wenn ſie etwas eingeſun- ken ſind, ſogleich die Gefahr empfinden, und mit Vor-

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Zitationshilfe: Sulzer, Johann Georg: Tagebuch einer von Berlin nach den mittäglichen Ländern von Europa in den Jahren 1775 und 1776 gethanen Reise und Rückreise. Leipzig, 1780, S. 362. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sulzer_reise_1780/382>, abgerufen am 10.10.2024.